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«Kripo Bozen»: Ein Meilenstein sieht anders aus

Mit «Kripo Bozen» startet Das Erste eine neue Krimi-Reihe zur besten Sendezeit. Braucht das deutsche Fernsehen noch mehr von diesem Genre?

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Chiara Schoras («Countdown») als Sonja Schwarz, Xaver Hutter («Die kleine Lady») als Thomas Schwarz, Charleen Deetz als Laura Schwarz, Lisa Kreuzer («Der Alte») als Katharina Matheiner, Gabriel Raab als Jonas Kerschbaumer, Hanspeter Müller-Drossaart als Peter Kerschbaumer, Marion Mitterhammer («Der letzte Tanz») als Chiara Bonetti, Götz Burger als Anton Burger


Hinter den Kulissen:
Regie: Marcus Ulbricht, Buch: Jürgen Werner, Musik: Mario Lauer, Kamera: Ludwig Franz, Schnitt: Thomas Zachmeier, Produktion: JoJo Film- und Fernsehproduktion, ARD Degeto

Hat das deutsche Fernsehen nicht eigentlich genug Krimi-Reihen in jeglicher Tonalität? Angesichts der reinen Masse an Produktionen, darf diese Frage durchaus berechtigterweise gestellt werden. Allerdings: Blickt man auf die Quoten vieler Formate, lässt sich festhalten, dass die Zuschauer offenbar nicht übersättigt sind. Und so schickt das Erste Deutsche Fernsehen dieser Tage kurzerhand eine neue Reihe dieser Art auf Sendung: Unter dem Namen «Kripo Bozen» ermittelt Chiara Schoras in der Rolle der Sonja Schwarz. Ihr erster Fall trägt den Titel «Wer ohne Spuren geht».

Aus der Frankfurter Mordkommission wechselt Schwarz in das beschauliche Bozen – der Liebe wegen. Ihr Mann Thomas Schwarz (Xaver Hutter) will in seine Heimat zurück, wo er die Hälfte der Farm seiner verstorbenen Ex-Frau übernommen hat. Die andere Hälfte gehört nach wie vor seiner ehemaligen Schwiegermutter. Die wiederum mag die neue Frau ihres vormaligen Schwiegersohns nicht besonders gerne – Streit ist also vorprogrammiert. Und dann ist da noch die Tochter von Thomas, die nicht besonders viel Lust hat die Großstadt zu verlassen, um stattdessen in den Alpen zu leben. Und schon hier wird es recht deutlich: Man merkt, dass die ARD Degeto ihre Hände irgendwie im Spiel hat.

Nun gibt es aber gleich eine weitere Sache, die in diesem Moment auffällt: Weil die Rahmenhandlung groß und breit etabliert werden soll, kommt die eigentliche Story der Episode zu kurz. Es ist sicherlich eine schwierige Aufgabe, beides unter einen Hut zu bringen, doch gelungen ist es den Verantwortlichen in diesem Fall nicht. Das liegt vor allem auch daran, dass sich ein großes Chaos entwickelt, welches nicht besonders sinnig aufgelöst wird. Zu viele Charaktere werden etabliert, zu lange passieren wenige wirklich relevante Dinge.

Dazu kommen zu viele Klischees: Das Aufeinanderprallen der italienischen und der deutschen Kultur ist immerhin nicht ganz so schlimm, wie es zu befürchten gewesen wäre. So sind eher die Deutschen, in Person von Ermittlerin Schwarz, die Unpünktlichen, während ihre Vorgesetzten auf die Uhr zeigen müssen. Die Ex-Schwiegermutter von Thomas Schwarz ist allerdings umso mieser geschrieben: Sie ist die stereotypischste Schwiegermutter, die man sich nur vorzustellen vermag.

In einigen Momenten jedoch nimmt die Story kaum erwartete Fahrt auf: Als Sonja Schwarz unmittelbar nach ihrer Ankunft zu einer Verkehrskontrolle mitfahren muss, soll zwar zunächst wieder gezeigt werden, wie wundersam unterschiedlich Menschen aus verschiedenen Nationen sein können (nicht besonders unkonventionell), dann aber passiert gleich alles auf einmal: Nicht nur, dass das einzige Auto auf einsamer Straße Flüchtlinge im Laderaum versteckt und Ermittlerin Sonja Schwarz den Fahrer auf wundersame Weise verdächtigt, obwohl er doch eigentlich so ein lieber Kerl zu sein scheint. Nein, als die Verfolgung der Flüchtlinge zu Fuß weiter geht, finden sich mitten in den Alpen auch noch alte menschliche Knochen und eine Kette – ein Sensationsfund.

Diese Szenen mögen durchaus der neuen Reihe angemessene Action und Spannung beinhalten, etwas unglaubwürdig wirkt das Szenario aber dennoch. An jener Stelle ist sich auch einem typischen Muster bedient worden: Damit sie ihr Talent gleich einmal unter Beweis stellen kann, entdeckt Ermittlern Schwarz Hinweise auf einen Mord, an dem sich bereits jahrelang verschiedenste Kriminalisten die Zähne ausgebissen haben. Obwohl das ein bekannter Kniff ist, kommt in diesem Handlungsstrang die meiste Spannung auf: Denn die Ermittlerin muss erkennen, dass jemand aus ihrem nahen Umfeld im Zusammenhang mit dem Fall steht. Ansonsten aber braucht die Handlung zu viel Anlauf, wirklich vorangetrieben wird die Story zu wenig.

Sehr angenehm ist dafür die gewählte Erzählweise: Wo in der Handlung nicht immer ganz der richtige Ton gewählt wurde, ist die Mischung zwischen poetisch, locker und spannungsgeladen hier angemessen. Die gut gewählte Tonalität gibt schließlich auch den Figuren eine Möglichkeit, ihre Arbeit ein wenig besser zu machen, obgleich die Charaktere oft zu klischeebehaftet bleiben. Das aber liegt selbstredend am Buch und nicht an den Darstellern.

Alles in allem stellt sich also auch nach Betrachtung des Auftakts von «Kripo Bozen» die Frage, ob eine neue Krimi-Reihe wirklich vonnöten ist. Ein qualitatives Meisterwerk jedenfalls ist der Pilot nicht geworden – ein Totalausfall sieht aber eben auch anders aus. Was Zuschauerzahlen und Inhalt betrifft, wird Chiara Schoras als Ermittlerin Sonja Schwarz sicher nicht mit dem «Tatort» oder ähnlichen Kalibern mithalten können. Ob die Reihe nun gebraucht wird, müssen wohl dennoch die Zuschauer mit ihrem ein- oder abschalten beantworten. Wer aber gleich wieder weiter zappt, der verpasst zumindest keinen Meilenstein der deutschen Kriminalfilmgeschichte.

«Kripo Bozen – Wer ohne Spuren geht» ist am Donnerstag, 29. Januar um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
28.01.2015 10:08 Uhr Kurz-URL: qmde.de/75941
Frederic Servatius

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ARD Bozen Chiara Schoras Das Erste Degeto Italien Krimi Kripo Bozen Kripo Bozen – Wer ohne Spuren geht Reihe Tatort Wer ohne Spuren geht

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