In "Grenzfall" verschlägt es die österreichischen «Tatort»-Ermittler Eisner und Fellner diese Woche ins Waldviertel.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Harald Krassnitzer als Moritz Eisner
Adele Neuhauser als Bibi Fellner
Hubert Kramar als Ernst Rauter
Thomas Stipsits als Manfred Schimpf
Harald Windisch als Max Ryba
Charly Rabanser als Fritz Gassinger
Karoline Zeisler als Maria Strohmayer
Hinter der Kamera:
Produktion: Allegro Filmproduktion
Drehbuch und Regie: Rupert Henning
Kamera: Josef MittendorferMoritz Eisner und Bibi Fellner müssen raus ins Waldviertel. Dort ist ein Tscheche namens Radok im Grenzfluss Thaya zu Tode gekommen. Die Zeichen stehen auf Mord und die Täter scheinen zu wissen, was sie tun: In Radoks Wohnung in Prag ist eingebrochen worden, allerhand Festplatten wurden entwendet. Auch in seinem Zimmer in der kleinen Pension im österreichischen Nordosten ist jemand gewesen. Profis, sind sich Eisner und Fellner sicher.
In der niederösterreichischen Provinz stoßen die Ermittler erst einmal auf eine Mauer des Schweigens. Doch einer im Ort, der Journalist Max, weiht Bibi schließlich in die politischen Hintergründe ein, die die Tat haben könnte: Als der Eiserne Vorhang noch hing, war die österreichisch-tschechoslowakische Grenze an der Thaya streng bewacht; Flüchtlinge wurden im Zweifel lieber erschossen als laufen gelassen. Doch die systematische Verhinderung illegaler Ausreißen ging nicht ohne Kollaborateure im Westen – vor allem, als Ende der sechziger Jahre die Flüchtlingsströme im Zuge des Prager Frühlings deutlich zunahmen. Wer die Spitzel waren, die damals den tschechoslowakischen Behörden Dissidenten ans Messer lieferten, weiß Max nicht. Er kennt nur die Decknamen. Aber Österreich wäre nicht Österreich – und der «Tatort» wäre kein «Tatort» – wenn die Verstrickungen nicht bis ganz nach oben, in die ehrenwertesten Kreise reichen würden.
Ein bekanntes Schema – denn politisch ist der österreichische «Tatort» schließlich gerne: Rechtsextreme Vereinigungen mit guten Beziehungen zu Funktionären in Spitzenämtern, die ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen gehen. Eine gut situierte Kinderschänderkamarilla, die nicht minder skrupellos operiert hat. Mordserien im Diplomatenmilieu. In all diesen Szenarien haben sich Eisner und Fellner bereits als versiertes Ermittlerduo bewiesen, die Geschichten wurden intellektuell ansprechend, spannend und erschütternd erzählt.
In „Grenzfall“ gefallen die beiden Hauptfiguren erneut durch Vielschichtigkeit, Schlagfertigkeit und ihren trockenen österreichischen Humor, den Krassnitzer und Neuhauser nie zur aufgesetzten Lokalkoloritsorgie verkommen lassen. An die politisch-gesellschaftliche Brisanz vorheriger Folgen konnte man dagegen – überraschenderweise – nur bedingt anknüpfen. Denn die thematische Conclusio, dass alte Schuld, wenn sie denn ans Licht kommt, die mächtigen Männer auch heute noch stürzen kann, obwohl schon Jahrzehnte ins Land gezogen und ganze politische Systeme kollabiert sind, ist, verglichen mit den Episoden der letzten Jahre, etwas wenig. „Grenzfall“ wird ein bisschen zum Opfer der hohen Erwartungen, die durch die hohe inhaltliche und inszenatorische Qualität und den Willen zum kompromisslosen Erzählen in letzter Zeit aufgebaut worden sind. Vergleicht man diesen Film mit dem Regelfernsehen aus dem Gros der anderen «Tatort»-Städte, ist das freilich nichts weiter als Jammern auf hohem Niveau.
Nichts destotrotz: Obwohl fiktive, aber nicht gänzlich unvorstellbare Politskandale in Form von Spetzlwirtschaft und einer völligen Abwesenheit von demokratischen Werten hinter der demokratischen Fassade bei der Obrigkeit wieder ihren Weg in den Stoff gefunden haben, wird etwas wenig daraus gemacht. Zu lange müssen sich Eisner und Fellner mit Nebensächlichkeiten beschäftigen: meist zwar ganz lustigen, aber doch etwas langwierigen Szenen bei Gerichtsmedizinern, in denen lang und breit das Offensichtliche erklärt wird, und in diversen Gesprächen mit einer bildungsbürgerlichen Archäologieprofessorin, die am Ufer der Thaya nach neolitischen Artefakten buddelt und Eisner und Fellner ein bisschen bei der Spurensicherung behilflich ist („Immer die Bilder zeigen! Laien lieben Bilder!“, befiehlt sie ihrem Adjutanten). Das ist zwar alles ganz nett erzählt. Verglichen mit den Höchstleistungen vorheriger Ausgaben und den harten Bandagen, mit denen Eisner und Fellner da gegen die gut vernetzten Schwerverbrecher vorgegangen sind, aber alles ein bisschen soft.
Das Erste zeigt «Tatort – Grenzfall» am Sonntag, den 8. März um 20.15 Uhr.