«Akte» war mal ein Paradebeispiel für investigativen, relevanten Journalismus. Kein Mensch würde das glauben, hätte er nur die Jubiläumsausgabe vom Dienstag gesehen. Ein Kommentar.
Ulrich Meyer ist nicht zu beneiden. Schließlich war der Mann mal Journalist. Vielleicht ist er das auch heute noch. Am vergangenen Dienstagabend bei der großen «20 Jahre Akte»-Sendung war davon zumindest nichts zu sehen, als er auf einem leicht erhöhten roten Sessel in seinem Studio sitzen musste, während Joko und Klaas neben ihm ihr Bestes taten, das Gespräch halbwegs ungekünstelt wirken zu lassen.
Mit dieser Sendung hat sich niemand einen Gefallen getan. Weder Ulrich Meyer noch Joko und Klaas. Und erst recht nicht das Format «Akte».
«Akte» hat einmal Skandale aufgedeckt, saß Politik und Wirtschaft als starke vierte Gewalt im Nacken. Das journalistische Eingreifen von «Akte» war nicht nur am nächsten Morgen oft
Talk of the Town, es hat nicht selten auch zu konkreten Verbesserungen der Geschröpften und Hinters-Licht-Geführten beigetragen. Abzocker und Betrüger hatten Angst vor dieser Redaktion. Darauf konnte sie stolz sein.
Mit entsprechendem, oft etwas dick aufgetragenem Eigenlob hat man in der Jubiläumsfolge nicht gerade gespart. Muss man auch nicht. Missfallen hat vielmehr, dass «Akte» scheinbar kein Vertrauen in sein Konzept mehr hat, stark recherchierte, unliebsame Reportagen zu präsentieren. Ein Trend, der sich zweifelsohne
schon länger beobachten lässt, aber am vergangenen Dienstagabend so offensichtlich wurde wie selten zuvor.
Sonst wäre man nicht auf all die Gimmicks gekommen, die einem seriösen Anstrich zuwiderlaufen. Wie sich Klaas Heufer-Umlauf betont augenzwinkernd, aber gleichzeitig betont ernsthaft von Uli Meyer Moderations-Tipps geben lassen sollte. Wie Meyer davon erzählen musste, wie er das macht, sich in seinen Moderationen so geil von Kamera zu Kamera zu drehen. Wie Joko und Klaas zu Stichwortgebern degradiert wurden, um Uli Meyer seine Anekdoten abspulen zu lassen, damit der wiederum das Stichwort für den anschließenden Einspielfilm geben konnte, und das ganze so gekünstelt aussah wie etwas, das Joko und Klaas normalerweise karikieren.
Das soll nicht heißen, dass aus der Jubiläumssendung eine trockene, biedere Nummer hätte werden sollen, in der man witz- und lieblos die größten Skandale und Aufreger hochkocht. Doch genau das ist sie gerade wegen all dieser aufgesetzten Gimmicks ja am Dienstagabend geworden. Gerade weil man wohl gedacht hat, man müsse dieses vergleichsweise harte journalistische Format irgendwie aufpeppen. Mit Joko und Klaas. Die sind schließlich jung, verstehste. Und ein perfekter Kontrast zu Meyers dunklen Anzügen und seinem seriösen, distanzierten Auftreten. Mensch, wenn da mal nicht die ganzen jungen Dinger einschalten und die Quoten hochtreiben.
Nein, so funktioniert die Revitalisierung der Marke «Akte» nicht. Die ließe sich allein durch die klassischen Werte Relevanz und Brisanz bewerkstelligen. Wenn Ulrich Meyer endlich wieder vermehrt Beiträge ansagen darf, in denen Abzockfirmen das Handwerk gelegt und Skandale im Polit-Betrieb aufgedeckt werden, werden auch wieder mehr Zuschauer einschalten. Ja, auch die Jungen.
Bis dahin kann man die Sendung dagegen getrost ad acta legen.