Sukzessive rückt der Grünwalder Sender von seinem Doku-Soap-Image ab und sendet immer mehr ausländische Qualitätsserien. Was darf vom Neustart «Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D.» erwartet werden?
Über «Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D.»
"Sämtliche neue Figuren erhalten einen prägenden Einstieg und werden mit viel Wortwitz eingeführt, und auch wenn ihre archetypischen Positionen innerhalb des Teams schnell für Übersicht sorgen, deuten sowohl das Skript als auch die Performances der Darsteller genügend Ecken und Kanten an, so dass die Figuren nicht zu Stereotypen verkommen. So schafft es «Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D.» scheinbar spielend, sein Publikum für weitere Folgen zu angeln. Auf die Weiterführung weiterer Marvel-Aspekte in Serienform zu warten, dürfte sich gewiss zu einer der faszinierenden Facetten dieses Formats entwickeln. Sofern die Serie nach dem Piloten nicht völlig umkippt, sind noch einige unterhaltsame TV-Stunden mit dem charismatischen Agent Phil Coulson gewiss. Gut inszenierte Action, trockener Witz und gut harmonierende Darsteller sowie ein weit überdurchschnittlicher Look machen dieses Format zur großen Hoffnung für alle Comic-Fans und Freunde flotter, actionreicher Serien."
- Jan Schlüter im "
First Look" zu «Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D.»
RTL II – Heimat der Dokusoaps. So oder so ähnlich haben viele Betrachter des Münchner Senders zuletzt das Programm des 1992 gegründeten Unternehmens zusammengefasst. Unrecht haben die Urheber solcher Aussagen nicht, waren es doch lange Zeit fast nur Formate aus diesem Genre, die für Aufsehen in der Öffentlichkeit sorgten. Vielerorts wurde über die Konzepte der Formate diskutiert, über deren Machart und Inhalt, die zweifelsohne polarisieren, vielleicht aber gerade deswegen so viel Aufmerksamkeit der Zuschauer erhalten.
Die Zahlen sprechen für die Strategie von RTL II: So verzeichnete beispielsweise 2014 die sechste Staffel der «Geissens» im Schnitt satte 8,9 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen, «Köln 50667» und «Berlin – Tag und Nacht» kommen in der Zielgruppe sogar auf zweistellige Marktanteile, auch «Die Wollnys» erfreuen sich beim Fernsehpublikum großer Beliebtheit. Alle Serien haben gemeinsam, dass sie vom Feuilleton mit Häme bedacht werden, beim Durchschnittszuschauer jedoch recht gern gesehen sind. Der Anspruch, den RTL II an sein Programm stellt, scheint sich jedoch zunehmend zu ändern. Immer mehr Serien halten Einzug ins RTL II Programm – und nicht nur das: Bei einigen Formaten ist sogar durchaus der Begriff „Qualitätsfernsehen“ zu bemühen. Neuester Einkauf: «Marvels Agents of S.H.I.E.L.D.».
Die ABC-Serie, die in den USA im September 2013 startete, wird ab dem 14. Februar Teil eines überarbeiteten Serien-Samstags. Zur Premiere gibt es am Freitag, 13. Februar ab 22.20 Uhr schon einmal zwei Episoden als Kostprobe. Zusammen mit «Warehouse 13» besetzt die Marvel-Serie dann die Samstags-Primetime, an dem bereits seit längerem nicht mehr die Quote tonangebend scheint, denn «Warehouse 13» enttäuscht in dieser Hinsicht schon seit einiger Zeit. Während «Warehouse 13» weniger Aufsehen in der Serienwelt zu Teil wurde, liest sich «Marvels Agents of S.H.I.E.L.D.» als neuester Beitrag eines Programmrepertoires, mit dem der Sender auch Serienjunkies gerecht werden will. Joss Whedon, der Kopf hinter Filmen wie «Toy Story» und «Marvel’s The Avengers», schuf die Serie, die sich in den USA aktuell in ihrer zweiten Staffel befindet. Fast durchwegs gute Kritiken erhielt das Superhelden-Drama, das sich um eine Gruppe von Agenten dreht, die es mit sonderbaren Fällen und noch sonderbareren Schurken zu tun bekommt.
