RTL-Reporter hin oder her. Dem ARD-Magazin «Panorama» ist mit einem Beitrag über die Pegida-Demo in Dresden ein journalistisches Glanzstück gelungen.
Der RTL-Demoreporter
Weshalb ein RTL-Reporter für Aufregung bei der Demo sorgte und wie sich «Panorama» und der Kölner Privatsender zu seinem Auftritt äußerten,
lesen Sie hier in aller Ausführlichkeit.
Es ist die vielleicht irrste Mediengeschichte des Jahres. Da schickt der NDR für ein ARD-Magazin ein Reporterteam dorthin, wo Menschen eigentlich gar nicht gerne mit den Medien reden. Sie sind enttäuscht von ihnen, sind sie doch der Meinung, die Presse würde von Staatsorganen kontrolliert und verbreite nur Lügen. Genau deshalb hat «Panorama» den Pediga-Demonstranten einen sieben Minuten langen Beitrag gewidmet. Genau deshalb – oder auch um die Absurdität dieser Vorwürfe zu unterstreichen – bleiben Äußerungen der Interviewten wie „Wenn Sie das senden, sind Sie ihren Job los“ im Beitrag. Obendrein fand ein fast 50 Minuten langer Interview-Clip in den vergangenen Tagen viel Aufmerksamkeit, weil er die aufgezeichneten Gespräche mit den Bürgern in voller Länge zeigte; für alle diejenigen, die die Schnitte im TV-Clip falsch gesetzt sahen.
Es ist eine außerordentliche Leistung des Magazins «Panorama», das somit ohne Zweifel klar macht, was Medien eigentlich können. Gegenüber Quotenmeter.de äußerte sich Moderatorin Anja Reschke, die zu Beginn des kommenden Jahres zur Bereichsleiterin Programm beim NDR wird. „Vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung war es nicht schwer, mit den Demonstranten ins Gespräch zu kommen. Dabei haben sich unsere Reporter ausschließlich an die Menschen gewandt, die von Politikern und Journalisten gerne als „die Mitte der Gesellschaft“ bezeichnet werden. Viele von ihnen gaben freimütig vor der Kamera Auskunft über ihre Motive und Beweggründe – allerdings oft mit dem Zusatz „Das müssen sie doch mal bringen!“ oder „Ach, das wird doch sowieso wieder geschnitten, verkürzt und manipuliert!““, erklärt Reschke.
Dass zu dieser „Mitte der Gesellschaft“ auch einer gehörte, der eigentlich unerkannt mitlaufen wollte, weil er dafür Geld des RTL Landesstudios Ost bekam, war den «Panorama»-Leuten nicht klar. Der Journalist sorgte für Schlagzeilen, weil er seine Tarnung aber auch dann nicht aufgab, als ihn das Kamerateam zu einem Statement aufforderte. Dass er in der Tat mit ihnen sprach – und vor allem das Was – sorgte für eine derartige Welle, dass RTL die Zusammenarbeit mit dem Mann noch am Wochenende beendete. Und auch dem NDR schmeckte genau das nicht; schürt des doch einzig den Eindruck, bei den deutschen Medien handele es sehr wohl um eine „Lügenpresse.“
„Natürlich ist der Vorwurf, wir seien 'Staatsmedium' oder ' Lügenpresse', faktisch unsinnig. Denn wir bekommen unsere Themen weder vom Staat diktiert, noch senden wir Beiträge mit gelogenem Inhalt“, betont auch Anja Reschke. Trotzdem müsse man aber die zunehmende Skepsis dieser Menschen ernst nehmen, sagt sie. „Nach unserem Eindruck ist das vor allem im Zuge der Ukraine Krise massiv zum Ausdruck gekommen. Schlagzeilen wie 'Stoppt Putin!' und der dann folgende Beschluss von Sanktionen gegen Russland erwecken den Eindruck einer gesteuerten Presse.“
Die konkrete Idee für den bemerkenswerten «Panorama»-Beitrag, der wegen neun Zehntel des Gezeigten ein klares Beispiel für freie und unabhängige Medien ist, sei den Machern gekommen, weil in jüngerer Vergangenheit vor allem viel
über Demonstrationen dieser Art berichtet worden sei. Häufig seien dies aber Bilder gewesen, in denen gar niemand zu Wort kam oder wenn doch, dann nur pöbelnde Nazis, erinnert sich Reschke. „Unserem Eindruck nach aber gab es kaum Versuche, mal mit den Menschen, die da demonstrieren, ins Gespräch zu kommen.“ Und wenn doch, dann waren die Beiträge satirischer Natur, wie in der MAZ, in der ein Mitglied der «heute-show» als Korrespondent des fiktiven RT Deutsch mit den Bürgern sprach.
Weihnachten und die Medienbranche
Schon im vergangenen Jahr war es die Weihnachtszeit, in der Quotenmeter.de täglich Interviews mit Machern und Aktiven der TV-Branche veröffentlichte. Auch 2014 wird es rund um das Fest eine Interview-Themenwoche geben. Den Anfang hat am vierten Advent Frank Beckmann, der ARD-Vorabendkoordinator gemacht. Am Montag vor Weihnachten sprach Anja Reschke («Panorama») mit Quotenmeter.de über den Dreh ihrer Leute auf einer Pegida-Demo in Dresden. Weitere Interviewpartner: «Traumschiff»-Kapitän Sascha Hehn am Dienstag, am Mittwoch Detlev Buck, Lina Larissa Strahl, und andere Hauptdarsteller von «Bibi & Tina» im Videointerview.
Am Donnerstag: Parker Schnabel aus der DMAX-Sendung «Goldrausch in Alaska» und am Samstag: Oliver Kalkofe über sein TV-Jahr 2014. „Politiker, Medien, Experten erliegen oft der Versuchung, alles erklären und kategorisieren zu wollen. Das hilft aber nur eingeschränkt, denn das Gefühl von 15.000 Demonstranten ist ja nun mal da. Deshalb haben wir entschieden, wir lassen die Menschen einfach mal sprechen. Wir geben nicht vor, was man nun davon halten soll“, erklärt Reschke. „Der Zuschauer, der nicht in Dresden dabei war, soll sich selbst ein Urteil bilden. Die Töne sind wie sie sind und wir haben darüber diskutiert, ob man faktisch falschen Behauptungen, die zuhauf kommen, widersprechen muss. Aber das hätte wieder etwas Bevormundendes gehabt.“
Und so sprachen die Menschen vor der Demonstration bereitwillig mit dem ARD-Team. „Mit Beginn der Kundgebung wurde die Stimmung aggressiver, auch weil die Veranstalter in ihren Reden die Berichterstattung der Medien heftig kritisierten“, erklärt Reschke. Fortan sei es immer wieder zu Sprechchören wie „Lügenpresse“ gekommen, „die Interviews wurden bisweilen massiv gestört. Zum Teil konnten sie gar nicht mehr stattfinden, weil Menschen, die reden wollten, von Umstehenden daran gehindert wurden. So ist es auch im Drehmaterial auf panorama.de dokumentiert.“