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Die Kritiker: «Hangover in High-Heels»

Sat.1 probiert sich einmal mehr an der komödiantischen Fiction, doch wer sich bei dem Titel «Hangover in High-Heels» feuchtfröhliche Partyexzesse erhofft, wird bitter enttäuscht werden.

«Hangover in High-Heels»

  • Genre: Komödie
  • Laufzeit: 90 Min.
  • Kamera: Henner Besuch
  • Produktion: X Filme Creative Pool GmbH, Wega Filmproduktionsges.m.b.H.
  • Produzenten: Michael Polle, Michael Katz
  • Buch: Sven Bohse, Lena Stahl
  • Regie: Sven Bohse
  • Darsteller: Jennifer Ulrich, Susanna Simon, Dietrich Hollinderbäumer, David Miesmer, Matthi Faust, Ingrid Mülleder
2009 erschien mit der US-Komödie «Hangover» der ultimative Partyfilm. Er zog zwei Fortsetzungen nach sich, wurde für den Golden Globe nominiert und lieferte nicht nur Zitate, sondern ganze Szenen für die Ewigkeit. Das Konzept eines brutalen Filmrisses, dessen Auslöser es Stück für Stück zusammenzusetzen gilt, zog erstaunlich wenig Trittbrettfahrer nach sich – zumindest solange man sich auf dem internationalen Kinomarkt umschaut und den Direct-to-DVD-Sektor außer Acht lässt. So stehen die Eskapaden um das legendäre Wolfsrudel mit ihrer kreativen Dramaturgie und Cleverness bis heute so ziemlich allein auf weiter Flur. Da mutet es umso suspekter an, dass jetzt ausgerechnet Sat.1 im Rahmen der neuen Film-Film-Offensive auf die Idee des Franchises zurückgreift. Immerhin gehört der komödiantische Fiction-Bereich nicht unbedingt zu den Aushängeschildern des Privatsenders.

Regisseur Sven Bohse war bislang vornehmlich für die weniger tiefgründigen Geschichten des deutschen Fernsehens zuständig, inszenierte lieber einzelne Episoden für diverse Schmunzel-Reihen der Marke «Es kommt noch dicker» oder «Heiter bis tödlich». Doch anders als man es dem Titel zufolge vermuten mag, schlägt Bohses neuester Ausflug in die Langfilmsparte zugleich ähnliche, im Großen und Ganzen jedoch deutlich ernstere Töne an. Dadurch wird aus «Hangover in High-Heels» jedoch noch lange kein Dramakino. Stattdessen ergibt sich aus dem zu Beginn noch recht einfältig anmutenden Drehbuch mit der Zeit ein sehr abstruser Mischmasch aus diversen Genreeinflüssen, der sich nie so ganz auf einen Tonfall festlegen will und dadurch nur in wenigen Momenten wirklich zündet.

So hatte sich die angehende Anwältin Amelie (Jennifer Ulrich) ihre erste Businessveranstaltung nicht vorgestellt! Seit ein paar Wochen arbeitet sie für die renommierte Wiener Kanzlei Brehmer & Moss und tut alles, um es ihrer ziemlich fiesen Chefin Pia (Susanna Simon) recht zu machen. Doch ausgerechnet Pia ist es, die mit Amelie in der Poolanlage erwacht. Aber wie sind die beiden überhaupt dort gelandet? Was haben sie alles angestellt und vor allem: Wo ist die streng vertrauliche Akte ihres wichtigen Mandanten? Das ungleiche Frauenteam versucht die Puzzleteile der chaotischen Nacht so schnell wie möglich wieder zusammenzufügen, in der offensichtlich eine Inka-Hochzeit, ein geheimnisvoller Tätowierer und Amelies Brautkleid eine wichtige Rolle spielen...

Die Ausgangslage des Plots offenbart eine waschechte Lady-Comedy und mit der Besetzung aus der zurückhaltenden Jennifer Ulrich («Zimmer 2015») als graues Mäuschen und Susanna Simon («Der letzte Bulle») als herrische Furie entwirft das Skript ein wahrhaftiges Duo Infernale, das aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Charakteristika echte Funken sprühen lässt. Die Chemie zwischen den beiden Grazien ist von purer Antipathie geprägt, doch die hieraus entstehenden Dissonanzen werden zur treibenden Kraft von «Hangover in High-Heels», einem Film, der von Beginn an eine genaue Richtung vorgibt. Das bedeutet für den Zuschauer, dass in der eineinhalbstündigen Produktion von Überraschungen weit und breit nichts zu sehen ist. Selbst, wenn das Autorenduo aus Regisseur Bohse und Co-Schreiberin Lena Stahl («Alle Tage meines Lebens») im finalen Schlussakt noch einen vermeintlichen Twist aus dem Ärmel zaubern, ist dieser so hanebüchen, dass man das Staunen über das Kopfschütteln glatt vergisst. Doch die dynamisch vorwärts erzählte Story verschleiert die meiste Zeit, dass der Zuschauer es hier mit dem Stoff eines Durchschnittsfilms zu tun bekommt, denn zwei Partner wider Willen dabei zu beobachten, wie es über kurz oder lang von den gegensätzlichen Charakterzügen des jeweils Anderen profitiert, ist wahrlich kein innovativer Ansatz für eine Komödie.

