Nachdem der Sky-Chefkommentator am vergangenen Samstag schon angegriffen wurde, folgten am Dienstag neue Drohungen. Da hätte er gar Angst um sein Leben gehabt, hätte nicht eine Glasscheibe ihn von den Fans getrennt.
Geht's noch?
Fußball-Fans, die Journalisten bei ihrer Arbeit im Stadion bedrohen. Die ihnen und ihren Angehören Angst einjagen. Das ist der Status Quo im Jahr 2015. Mit Marcel Reif, der sich seit Jahren öffentlicher (und meist anonymer Kritik im Web) ausgesetzt sieht, haben Hass und Gewalt im Umfeld von Fußball-Spielen ein prominentes Opfer gefunden. Es sind schier unglaubliche Szenen, die sich in Dortmund und Dresden abgespielt haben müssen. Da bedrohen vermeintliche Fans Journalisten, weil diese möglicherweise mal nicht ganz so wohlwollend über die Kicker auf dem grünen Rasen gesprochen haben. Jetzt sind die Klubs und die Fanbeauftragten dringend gefordert: Gehandelt werden muss nämlich, bevor noch einmal etwas passiert. Die Presse- und Meinungsfreiheit darf nicht nur in politischen Belangen gelten; auch Sportreporter müssen das Recht haben, ihre freie Meinung zu äußern - ohne körperlich angegangen zu werden. Deutschland braucht weiterhin Fußball-Kommentatoren, die polarisieren. Man muss ja wahrlich nicht der Meinung von Marcel Reif sein; aber man sollte es so halten, wie die Spieler auf dem Rasen. Vor und nach den 90 Minuten muss ein faires Shake-Hands immer möglich sein. Es wäre ein schönes erstes Zeichen, wenn zumindest einige der rund 100.000 User die Seite "Kommentarverbot für Marcel Reif" bei Facebook "entliken".
Kurz kommentiert von Manuel Weis
Es sind überraschend deutliche Worte, die Marcel Reif am Dienstag in
einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt wählte. Rückblick: Wie mehrfach berichtet, wurde der 65-Jährige Chefkommentator des Bezahlsenders Sky am Samstag vor dem Dortmunder Stadion auf dem Weg zur Arbeit von Fans belagert und bedroht. Die Meute schlug auf sein Auto ein, beschimpfte den Sportjournalisten. Noch am Wochenende sagte Reif, er sei solche Anfeindungen gewohnt. Anders reagierte sein Arbeitgeber. Sky-Sportchef Burkhard Weber sah die Grenze längst überschritten.
Am Dienstagabend nun war Reif für Sky beim Pokalspiel des BVB in Dresden im Einsatz – und wurde vor der Partie mit Bier überschüttet. Diese Aktion veranlasste auch den erfahrenen Fußball-Kommentator zum Umdenken. „Es hat sich etwas hochgeschaukelt, was jetzt bedrohliche Formen angenommen hat. Es geilen sich Leute daran auf, Macht auszuüben“, sagte er am Tag danach gegenüber der Zeitung
Die Welt. Reif spricht offen darüber, dass er Angst um Leib und Leben gehabt hätte, wäre in Dresden nicht eine Glasscheibe zwischen ihm und den Anhängern gewesen. „Was ist, wenn mal einer dieser Verwirrten glaubt, er tut seinem Verein etwas Gutes, wenn er das Ganze noch ein bisschen mehr eskalieren lässt und einen meiner Kollegen oder mich körperlich attackiert?“ In Dresden seien es hasserfüllte Fratzen gewesen, spuckend und geifernd, die er gesehen habe. „Solchen Hass habe ich ehrlich gesagt zuvor noch nicht erlebt.“
Nach diesem Erlebnis sage auch er ganz offen: Jetzt ist Schluss, jetzt muss etwas getan werden. Die Anfeindungen kämen hauptsächlich von Anhängern des BVB – und da sei es wenig hilfreich, wenn auch Jürgen Klopp, der Trainer der Gelb-Schwarzen, wenig erwärmende Worte für Reif findet. Die Klubverantwortlichen sollten sich endlich mal positionieren, sagt der Chefkommentator von Sky. „Stattdessen höre ich von Jürgen Klopp Sätze wie "Der Reif findet in seinem Leben sowieso nichts mehr witzig", weil ich diesen Batman-und-Robin-Jubel von Aubameyang und Reus nicht toll fand. Das befeuert Entwicklungen, die ohnehin in die falsche Richtung gehen.“ In der ARD-Sendung «Sportschau Club», in der er am Mittwochabend zu Gast war, erklärte Reif, dass die Aussage von Klopp verantwortungslos sei. Das Gespräch mit dem BVB-Trainer wolle er aber nicht suchen. Er wüsste nicht, warum. Von den Krawall-Machern möchte sich Reif zwar nicht diktieren lassen, wann er das Mikro an den Nagel hängt, zur Zeit aber gehe er mit einem äußerst unguten Gefühl zur Arbeit.
Mit seinen beiden Söhnen, 11 und 14 Jahre alt, werde er kein Stadion mehr besuchen, meinte Reif. Sky hat ihn in eineinhalb Wochen wieder für eine Begegnung der Dortmunder Borussen eingeteilt – im Signal Iduna Park kommentiert er dann das Samstag-Abend-Spiel gegen den 1. FC Köln. „Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass ich mich derzeit schon frage, wie ich sicher ins Stadion komme. Es gibt keinen anderen Weg zu meinem Arbeitsplatz als den, den ich am vergangenen Samstag genommen habe, als die Idioten an meinem Auto gerüttelt und mir gedroht haben.“ Sein Sender habe die Bundesliga-Rechte gekauft und da gebe es gewisse Regularien. „Ich denke darüber nach, Borussia Dortmund aufzufordern, dafür zu sorgen, dass ich sicher zur Arbeit komme.“
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05.03.2015 09:28 Uhr 1