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Die Kritiker: «Tatort: Chateau Mort»

Die Konstanzer Ermittler Blum und Perlmann sind einem Mordfall auf der Spur, der bis in die badische Revolution 1849 zurückführt. Neben organisierter Kriminalität steht auch eine Liebesgeschichte der Kommissarin im Fokus.

Cast & Crew

Darsteller: Eva Mattes, Sebastian Bezzel, Robert Koch, Isabelle Barth, Felix von Manteuffel, Sibylle Canonica, Jenny Schily, Thomas Bohm, Laszlo I. Kish, Justine Hauer
Buch: Stefan Dähnert
Regie: Marc Rensing
Produktionsforma: Maran
Schnitt: Isabelle Allgeier
Kamera: Jürgen Carle
Köstume/Kostümbild: Monika Gebauer
Produzent: Uwe Franke
Ton: Peter Tielker
Wer pünktlich nach dem Intro seinen Blick auf die Bildschirme richtet, wird sich fragen, ob er nicht im falschen Film gelandet ist. Die Anfangssequenz scheint so gar nicht zur beliebten Krimireihe zu passen, sobald uniformierte Soldaten beginnen in der Nacht mit Gewehren und Kanonen auf Proletarier, die die Unabhängigkeit Badens ausrufen, zu schießen. Doch keien Sorge: Regional passt der Anfang bereits zum Kriminalfall, der sich in den weiteren rund 90 Minuten entfalten soll, dafür aber etwa 170 Jahre später spielt. Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) ermitteln ein weiteres Mal im beschaulichen Konstanz und ziehen zunächst eine Leiche aus dem Wasser, die eine unkonventionell anmutende Weinflasche mit sich führt. Nach ersten Ermittlungen könnte sich dahinter einer der mittlerweile sündhaft teuren Hochzeitsweine der bekannten Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (Constanze Weinig) aus dem 19. Jahrhundert verbergen, über die der Tote sich zuletzt ausgiebig informierte.

Etliche Weine dieser Sorte befinden sich auch im Schweizer Depot und Auktionshaus Tobler, in dem der Schweizer Kantonspolizist Mattheo Lüthi (Robert Koch) einige Sachwerte deutscher Steuerbetrüger vermutet. Verdächtigerweise lagert der Arbeitgeber der Mutter des Toten, Clemens Koch (Uwe Bohm), darin ebenfalls drei teure Weine, was in einer Kooperation der Konstanzer mit den Schweizer Kollegen resultiert. Aus dieser geht auch eine zarte Bande zwischen Kommissarin Blum und dem aufbrausenden Schweizer hervor, während ihre polizeiliche Zusammenarbeit sie zum „Wein-Papst“ Hans Lichius (Felix von Manteuffel) führt, der die Authentizität des Weines überprüfen soll, welchen der Tote mit sich führte. Die aufkommende Romanze Klara Blums lenkt sie etwas vom Fall ab, in dem ihr Kollege Perlmann immer selbstständiger ermittelt, über den Kontakt zum Copy-Shop-Mitarbeiter "Iggy" Pop (ja, Sie lesen richtig) auf die richtige Spur kommt und schließlich einer Falle zum Opfer fällt, die ihn zum wohl ältesten Mordfall der Konstanzer Kriminalpolizei führt.

Noch vier Episoden, dann quittieren Eva Mettes und Sebastian Bezzel als Klara Blum und Kai Perlmann in Konstanz ihren Dienst. Vor ihrer Rentenanfang im Jahr 2016 sind die beiden Ermittler in ihrem neuen Fall Teil einer SWR-Geschichtsstunde, die ihre Zuschauer in die Revolutionswirren des 19. Jahrhunderts zurückführt. In dieser unruhigen Zeit spielen auch die Anfangs- und Zwischensequenzen, die die Vorgeschichte zum Fund der wohl ältesten Leiche in der «Tatort»-Geschichte erzählen. Gewehr- und Kanonenfeuer sowie aufwendige Kostümierungen hätte sich der SWR jedoch sparen können – was als gute Idee anfing, kulminiert in einer höchst unglaubwürdigen Auflösung. Der Versuch, dem gegenwärtigen Fall mehr Tiefe zu verleihen, misslingt leider – auch weil sich die Beteiligten wohl nicht zutrauten die Szenen aus dem 19. Jahrhundert großspuriger anzulegen. Kurzen und beliebig eingestreuten Sequenzen fehlt es an Aussagekraft. Ohnehin hat „Chateau Mort“ doch schon genug Handlungsstränge und Zeitebenen und kann sich stattdessen auf den Fall um die Wasserleiche konzentrieren.

