Neun Preise für die ARD, immerhin drei für das ZDF - und das Privatfernsehen bleibt vom Grimme-Institut diesmal völlig unbedacht.
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Wachsames Auge behalten
Die Privaten sind mal wieder komplett leer ausgegangen. Die Jury des Grimme-Preises befand, dass Produktionen von RTL, Sat.1 und Co. nicht auszeichnungswürdig sind. Formate von Privatsendern taten sich zuletzt schon anderorts schwer; etwa beim Deutschen Fernsehpreis, den es inzwischen (auch deshalb) nicht mehr gibt. Es deutet aber Einiges darauf hin, dass die Privaten die Zeichen verstanden haben. Zumindest hier und da gibt es nun wieder hoffnungsvolle Kost - RTL zum Beispiel erntet Vorab-Lob für seine Serien «Block B» und «Deutschland 83». Bleibt also zu hoffen, dass die Juroren dieses Landes auch künftig ein wachsames Auge haben - und es nicht nur schick finden, den Privaten die rote Karte zu finden. Dann könnte die Preisliste im Jahr 2016 wieder gemischter aussehen.
Kurz kommentiert von Manuel Weis
Die Chancen für das Privatfernsehen waren von Anfang an nicht allzu hoch: Gerade einmal vier Nominierungen ließ das Grimme-Institut dem werbefinanzierten TV zukommen, allesamt im Bereich Unterhaltung. Doch dass letztlich nicht einmal ein Fernsehpreis heraussprang, kann schon als zusätzliche Ohrfeige neben der fortwährenden Quoten-Erosion der großen Programmstationen interpretiert werden kann. Enttäuschung dürfte vor allem bei VOX vorherrschen, das mit den Dienstagabend-Shows «Die Höhle der Löwen» und «Sing meinen Song» immerhin zweifach nominiert war - während «Cartoon Network Spurensuche» ohnehin schon in der Nominiertenliste überraschte und Stefan Raab bereits ausreichend Auszeichnungen vorweisen kann.
Bei den Grimme-Preisträgern finden sich in diesem Jahr vorwiegend anspruchsvolle Formate des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die teilweise medial eher fernab des Massengeschmacks vorzufinden waren. Im Wettbewerb Unterhaltung können sich Max Uthoff und Claus von Wagner mit ihrer Neuausrichtung der
«Anstalt» bestätigt sehen. Das Kabarett-Flaggschiff des Zweiten Deutschen Fernsehens war zuletzt in der Gunst der breiten Masse gesunken, regte allerdings mehrfach öffentliche Diskussionen an. Prämiert wurde das Format letztlich für einen "emotionalen Moment" in der November-Ausgabe, die sich explizit dem Thema Flüchtlinge widmete - und am Ende der Folge mit einem Flüchtlingschor einen "kalkulierten Bruch mit den Konventionen des Kabaretts" schaffte. Das zweite prämierte Unterhaltungs-Format ist
«Mr. Dicks - Das erste wirklich subjektive Gesellschaftsmagazin», das von der bildundtonfabrik für EinsFestival und den WDR produziert wurde.
Im Sektor Fiktion / Spezial gibt es gleich fünf Sieger, die allesamt der ARD entstammen. Populärstes Format ist hier der von Kritikern gefeierte
«Tatort - Im Schmerz geboren» mit Ulrich Tukur und Ulrich Matthes, der im Oktober 2014 von weit über neun Millionen Menschen gesehen wurde. Der vorwiegend improvisierte Streifen
«Altersglühen - Speed-Dating für Senioren» wird für Regie, Drehbuch und Schnitt ausgezeichnet. Zudem dürfen sich die Verantwortlichen von
«Der Fall Bruckner»,
«Männertreu» sowie der sehr erfolgreichen Degeto-Produktion
«Bornholmer Straße» über eine Honorierung ihrer Leistungen freuen.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Jury Fiktion offen über ein problematisches Jahr klagt. Laut Grimme-Direktorin Frauke Gerlach habe sich die "Begeisterung in den Auswahlgremien des Grimme-Preises in Grenzen" gehalten. Erst nach intensiver Debatte habe man sich dazu entschlossen, das volle Kontingent von fünf Fiktion-Preisen auszuschöpfen. «Altersglühen» darf sich darüber hinaus auch noch über den Publikumspreis der "Marler Gruppe" freuen, die unabhängig von der Grimme-Jury eine Produktion prämiert.
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Drei Grimme-Preise in einem Jahr sind eine wunderbare Auszeichnung für den Bayerischen Rundfunk und die Arbeit der Redaktionen. Ich bin sehr stolz, dass wir aus Sicht der Jury hier herausragende Programme angeboten haben, die diesen wichtigen deutschen Fernsehpreis verdienen. Die Auszeichnung dieser drei ganz unterschiedlichen Projekte belegt überzeugend, über welche Fachkenntnis wir in verschiedenen Genres und Themen verfügen. Ich gratuliere von Herzen den verantwortlichen Redaktionen und allen, die an diesen Filmen mitgewirkt haben.
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Bettina Reitz, BR-Fernsehdirektorin zum Gewinn von drei Grimme-Preisen
Im Wettbewerb Information und Kultur darf sich das ZDF über zwei Preise freuen: Einmal wird man für die Co-Produktion mit Arte und Channel 4
«Die Kinder von Aleppo» ausgezeichnet. Die Dokumentation rückt eine Familie im Elend des syrischen Bürgerkriegs in den Fokus des Interesses. Ferner gibt es einen Grimme-Preis für
«Wir waren Rebellen», das sich mit der in der öffentlichen Berichterstattung eher unterrepräsentierten Situation im Südsudan beschäftigt. Die ARD ist allerdings mit gleich drei Preisen auch hier vorherrschend:
«Akte D», eine Geschichtsdokumentation über das Dritte Reich und die Nachkriegszeit, steht ebenso in der Liste der Preisträger wie
«Camp 14 - Total Control Zone» über das nordkoreanische Lagersystem und
«Nach Wriezen», der drei junge Straftäter nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis auf ihrem weiteren Lebensweg folgt.
Gerlach verweist darauf, dass die Jury in diesem Bereich viel schwere Kost zu sehen bekommen hat - was jedoch "angesichts der Ereignisse weltweit und der politischen Situation mehr als nachvollziehbar" sei. Sie lobt die herausragenden Leistungen der Öffentlich-Rechtlichen, beklagt allerdings gleichwohl, dass innenpolitische Stoffe dabei zu kurz gekommen seien: "Schon die Nominierungskommission hat kein preiswürdiges Stück über den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gefunden."
Die besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes geht derweil an Ina Ruck (WDR) und Dietmar Ossenberg (ZDF), da diese nach Ansicht des Grimme-Instituts herausragende Leistungen als Auslandskorrespondenten abgeliefert haben.
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