«Die Simpsons» sind in dieser Woche 25 geworden und David Letterman hört bald auf. Über moderne Fernsehklassiker...
Wenige Formate erreichen im amerikanischen Fernsehen den Status einer Institution. Letterman hat das geschafft, Leno, das seit den 40er Jahren laufende Polit-Magazin «Meet the Press». Und natürlich «Die Simpsons».
Die gelbe Familie aus der Überall-und-Nirgendwo-Stadt Springfield feierte am Mittwoch auf den Tag genau ihr fünfundzwanzigjähriges Bestehen als eigenständige Sendung. Länger läuft in der amerikanischen Prime-Time keine andere Serie. Auch fernsehhistorisch ist das eine Leistung: Der Western-Dauerbrenner «Rauchende Colts» brachte es nur auf zwanzig Jahre, die scheinbar nie auserzählte Soap «Dallas» im Vergleich zu Homer und Bart auf schlappe siebzehn Seasons (inklusive Remake, wohlgemerkt).
Es ist aber nicht nur die weit überdurchschnittlich lange Lebensdauer des Springfielder Cartoon-Universums, was die Serie zu einem
American Classic macht. Die ist Auswirkung, nicht Ursache. Wäre die Serie nicht gut erzählt, witzig, charmant und intelligent, hätte sie kaum so lange einen festen Platz im Line-Up eines Broadcast-Networks halten können – und sie hätte auch nie das
Cult Following ausgelöst, für das sie bekannt ist.
Junge Zuschauer werden die
Simpsonsmania vielleicht gar nicht mehr kennen, die in den frühen und mittleren 90er Jahren die Verkaufsregale in Westeuropa und Amerika zugestellt hat: Wecker, Comic-Hefte, Action-Figuren, Telefone, Brettspiele, Biermarken. Das volle Programm.
In den letzten Jahren ist es leiser geworden um die Springfielder Vorzeigefamilie. Doch wenn ein Format einmal den Status einer Institution erreicht hat, bedeutet das auch, dass man sie nicht immer regelmäßig verfolgt. Kaum jemand wird jede einzelne Ausgabe von Lettermans Late-Night gesehen haben und nur die absoluten Hardcore-Fans werden jede einzelne Folge der «Simpsons» kennen.
Gerade das ist das Tolle: Auch wenn man jahrelang nicht zugesehen hat, weiß man: Es ist immer noch da, wird immer noch produziert und gesendet. Man kann jederzeit zuschauen und dort ansetzen, wo man vielleicht schon vor ein paar Jahren aufgehört hat. Ob sonntags bei FOX im Fall der «Simpsons» oder wochentags spätabends bei CBS im Fall von David Letterman. Wenn man zynisch ist, könnte man sagen: Moderne Klassiker sind in erster Linie da und man merkt ihre Präsenz erst richtig, wenn sie auf einmal fehlen.
Nun ist Lettermans Sendung
bald Geschichte. Nach über drei Jahrzehnten im Spätschichtbetrieb hat er sich den Ruhestand auch redlich verdient. Die Simpsons aber machen auch nach fünfundzwanzig Jahren immer noch weiter. Ein Ende des gelben Wahnsinns ist nicht in Sicht, Springfield ist für FOX und Gracie Films bis heute eine gelbe Gelddruckmaschine. Auch wenn die sechs Hauptsprecher in den vergangenen Jahren Gehaltskürzungen hingenommen haben, um die Produktion angesichts der zurückgegangenen Zuschauerzahlen finanziell attraktiv zu halten.
Natürlich ist in den letzten fünfundzwanzig Jahren viel interpretiert worden, gerne auch auf soziologischer Ebene, was genau den Erfolg der Kultserie ausmacht. Über die Simpsons als
all-American Family, über Springfield als amerikanischen Mikrokosmos. Erst am Mittwoch erschien in der "Zeit" ein
seitenlanger Text, eine eher links geprägte Analyse über Springfield als endzeitliche Gesellschaftspetrischale, in der der Untergang der Normalzustand ist, und die Freude an der spätkapitalistischen Dekadenz alles überschattet.
Springfield als spätkapitalistischer Sündenpfuhl, als Moloch für den angelsächsischen Opportunisten, als kleinstmögliche Schnittmenge Amerikas, als Archetyp des suburbanen Ideals und seine Konterkarierung und Dekonstruktion zugleich, als satirisch aufgearbeitete amerikanische Vision, gar als auf den ersten Blick düsteres Idealbild, weil trotz Korruption, Inkompetenz und Selbstsucht am Schluss doch immer alles gut wird? Ja, darüber könnte man endlos diskutieren.
Werden wir hier und da auch tun. In den nächsten 25 Jahren.