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Alles für die Familie

An Netflix kommt man nicht mehr vorbei: Mit «Bloodline» wirft der Streaming-Dienst eine neue spannende Serie auf den Markt, die sich der brüchigen Familienidylle der Rayburns widmet.

Cast & Crew

  • Idee und Drehbuch: Glenn Kessler, Todd A. Kessler, Daniel Zelman
  • Darsteller: Kyle Chandler, Ben Mendelsohn, Linda Cardellini, Sam Shepard, Sissy Spacek, Norbert Leo Butz u.a.
  • Ausf. Produzenten: Glenn Kessler, Todd A. Kessler, Daniel Zelman
  • Produktion: KZK Productions, Sony Pictures Television
Seit einigen Jahren hat sich das Genre Serie als Format für komplexe Erzählungen und Dramen etabliert. Als einer der etablierten Streaming-Anbieter möchte Netflix seit einiger Zeit aber mehr. Hat man zu Anfang nur eingekaufte Produktionen zur Verfügung gestellt, möchte man mittlerweile selbst die Produktion übernehmen. Knapp 20 Serien will Netflix pro Jahr auf den Markt werfen. Namhafte Neustarts waren zuletzt das Drama «Marco Polo» oder die Komödie «Unbreakable Kimmy Schmidt». Auch den fortgesetzten Serien «House of Cards» und «Orange is the New Black» eilt ihr guter Ruf voraus. Nun startete der neueste Coup von Netflix: «Bloodline». Der Pilot der 13 Episoden umfassenden ersten Staffel der Serie, die sich zwischen Drama und Thriller einordnen lässt, bietet einiges an Spannung und reichlich innerfamiliären Zwist.

Die Rayburns führen ein gutes Leben auf den Florida Keys, einer Inselkette im Golf von Mexiko. Sie besitzen ein beschauliches Hotel inmitten des vermeintlichen Paradieses. Zum 45-jährigen Bestehen ihres Familiengeschäfts wird die gesamte Verwandtschaft zu den Feierlichkeiten eingeladen. Inklusive des schwarzen Schafes der Familie: Danny Rayburn, der vor allem mit Drogen-, Frauen- und Persönlichkeitsproblemen zu kämpfen hat. Nur widerwillig, und erst nach einem Abstecher zu einem zwielichtigen Freund, erscheint er zu der Familienfeier. Trotz seiner Vergangenheit scheint der Verstoßene wieder nach Hause zurückkehren zu wollen. Er bittet seinen Bruder John, der sich seinem Bruder seit der Kindheit verpflichtet fühlt und ihn immer wieder aus Schwierigkeiten heraushilft, für ihn ein gutes Wort bei ihrem Vater einzulegen. John scheint das Gegenteil von seinem Bruder zu sein: Frau, Kinder, Job als Detective bei der Polizei. Es deutet sich jedoch an, dass die vermeintliche Familienidylle der Rayburns nichts als nur Fassade ist. Die Geister der Vergangenheit holen sie ein.

Diese beiden Figuren stehen vorerst im Zentrum der Handlung. Auf der einen Seite Danny, das schwarze Schaf der Familie, gespielt von Ben Mendelsohn, unter anderem bekannt aus Filmen wie «The Place Beyond the Pines» oder «The Dark Knight Rises». Der Zuschauer bemerkt sofort, dass Danny von dunklen Geheimnissen und krummen Geschäften umgeben ist. Welche Ziele verfolgt dieser Mensch, irgendwo zwischen den zwielichtigen Machenschaften, dem Einfluss der Familie und dem Versprechen, sämtliche Schulden zurückzubezahlen? Und was hat es mit den wirren Wahnvorstellungen auf sich, unter denen Danny offenbar leidet? Auf der anderen Seite steht John Rayburn, der auch das Voice-Over der Serie übernimmt. Hinter der Fassade als glücklicher Familienvater scheint es mächtig zu brodeln. Kyle Chandler, der unter anderem bei der Emmy-gekrönten Serie «Friday Night Lights» oder in den Filmen «Super 8» und «The Wolf of Wall Street» mit von der Partie war, spielt diese zwiegespaltene Rolle überzeugend. Die Geschwister werden komplettiert von Meg (Linda Cardellini), einer erfolgreichen Anwältin, und Kevin (Norbert Leo Butz), die ebenfalls die ein oder andere Leiche im Keller verstecken. Über der Familie stehen die gutmütige Mutter Sally Rayburn (Sissy Spacek) und der scheinbar kühle Vater Robert (Sam Shepard).

