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«12 Monkeys»: Im Kampf gegen sieben Milliarden Tote

Wieder einmal muss James Cole die Ausrottung der Menschheit aufhalten – in einer neuen Syfy-Serie, die neugierig macht. Fans des Filmvorlage sollten jedoch eher wegschauen.

Hinter den Kulissen

  • Erfinder: Terry Matalas, Travis Fickett (beide «Terra Nova»)
  • Darsteller: Aaron Stanford, Amanda Schull, Kirk Acevedo, Noah Bean u.a.
  • Ausführende Produzenten: Natalie Chaidez, Charles Roven, Richard Suckle
  • Produktionsfirma: Atlas Entertainment, Universal
  • basiert auf dem gleichnamigen Film (1995) und dem Kurzfilm La Jetée (1962)
  • 13 Episoden
Im Jahr 2043 ist fast die gesamte Menschheit ausgestorben, sieben Milliarden Menschen hat ein tödliches Virus dahingerafft. Um das Ende der Zivilisation rückgängig zu machen, schicken Wissenschaftler einen Mann in die Vergangenheit, in das Jahr 2015, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Doch James Cole hat für seine Mission nur wenige Informationen: Er soll die Biologin Cassandra Railly aufsuchen und mit ihrer Hilfe den Mann finden, der für die Ausbreitung des Virus verantwortlich zu sein scheint.

Dies ist die Prämisse der neuen Syfy-Serie namens «12 Monkeys», die wiederum Anleihen nimmt am gleichnamigen Kultfilm mit Bruce Willis und Brad Pitt, aber ansonsten bewusst eine völlig eigenständige Story erzählt. Kenner des Films sehen dies auf Anhieb: Charaktere sehen komplett anders aus (u.a. wird Glatzenträger Cole zu Bartträger Cole, siehe Foto unten) oder haben sogar das andere Geschlecht, der visuelle Regiestil von Terry Gilliam wird nicht ansatzweise versucht zu kopieren, es werden andere thematische Schwerpunkte gesetzt.

Die Macher der Serie haben sich dazu entschieden, nur die ganz grundlegenden Elemente der Vorlage zu nutzen und ansonsten eine eigenständige Version der Story um die ominösen 12 Monkeys zu zeichnen. Wenn man aber genau so vorgeht, dann muss diese Alternativversion sich zweifach gegenüber dem Publikum legitimieren: erstens als gerechtfertigte Alternative zum Film – indem man neue Perspektiven einnimmt, die bekannte Story neu erfindet und anders erzählt. Dies aber, ohne die Storywurzeln der Vorlage nicht zu vernachlässigen, denn sonst hätte Syfy gleich eine völlig eigenständige Zeitreisen-Serie entwickeln können. Und zweitens als überhaupt sehenswertes Science-Fiction-Programm, das – nun ganz unabhängig vom Film – spannend und interessant zu verfolgen ist.

Ersteres scheint zu gelingen: Der Film ist im Vergleich fast philosophisch, es geht dort um die Fragen, was Menschsein und was ein lebenswertes Leben bedeuten. Es geht um Beklemmung und Hilflosigkeit des Charakters Cole, der sich beim Zuschauer in Empathie verwandelt. Und um die zentrale Frage, was Realität ist und was vielleicht Fiktion im Hirn des Zeitreisenden. All diese Themen spricht die Serie nicht an: Cole hegt keinerlei Selbstzweifel an seinem Verstand, auch Dr. Railly spielt sein Spiel ungefragt mit – was einer der größeren Kritikpunkte des Piloten ist: So, wie der ihr eigentlich völlig fremde Cole handelt, von seiner Zukunft und dem Virus erzählt, kann ihm normalerweise nicht getraut werden. Und ohne jegliche Beweise (die im Film eine wichtige Rolle spielen) oder Anhaltspunkte folgt die zu naive Railly dem mysteriösen Fremden.

Insgesamt legt die Serie ihren Fokus nicht fest: Es gibt ein bisschen Action, es gibt ein sich langsam aufbauendes Mysterium und das schnelle Vorantreiben der Handlung, die sich im Pilotfilm nur ansatzweise offenbart. Dennoch bleibt genügend Zeit, um die Charaktere interessant an den Zuschauer heranzuführen; das Team Cole/Railly harmoniert von der ersten Sekunde an, auch schauspielerisch durch die tollen Leistungen von Aaron Stanford (u.a. «Nikita») und Amanda Schull («Suits»). Dies ist insbesondere wichtig, weil die Serie nur vier Hauptdarsteller hat (die anderen beiden tauchen im Piloten nur am Rande auf) – und daher von eher charaktergetriebenen Handlung auszugehen ist, die sich Zeit lässt für die Entwicklung der Figuren. ”Ihr alle seid schon tot” und ähnliche Sätze von Cole fallen mehrmals in Anspielung darauf, dass das Jahr 2015 ja eigentlich Vergangenheit ist und in seiner Gegenwart fast jeder Mensch durch das Virus gestorben ist. In vielen Produktionen wirken solche Sätze lächerlich, hier schafft man jedoch eine glaubhafte Atmosphäre, die neugierig auf mehr macht. Insgesamt ist der Production Value hoch; es gibt visuelle Effekte auf bestem Niveau – nicht gerade typisch für Formate des Senders Syfy, die teils billig wirken und in der Seriencommunity wenig angesehen sind. Mit «12 Monkeys» kann man den Turnaround schaffen.

Bemerkenswert ist vor allem der subtile Umgang mit den 12 Monkeys: Der Begriff taucht im Laufe der Folge mehrmals auf, Zuschauer werden aber im Unklaren über seine Bedeutung gelassen. Erst gegen Ende lüftet man ein wenig das Geheimnis – jedoch nicht, ob all dies mit den bekannten 12 Monkeys zu tun hat, die im Film von 1995 eine Gruppe anarchischer Untergrundkämpfer darstellten. Wie selbst Filmkenner über dieses Mysterium im Unklaren gelassen werden, ist ein großes Verdienst dieses Serienstarts. Dennoch dürften Fans der Vorlage eher enttäuscht sein über das Ergebnis, umso mehr richtet sich das Format an Neueinsteiger, die den Film nicht kennen. Vor allem durch seine Konsequenz: Von Anfang an wird klargestellt, dass es Zeitreisen gibt, dass Cole nicht verrückt ist und dass das Fortbestehen der Zivilisation auf dem Spiel steht. Fragen der (Selbst-)Zweifel werden also ausgeklammert, zugunsten einer geradlinigen, bislang eher einfach gestrickten Sci-Fi-Serie, die andere Schwerpunkte setzen will – und wenig innovativ ist.

Die Kritiken übrigens zu «12 Monkeys» waren gemischt, das Zuschauerfeedback deutlich positiver. Einige Journalisten, die schon mehrere Folgen vorab sehen durften, raten Science-Fiction-Fans unbedingt zum Weiterschauen. The jury's still out.
20.01.2015 14:19 Uhr Kurz-URL: qmde.de/75775
Jan Schlüter

super
schade

72 %
28 %

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Tags

12 Monkeys Nikita Suits

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