Darüber, ob man es bei «Hangover in High-Heels» jedoch tatsächlich mit einer Komödie zu tun hat, lassen die Macher ihre Zuschauer lange im Unklaren. So etwas wie eine Pointendichte gibt es nicht und das Skript nimmt sich derweil so viel Zeit für das Entwerfen dramatisch geprägter Nebenhandlungsstränge, dass der Streifen zum Schmunzeln kaum einlädt. Es ist vielmehr die in Form einer Schnitzeljagd aufbereitete Ermittlungsarbeit von Sympathieträgerin Amelie, die den Zuschauer bei der Stange hält und in manchen Momenten auch für den notwendigen Pfiff innerhalb des Films sorgen kann. Die Nebenfiguren sind daran jedoch nicht beteiligt. Um Ulrich trotz der nur oberflächlich gezeichneten Züge als möglichst komplexe Figur erscheinen zu lassen, gehen die Autoren einen verhältnismäßig klugen Weg und machen aus ihren Nebencharakteren allenfalls Stereotypen. Von der ätzenden Schwiegermutter über den misstrauischen Verlobten bis hin zur geekigen Schwester fahren die Storyverantwortlichen ein ganzes Potpourri an Reißbrettfiguren auf, die – zum Glück für die Figur von Jennifer Ulrich – nie auch nur ansatzweise in der Lage sind, der Hauptdarstellerin die Show zu stehlen.

Ulrich ist es auch, die der oberflächlichen Geschichte zu so etwas wie Charme verhilft. Ihre Amelie ist beileibe kein allzu interessanter Charakter und ihre Wandlung innerhalb der Geschichte riecht jeder Zuschauer schon von weitem, der sich auch nur im Ansatz mit derartiger Filmkost auseinandergesetzt hat. Doch die niedliche Schauspielerin holt viel aus ihrer Rolle aus, setzt ihr den Stempel „liebenswert“ auf und kommt in den entscheidenden Momenten unerwartet tough daher. All das vereint Ulrich gekonnt; ihre Kollegin Susanna Simon ist dagegen viel zu sehr damit beschäftigt, auf Biegen und Brechen das Biest zu mimen. Ihre Darbietung ist allenfalls nett, authentisch jedoch erst, als es Simon gelingt, die persönlichen Seiten ihrer Figur hervorzukehren. Gibt sich die Schauspielerin betont unsympathisch, gelingen derartige Versuche nur leidlich. Dietrich Hollinderbäumer («Pastewka») brilliert in einer kleinen Nebenrolle.

Fazit: Nach einem weitestgehend humoristischen Auftakt mündet «Hangover in High-Heels» nach und nach in eine Mischung aus Beziehungs-Tragikomödie und Gerichtskrimi. Leider erweist sich dieser skurrile Mix als wenig zugkräftig, denn für eine reine Komödie fehlt es an greifbarer Komik, während die ernsteren Zwischentöne ein Nischendasein fristen und erst gen Ende in Gänze zum Vorschein kommen dürfen, hier aber auch nicht zu Ende gedacht werden. Es bleibt also die Frage, nach der Daseinsberechtigung von «Hangover in High-Heels» und die gibt es im Hinblick auf die stilsichere Inszenierung der beiden Hauptdarstellerinnen, einer hübschen Leistung von Seiten Jennifer Ulrichs und einigen sympathischen Ideen innerhalb des Storyverlaufs. Doch für ein Filmerlebnis mit Wiedererkennungswert reicht es nicht. Dafür erweist sich die In-Szene-Setzung der Geschichte als viel zu unausgegoren.

Sat.1 zeigt «Hangover in High-Heels» am Dienstag den 10. März um 20.15 Uhr.
10.03.2015 09:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/76824
Antje Wessels

super
schade


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Alle Tage meines Lebens Der letzte Bulle Es kommt noch dicker Hangover Hangover in High-Heels Heiter bis tödlich Pastewka Zimmer 2015

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