Durchaus sehenswert verknüpft Drehbuchautor Stefan Dähnert die Fälle der Schweizer Kanton- und der Konstanzer Kriminalpolizei in einer nicht unkomplizierten Raffinesse. Besonders die zahlreichen interessanten Nebencharaktere kompensieren das mittlerweile sehends lahmende Duo Blum und Perlmann. Bereits seit 2002 verkörpert Mattes die Hauptkommissarin, Kollege Bezzel stieß 2004 zum Cast hinzu, interessant waren beide Rollen jedoch außerordentlich selten. Lebensnah schon eher, bieten sie im Vergleich zu überzeichneten Charakteren in anderen Städtekrimis eine unaufgeregtere und realistischere Variante. Zumindest Mattes gewinnt ihrer Figur durch Schlagfertigkeit wie gewohnt immer noch mehr ab als ihr Filmpartner Sebastian Bezzel, der als reservierter und leicht reizbarer Kai Perlmann von Fall zu Fall schlendert.

Sehr viel interessanter gestalten sich also die Auftritte der Nebenfiguren. Robert Koch überzeugt als facettenreicher Ermittler Mattheo Lüthi, der seinen Fall um das Auktionshaus Tobler mit einer Energie führt, dass ihm auch der Verstoß gegen Dienstvorschriften und eine Beurlaubung nicht viel ausmachen. Zwischen ihm und Blum entfaltet sich „auf dem kleinen Dienstweg“ eine Chemie, die man zwischen dem eigentlichen Konstanzer Ermittlerduo zuletzt zu oft vermisste und die teilweise uninspirierte Dialoge zwischen den bewährten «Tatort»-Charakteren in „Konschtanz“ kompensieren. „In Vino veritas“ – auch der Wein spielt eine bedeutende Rolle bei der Aufklärung des neuen Falles und ruft den Weinexperten Hans Lichius auf den Plan, dem Felix von Manteuffel genau die richtige Authentizität verleiht und dabei die fast schon philosophischen Ausschweifungen von Kennern bei Weinverkostungen auf die Schippe nimmt. Das Skript trübt das Sehvergnügen in diesen wenigen Szenen mit dem "Wein-Papst" jedoch etwas. So ordnet Lichius den Wein des Opfers dem „Grad der Verdunstung“ nach zu urteilen zunächst zielsicher und zweifellos dem frühen 19. Jahrhundert zu, während die Jahreszahl „1832“ bereits dick in die Flasche eingraviert ist und Lichius trotz seiner Analyse zu einem späteren Zeitpunkt keinen Zweifel daran lässt, dass der Wein aus den 1960er Jahren stammen muss. Ohnehin sorgen die zahlreichen Weinflaschen, ob gefälscht oder echt, wohl für reichlich Durcheinander in den Köpfen der Zuschauer. Positiv fällt der wohlhabende Wäschereibesitzer Clemens Koch auf, dem Uwe Bohm eine Ambivalenz verleiht, die nicht nur die Kommissare ins Grübeln versetzt, dessen Spiel an einigen Stellen aber auch an Over-Acting krankt.

Marc Rensing, der den Krimi inszenierte, verzichtete auf ausschweifende Action, worauf die Konstanzer Fälle ohnehin selten ihr Augenmerk legen. Akzentuiert sorgt jedoch der Score hier und da für eine angenehme musikalische Untermalung und Suspense an den richtigen Stellen. Es dauert etwa 40 Minuten, bis der Fall Fahrt aufnimmt, der Zuschauer die Rückblenden ins 19. Jahrhundert mit dem Fall in der Gegenwart verbinden kann und sich die Recherchen zum Leben der Annette von Droste-Hülshoff als immer interessanter gestalten, sodass altbekannte Schwächen des Konstanzer «Tatorts» immer weniger ins Gewicht fallen. Auch die Romanze zwischen Blum und ihrem Schweizer Kollegen gestaltet sich interessant und gibt der Figur der Hauptkommissarin mehr Tiefe, als, gerade angesichts ihrer Angst vor Einsamkeit im Alter, eine Liebesgeschichte ihren Lauf nimmt. Somit ist der «Tatort: Chateau Mort» vor allem eins: Leicht im Abgang.


Das Erste zeigt den «Tatort: Chateau Mort» am Sonntag, dem 8. Februar, ab 20.15 Uhr.
07.02.2015 14:27 Uhr Kurz-URL: qmde.de/76145
Timo Nöthling

super
schade


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Chateau Mort Tatort Tatort: Chateau Mort Tatorts

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