Nach zwölf Jahren hat Chuck Lorres Hit-Sitcom «Two and a Half Men» ein Ende gefunden – oder eher sogar zweieinhalb Enden. Denn die Finalepisode zollte sämtlichen der zweieinhalb Identitäten der Serie Tribut.
Eine Männer-WG, viele Weibergeschichten, noch mehr Verzweiflungstaten und noch sehr viel mehr Zweideutigkeiten: «Two and a Half Men» machte den seit jeher geschäftigen Serienschöpfer Chuck Lorre zu einer Hausmarke, ebnete den Weg für die noch deutlich populärere «The Big Bang Theory» und demonstrierte vor allem eins – wie häufig sich eine Sitcom erneuern kann. Mittels verschobenen Schwerpunkten, einem fluktuierendem Ensemble, einer Prise Improvisationsvermögen – und erneut wäre da dieser Faktor der Verzweiflung zu nennen. Wer nur die erste und die vorletzte Episode von «Two and a Half Men» gesehen hat, wird die Sitcom trotz gewisser humoristischer Grundpfeiler kaum wiedererkennen. Selbst Chuck Lorre streitet dies nicht ab: „Die Serie zeigte im Laufe ihrer zwölf Jahre viele Gesichter; eigentlich waren es zwei Serien, wenn man mal darüber nachdenkt“, gab er gegenüber 'The Hollywood Reporter' zu Protokoll.
Mit etwas Willen nahm der langjährige Quotenbringer für CBS sogar zweieinhalb Gestalten an. Da wäre die strikt geradeaus denkende Zoten-Sitcom über einen Hänfling, der mit seinem Sohn bei seinem reichen, alkoholsüchtigen Womanizer von einem Bruder einzog. Ferner wäre da die strikt geradeaus denkende Kalauer-Sitcom über einen bedauerlichen Mickerling, der mit einem leicht zum Hipsterdasein tendierenden Software-Millionär zusammenlebt. Hinzu käme aber noch diese Halbgestalt von «Two and a Half Men»; die gelegentlich aufblitzende, abstrusere, selbstironische Spielvariante einer Sitcom, die sich ihrer Altherrenwitzchen, Banalitäten und inhaltlichen Haarsträubereien bewusst ist. Diese Form kam in jeder Phase der Show unregelmäßig zur Geltung. Egal, ob Jon Cryers Paraderolle Alan Harper sich nun mit Charlie Sheens Alter Ego zoffte oder ob er sich bei Ashton Kutchers Figur des Walden Schmidt einschleimte. Egal, ob Angus T. Jones ein naives Kind, einen verfressenen Simpel oder einen erblühenden Dummbatz spielte – oder gar nicht mitwirkte. Egal, ob Liebe in den Augen der Figuren ein Lebensziel darstelle, Gift fürs Gemüt oder einen glücklichen Unfall.
Insofern haben sich Chuck Lorre und sein Team für das Finale von «Two and a Half Men» ein dickes Lob verdient, denn wenn der etwas mehr als 40 Minuten andauernden Doppelfolge eins gelungen ist, dann das: Sie umfasste alles, was «Two and a Half Men» jemals repräsentierte. Und ganz in der Tradition dessen, was diese Sitcom zwölf Jahre lang leistete, so war auch ihr Abschluss dreist, frivol und vollkommen frei von solchen Dingen wie Subtilität oder Dramaturgie. Wer mit «Two and a Half Men» bislang nichts anfangen konnte, wird auch beim Finale mit den Augen rollen.
Wer die unverblümte Parade an komödiantischen Tiefschlägen irgendwann während ihrer langjährigen Spielzeit mochte, wird dagegen auch dieses Mal Spaß haben – selbst wenn die Idee hinter dem Finale deutlich besser ist als die Umsetzung: Alan und seine Mutter werden von mysteriösen Drohungen heimgesucht, die so formuliert sind, dass sie nur einen Schluss zulassen. Sie müssen von Charlie stammen, der jedoch vor vier Jahren verstorben ist. Handelte es sich damals um einen Irrtum und der alte Säufer kehrt nun mit manischem Blutdurst zurück, oder gibt sich etwa jemand als Charlie aus? Es folgen zahllose Seitenhiebe auf Charlie Sheens Eskapaden im wirklichen Leben, ein lose verfolgter Plot (der mehr Alibi ist, um die Episode am Laufen zu halten), diverse Gastauftritte – und unzählige selbstironische Attacken auf das Niveau und den Einfallsreichtum der Serie. Manche sitzen, andere nicht.
CBS/Warner Bros.
Tatsächlich: Walden (Ashton Kutcher) und Alan (Jon Cryer) heiraten in der finalen Staffel. Walden hat nach einer Nahtoderfahrung das Bedürfnis, sein Leben zu ändern und will ein Kind adoptieren. Dabei rechnet er sich bessere Chancen aus, wenn er verheiratet ist und macht daher Alan einen Antrag. In der Finalepisode spielt all das aber nahezu gar keine Rolle mehr.