Doch die neuen Akzente im RTL II-Programm sind nicht so zu deuten, dass sich RTL II nun gänzlich dem Qualitätsfernsehen verschreiben will und dabei schlechte Quoten in Kauf nimmt. Die Entscheidungen für US-Serien in der jüngeren Vergangenheit wurden von den Verantwortlichen sorgfältig gewählt. Neben einer nicht abstreitbaren Qualität besaßen die Formate nämlich zuletzt stets eine große Zugkraft, sodass niedrige Marktanteile bereits im Vorfeld unwahrscheinlich erschienen. So waren «The Walking Dead» und «Game of Thrones» bereits vor dem Free-TV-Start durch den Hype, der in den USA um die Formate entstand, in aller Munde und auch im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ stehen diese Serien für großartige Reichweiten, sodass deutsche Medien früh Berichterstattungen und Kritiken über die Serien aufgriffen, um auch Mitteleuropäer über die US-Ware zu informieren.
Darin besteht der wesentliche Unterschied zu US-Serien, die in der Vergangenheit Einzug ins RTL II-Programm fanden, dort aber nicht überzeugten. Zwar erfreuten sich «True Blood», «Californication» und «Dexter» im US-amerikanischen Kabelfernsehen ebenfalls großer Beliebtheit, der große Medienrummel um die Formate blieb in Deutschland jedoch aus, wodurch auch die Quoten hinter den Erwartungen zurückblieben. Als Teil des boomenden Marvel-Franchises verfügt «Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.» über eine deutlich bessere Ausgangsposition. Auch in Deutschland feierten Kinofilme, die auf den Marvel-Comics basierten, großartige Erfolge, zuletzt «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit».
Doch an welchen Quotenmaßstäben muss sich das neue Format der ABC Studios messen? Die 16 Episoden der vierten «The Walking Dead»-Staffel generierten im Schnitt grandiose Marktanteile von durchschnittlich 12,8 Prozent bei den jungen Zuschauern. Bereits zum Deutschland-Start im Jahre 2012 kam die Zombie-Serie bei den Werberelevanten einem zweistelligen Marktanteil nahe. Bislang verzichtete RTL II jedoch darauf, «The Walking Dead» im Rahmen von neuen Episoden einen festen, wöchentlichen Sendeplatz zuzuweisen. So liefen frische Episoden jeweils in Mehrfachprogrammierungen über mehrere Abende hinweg, weshalb die Bedingungen für das AMC-Format um eine Zombie-Apokalypse ungleich leichter sind. Ähnliches galt bis zuletzt für «Game of Thrones». Erst im Rahmen der neuen vierten Staffel legte RTL II die neuen Ausgaben jeweils auf den Dienstagabend. Zusammen mit dem britischen «Hunted» legte der Grünwalder Sender am zweiten Tag der Woche sogar einen Serienabend an. Während die englische Spionage-Serie floppte, überzeugte «Game of Thrones» auch mit festem Time-Slot. 7,3 Prozent der Werberelevanten sind jedoch weit entfernt von den Quotenerfolgen von «The Walking Dead», 2012 startete die Fantasy-Serie mit Mehrfachprogrammierungen am Wochenende, ähnlich wie die neue Marvel-Serie, und erzielte dabei Zielgruppen-Marktanteile von über zehn Prozent.
«Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.» hat es an einem starken Samstagabend jedoch vorerst nicht leicht, weshalb ein Start der ersten Staffel die Sender-Verantwortlichen wohl bereits mit Werten um die sieben Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen zufrieden stimmen dürfte (der aktuelle RTL II-Schnitt liegt bei 6,7 Prozent). Zum Start muss sich die Serie mit «DSDS» und «Spiderman 3» auf ProSieben messen. Es wird sich zeigen , ob RTL II weiterhin ein gutes Händchen beweist.
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