Der Plot der Serie besitzt eine Grundspannung, der sich der Zuschauer nicht entziehen kann. Genährt wird diese vor allem durch einige Vorblenden, in denen man sieht, wie John seinen leblosen Bruder Danny durch den Sumpf Floridas schleppt und auf einem Boot verbrennt. Der Zuschauer weiß sehr früh, wie die Geschichte enden wird. Genau das ist aber der Clou an der Serie: Man wird dadurch in den Bann gezogen. Zugegebenermaßen: Es braucht einen Moment, bis die Serie spannungstechnisch in Fahrt kommt. Aber es lohnt sich durchaus zu warten: Wie kam es zu Dannys Tod? Welches dunkle Familiengeheimnis hängt über der Familie? Was hat das Ganze mit dem jungen Mädchen zu tun, das während der Familienfeier tot im Sumpf gefunden wird?

Ungewöhnlich waren dabei die Umstände der Produktion. In der Regel bestellt ein Sender zuerst einen Piloten und entscheidet dann, ob er weiter produziert werden soll. Netflix verfährt laut Programmchef Ted Sarandos jedoch anders: Ganz oder gar nicht. «Bloodline» scheint die Verantwortlichen sofort überzeugt zu haben, da unmittelbar eine vollständige Staffel bestellt wurde. Die Autoren haben sich redlich Mühe gegeben, in der Story möglichst viele Fragen offen zu lassen, um die Zuschauer an den Bildschirmen zu fesseln. Hierfür verantwortlich sind die beiden Brüder Todd und Glenn Kessler sowie Daniel Zelman, die unter anderem gemeinsam die preisgekrönte Anwaltsserie «Damages» produzierten. Insbesondere Todd Kessler konnte sich mit der Mitarbeit an «The Sopranos» einen Namen machen.

In einem Interview beschreibt er die Grundidee hinter «Bloodline» mit der „Spannung zwischen individueller und familiärer Identität“. Die Darstellung der Diskrepanz zwischen diesen beiden Polen ist hervorragend gelungen. Man sieht die Familie Rayburn beim Familienfest spielen, klatschen und feiern, merkt aber sofort, wie aufgesetzt, wie gewollt diese friedliche Stimmung ist, wobei kleine Eskalationen Risse in diesem Bild erzeugen. Am besten umschreibt es Dannys Aussage gegenüber seinem Bruder John: „Genieß‘ du nur deine Familie“. Jeder spielt seine zugewiesene Rolle, wenn auch latent unzufrieden. „Ich dachte immer, das Beste, was mir passieren konnte, war als Rayburn geboren zu werden. Da bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher“.

Mit «Bloodline» hat Netflix einen stimmigen Thriller auf den Markt geworfen, der bereits in der ersten Folge mit einer ruhigen Spannung überzeugen kann. Die Voice-Overs und Vorblenden schaffen Momente der Klarheit, die gleichzeitig etliche neue Fragen aufwerfen. Mit einem Cast, der sich durchaus sehen lassen kann, schaffen die Produzenten Todd und Glenn Kessler sowie Daniel Zelman einen dramatischen Thriller, der das Bild einer vermeintlichen Vorzeige-Familie systematisch zerstört. Allein das abschließende Voice-Over von John Rayburn in der ersten Folge lädt zum Weitersehen ein: „Ich werde euch alles erzählen. Das ist nicht sehr angenehm, aber es ist die Wahrheit. Was wir unserem Bruder angetan haben, mussten wir tun. Bitte verurteilt uns nicht. Wir sind keine schlechten Menschen, aber wir haben etwas Schlimmes getan“.
21.03.2015 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/77073
Robert Meyer

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