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Heiter bis tödlich - aber gelungen

Am Vorabend gehen heiter erzählte Krimistoffe reihenweise schief. Beim Weimarer «Tatort» funktioniert der Genre-Mix dagegen hervorragend.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Christian Ulmen als Lessing
Nora Tschirner als Kira Dorn
Thorsten Merten als Kurt Stich
Wolfgang Maria Bauer als Hans Bangen
Sophie Rois als Rita Eisenheim
Jörg Witte als Iwan Windisch/Josef Eisenheim
Dominique Horwitz als Caspar Bogdanski

Hinter der Kamera:
Produktion: Wiedemann & Berg Television
Drehbuch: Murmel Clausen und Andreas Pflüger
Regie: Richard Huber
Kamera: Robert Berghoff
Produzenten: Max Wiedemann und Quirin Berg
Es werde ein «Tatort», keine Parodie, hat Nora Tschirner vor rund einem Jahr ihre Premiere als Kommissarin in der altehrwürdigen ARD-Reihe angekündigt – und damit auch so ein bisschen die Erwartungen gedämpft oder zumindest verschoben, mit denen mancher auf die erste Folge des Ulmen-/Tschirner-Duos im Vorfeld zugegangen ist. Das hatte zuweilen auch ein bisschen Angst gemacht: Zwei junge Ermittler, dargestellt von zwei jungen bekannten Schauspielern, die das alles ein bisschen heiterer und fröhlicher machen sollten, bei der angestaubten Chzepüh-Chzepüh-ARD, da schien der Weg zum Prime-Time-Ableger von „Heiter bis tödlich“ nicht mehr weit.

Diese Horror-Vorstellung hat sich damals mit der „Fetten Hoppe“ glücklicherweise nicht bewahrheitet. Fröhlichkeit bei der Mordermittlung war da im Ersten mal ganz unprätentiös, clever und witzig, mal ganz ohne Anbiederung, ohne olle Kamellen und grässliche Kalauer.

Der „Irre Iwan“, programmiert als Special zum Neujahrstag, setzt hier nahtlos an: Und für Krimistoffe mit Betonung auf Lustig geht es relativ knallhart los: Die Stadtkämmerei wird überfallen, der Räuber ballert in die Luft und erschießt dabei die direkt über der Einschussstelle sitzende Sekretärin des Kämmerers Iwan Windisch. Windisch hatte mit seiner Tippse (später liebevoll „Bumsnudel“ genannt) seit kurzem eine Affäre am Laufen; vielen seiner langjährigen Kollegen war das suspekt. Schließlich galt der adrette Verwalter immer als sehr akkurat und korrekt – obwohl er mit seiner Frau eine offene Beziehung führte.

Währenddessen führt eine Spur auf eine Geisterbahn auf einem Rummelplatz. Die Betreiberin Rita Eisenheim (wunderbar schrullig bis gemeingefährlich gespielt von Sophie Rois) vermisst seit einiger Zeit ihren Mann Josef. Wobei „vermissen“ fast zu viel gesagt ist. Die Ehe der beiden war schwierig – zu viel Suff und Puff beim Gatten. Der hatte aber eine frappierende optische Ähnlichkeit mit dem irren Iwan. Führte der versoffene Schausteller ein Doppelleben als braver Finanzier mit einer eifersüchtigen Zweitfrau? Oder ist da ein Riesenkomplott im Gange?

Es geht noch eine Ecke irrer zu als bei der Auftaktfolge, die vor einem Jahr für Furore sorgte. Und das ist auch gut so. Denn wo „Heiter bis tödlich“ an anderer Stelle ausnahmslos ein Rezept fürs narrative Desaster ist, funktioniert die Mischung beim Weimarer «Tatort» tadellos. Sicherlich hängt das auch mit den beiden Hauptdarstellern und ihren Rollen zusammen: Lessing und Kira Dorn sind Typen. Christian Ulmen und Nora Tschirner auch. Das an sich schafft bereits eine sinnvolle dramaturgische Basis, die zumindest verhindern kann, dass die Mischung aus Krimi und Ha-ha völlig den Bach runtergeht und eine witzlose Bankrotterklärung wird wie das Elend am ARD-Vorabend.

Der Schlüssel zum inhaltlichen Erfolg liegt in der Haltung, mit der hier erzählt wird. Diese Haltung beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Spielen mit der Meta-Ebene und den Konventionen des Sendeplatzes, sondern erstreckt sich auch auf die überstilisierungsfreie Zeichnung der beiden Hauptcharaktere. Lessing und Kira Dorn sind jung, aber nicht gezwungen jung. Ihr Lebensalter ist – anders als in Erfurt – nicht dramaturgischer Hauptausgangspunkt, sondern ein Randaspekt. Ebenso wenig sind sie übertrieben altmodisch (Köln), übertrieben hart drauf (Nick Tschiller in Hamburg), übertrieben kumpelhaft (München) oder übertrieben witzig (Münster). Das mag als «Tatort» und nicht als Parodie gedacht sein, verkennt aber, dass der «Tatort» oft genug wie eine Parodie auf sich selbst aussieht. Dass dann noch auf das selbstbesoffene, pflichterfüllende Einflechten gesellschaftlicher Brennpunkte (was fast nirgendwo außer in Dortmund funktioniert) verzichtet wird, ist ein weiterer Pluspunkt.

Und so kann auch die neue Folge aus Weimar durch ihren Witz und ihre unprätentiöse Erzählweise sehr schön unterhalten.

Das Erste zeigt «Tatort – Der irre Iwan» am Donnerstag, den 1. Januar um 20.15 Uhr.
31.12.2014 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/75412
Julian Miller

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Der irre Iwan Tatort Tatort – Der irre Iwan

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
DMeske
31.12.2014 14:14 Uhr 1
Quotenmeter lobt aber auch alles, was von MTV kommt..
Sentinel2003
31.12.2014 18:14 Uhr 2
Leider habe ich den ersten tatort mit den 2en nicht gesehen...aber, jetzt ist meine Platte prorammiert... :wink: 8)
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