Wer aber nicht auftaucht, ist Charlie Sheen. Was sogleich für eine doppelte Enttäuschung sorgt. Seine Serienrolle stellt sich für die Zuschauer nämlich bereits in den ersten Sekunden als lebendig heraus, womit die Autoren jegliche Chance verspielen, dass das Publikum mit Alan miträselt, ob Charlie lebt und nach Rache sinnt oder ob jemand anderes sein Unwesen treibt. Und dann, wenn der 40 Minuten lang im Off agierende Charlie Harper endlich auftritt, ist es nur ein von hinten gefilmtes Double, das prompt von einem Piano erschlagen wird. Der komplette Meta-Spannungsbogen „Spielt Sheen nochmal mit?“ verpufft somit und zieht die Episode sogleich ein Stück mit sich hinunter. Während die zu frühe Enthüllung des Rätsels um den Urheber der an Alan gerichteten Morddrohungen zweifelsfrei Lorre zuzuschreiben ist, so ist er zumindest nicht der Schuldige, was den vermasselten Sheen-Cameo anbelangt:
„Ich weiß, dass viele von euch wohl enttäuscht sind, weil Charlie Sheen nicht in unserem Finale zu sehen ist. Nur für's Protokoll: Wir haben ihm die Rolle gegeben“, verrät Lorre in der 'Vanity Card' der Episode. Die für Lorre zur Tradition gewordene Textbotschaft enthüllt auch, wie die Folge geendet hätte, wäre Sheen für einen Auftritt bereit gewesen: „Er sollte zur Haustür gehen, klingeln, und sich dann umdrehen, um einen verrückten Monolog über die Gefahr des Drogenmissbrauchs in die Kamera zu sprechen. Dann sollte er erklären, dass all diese bedrohlichen Folgen, die Drogen mit sich bringen, nur auf Normalbürger zutreffen. Aber er sei ja etwas viel besseres. Ein Ninjakrieger vom Mars. Und unbesiegbar … Und dann hätte ihn das Piano zerquetscht.“
„
Es gibt so viele Erwartungen, die mit einem Serienfinale einhergehen, dass es unmöglich wird, sie alle zu erfüllen. Wenn man sich davon zu sehr einschüchtern lässt, bekommt man nur eine Gedankensperre. [...] Der Gedanke war immer: Tu es ganz oder lass es bleiben! Lass uns einen raushauen! Ignoriere das Budget! Wir können zur Strafe ja nicht abgesetzt werden, denn wir hören ja eh auf!
”
Chuck Lorre gegenüber 'The Hollywood Reporter'
Der im Finale zu sehende Plan B, dass sich nach dem Tod des Sheen-Doppelgängers Chuck Lorre mit einem selbstgefälligen „Winning!“ zur Kamera dreht und ebenfalls von einem fallenden Klavier getötet wird, ist im Vergleich bemüht und platt. Plattitüden sind allerdings durchaus der Stil der Serie, und in ihrer Blütezeit schwelgte sie so selbstsicher in ihnen, dass es schwer fiel, sie nicht auch genau dafür zu mögen. Die allerletzte Folge brachte dieses Gefühl durchaus zurück, denn die Meta-Gags und albernen Ideen wurden mit der Frequenz einer Maschinenpistole abgeschossen. Manche dieser Einfälle waren zu verzweifelt, um zu funktionieren (etwa ein viel zu langer, schäbig computeranimierter Rückblick auf Charlies Flitterwochen mit seiner Stalkerin Rose), andere dagegen waren so versiert-tolldreist, dass sie den Nerv trafen. Immer und immer wieder grinsten die Darsteller entschuldigend in die Kamera, wenn sie sich über lahme Wortspiele mokierten (vor allem im erfrischenden Cameo von Angus T. Jones, der sich vor Jahren vom Format distanzierte). Unentwegt äußerten Alan, Walden und Gaststar Arnold Schwarzenegger ihre Verwunderung darüber, wie dämlich die Geschenisse der vergangenen Serienjahre waren. Und sogar die „Men, Men, Men ...“-Akapellaeinspieler durften Neues wagen.
Nett auch, dass die wichtigsten Frauen im Leben der «Two and a Half Men» noch einmal aufkreuzten, ebenso wie Christian Slater und John Stamos, die einst als Sheen-Nachfolger gehandelt wurden. Und ja, es kann nicht oft genug festgehalten werden: Dass die Autoren den Figuren die Kritiken zur Show in den Mund legten, ist ein Meta-Gag, der zur Serie passt. Wenn sich schon die zweieinhalb Männer auf dem Bildschirm darüber wundern, dass sich mit tieffliegenden Witzen tonnenweise Geld verdienen lässt, hat sich «Two and a Half Men» aus lauter Verzweiflung glatt ein Fleißsternchen verdient. Ein grobes Fleißsternchen zwar, aber immerhin!
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