Die Geschichts-Rankingshow «Die glorreichen 10» nimmt die Historie nicht immer ganz Ernst und weiß damit vor allem zu unterhalten.
Hinter den Kulissen
- Sprecher: Hannes Jaenicke
- Autoren: Martin Becker, Sabine Bier, Sahar Eslah
- Schnitt: Fabian Wienke, Igor Garbuzenko, Isabelle Schmidt
- Produktion: Gruppe 5
Dubstep. Schnell geschnittene Bilder. Gewalt. Habe ich gerade wirklich eine Geschichtsdokumentation eingeschaltet? Genau das werden sich die Zuschauer fragen, wenn sie am Samstag, 10. Januar zur Access-Primetime ZDFneo einschalten. Denn eigentlich soll dort ab 19.30 Uhr genau das laufen. Doch irgendwie ist
«Die glorreichen 10» ganz anders, als übliche Historienstoffe, die vom Zweiten Deutschen Fernsehen in Auftrag gegeben werden. Das fängt schon in der Konzeption an: Als Rankingshow ist die Sendung angelegt. Dabei sollte man doch eigentlich davon ausgehen, dass nach der
Affäre um das von den öffentlich-rechtlichen Kanälen heißgeliebte Genre erst einmal keine neuen Produktionen dieser Art eingekauft werden. Falsch gedacht. Immerhin, ein deutlicher Hinweis wird dem Format vorab aber doch mitgegeben: „Für die Dokumentationsreihe wurde keine Abstimmung durchgeführt. Die Redaktion hat eine subjektive Auswahl getroffen und sich bewusst, und ohne Anspruch auf Repräsentativität, für eine bestimmte Reihenfolge entschieden.“
Mit etwas Feingefühl lässt sich an dieser Stelle auch schon der nicht wenig ironische Grundton der Sendung erahnen. Reicht einem vorgenannter Hinweis noch nicht, um dies herauszuhören, dann ist spätestens der Titel von Episode eins ein Wink mit dem Zaunpfahl. Unter dem Namen „Die größten Loser der Geschichte“ werden, nicht immer ganz dezidiert begründet, Vertreter der Historie präsentiert, die oft kein glückliches Händchen hatten. Wobei man im Fall von Platz zehn nicht unbedingt von Händen sprechen kann: Auf dem letzten Rang landen nämlich die Dinosaurier, für die die Begründung wohl nicht explizit erwähnt werden muss. Nicht nur diese Wahl, sondern auch die Mischung von Napoleon bis Prinz Charles zeigen: In dieser Produktion ist einiges möglich.
Wer erwartet, sich mit dem Format intensiv geschichtlich weiterzubilden, der ist also vielleicht nicht an der richtigen Stelle: Nicht immer wird viel Wissen vermittelt, viel wichtiger aber: Kennt man die Fakten nicht, dann ist es nicht gerade einfach zwischen Witz und Wahrheit zu filtern. Wer aber gewisse historische Grundkenntnisse mitbringt, der dürfte zumindest gelegentlich noch einmal neue Informationen bekommen. Wissenszuwachs ist dennoch nicht der Anspruch. Vermischt werden die geschichtlichen Dinge aber auch immer wieder mit Aspekten der Mythologie.
Gesprochen wird die Sendung von Hannes Jaenicke, der seinen Humor erst jüngst
als Protagonist in «Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von» bewiesen hat. Aus unterschiedlichen Gründen glänzt Jaenicke bei seiner Arbeit für das Historien-Ranking. Einerseits weil sowohl Sprechweise wie auch Wortwahl sehr nah an anderen (ernsteren) Geschichtsformaten liegen, andererseits weil die Pointen einfach sitzen und dabei oft auch noch Anspruch haben. Sucht man bei Jaenicke die Nadel im Heuhaufen, dann muss man feststellen: Die Imitation von Günther Schabowski sitzt nicht. Weil das aber schon der größte Kritikpunkt ist, gibt es nicht wirklich viel an der Leistung des Schauspielers zu mäkeln. Gelungen ist dazu auch das Erzähltempo des Formats.
Ein Element das neben dem Sprecher besonders auffällig ist: Die Musik. Nein, für einen beiläufigen Score haben sich die Verantwortlichen wahrlich nicht entschieden. Mal geht es doof zu, mal lustig und manchmal ist einfach ganz viel Drive dabei. Vor allem aber wird die Situationen musikalisch oft auf absurde Weise konterkariert. Beispielsweise, wenn zum Baustopp in Neuschwanstein aus finanziellen Gründen Aloe Blaccs „I need a Dollar“ gespielt wird. Ähnlich sieht es bei den Songs „What you deserve is what you get“ oder „Somewhere over the Rainbow“ aus. Genial ist die Musikwahl vor allem, da hier noch einmal auf einen gänzlich anderen Humor gesetzt wird, als im gesprochenen Wort. Ein wenig brachialer sind die Gags hier, was jedoch nicht bedeutet, dass dem Zuschauer wenig inhaltliches Verständnis abverlangt wird.
Vielleicht das größte Lob für die Sendung ist aber ein anderes. Denn als Zuschauer verlangt «Die glorreichen 10» keine permanente Aufmerksamkeit. Es wäre kein Problem für einige Minuten abzuschalten, um später wieder zurückzukehren. Das aber will man gar nicht. Tatsächlich fürchtet man an vielen Stellen etwas zu verpassen, so man nicht vollständig aufpasst. Zumindest aber bei den gegebenen Begründungen, warum nun wer ein Verlierer ist, wäre Aufpassen gut: Diese sind oftmals nicht besonders weitläufig ausgeführt. Nachvollziehbar sind sie aber in der Regel schon. Und selbst wenn nicht: Welche Rolle spielt das schon? In jedem Fall keine herausgehobene.
Letztendlich besteht für die Produktion eine große Gefahr: Menschen könnten sie zu Ernst nehmen. Dieses Risiko darf aber von Produktionsseite gerne eingegangen werden. Denn unter dem Strich steht eine außerordentlich gelungene Sendung, die sich auf amüsante Art mit der Geschichte auseinandersetzt. Und selbst wenn es an vielen Stellen nicht den überaus großen Erkenntnisgewinn geben mag, dürften sich die Zuschauer doch sehr auf die noch ausstehenden Folgen freuen. Themen dabei: Bauskandale, Rätsel, Sonderlinge und vieles mehr. Und auch für die Zukunft dürften Potenzial und Material zur Genüge vorhanden sein. Wenn die Zuschauer diese starke Formatidee entsprechend goutieren, könnte sich eine weitere sehenswerte Produktion auf ZDFneo etablieren.
11 Folgen «Die glorreichen 10» sind ab Samstag, 10.Januar 2015 um 19.30 Uhr bei ZDFneo zu sehen.