Zur Person: Frank Beckmann
Der 1965 geborene Journalist ist Programmdirektor des NDR und zugleich für den Vorabend im Ersten zuständig. Zwischen 2000 und 2008 war er, vor seiner Station beim NDR, Programmgeschäftsführer des KIKA. Sein Vertrag wurde kürzlich um fünf Jahre verlängert. Herr Beckmann, es ist die Zeit der Jahresrückblicke. Wie fällt denn Ihre Bilanz des Vorabends im Ersten im Jahr 2014 aus?
Es wird Sie vielleicht überraschen: Aber so schlecht ist die Bilanz nicht. Wir liegen im Schnitt bei etwa zehn Prozent Marktanteil in der für uns wichtigen Schiene von «Brisant» bis hin zur «Tagesschau». Dabei hat uns auch die Fußball-WM geholfen. RTL liegt derzeit im Gesamtmarkt nur etwa einen Prozentpunkt vor uns, wir sind somit guter Dritter. Insgesamt würde ich den Vorabend im Ersten 2014 als stabiler bezeichnen. Wir werden auch weiterhin um Zehntelpunkte kämpfen müssen und ich will auch gar nicht verschweigen, dass es unter den vielen Experimenten auch Programme gegeben hat, die uns nicht zufrieden gestimmt haben. Die grundsätzliche Tendenz weist jedoch bei Qualität und Marktanteilen in die richtige Richtung.
Für 2015 haben Sie derweil trotzdem einen größeren Umbau angekündigt.
Lassen wir den Montag mit dem weiter erfolgreichen «Großstadtrevier» mal außen vor, dann kürzen wir die Krimischiene von drei auf zwei Tage. Daraus ergibt sich, dass dort die Konkurrenz größer wird. Die Messlatte liegt 2015 höher. Für Serien wird es nun schwieriger, verlängert zu werden. Nur noch die Allerbesten werden von uns für eine neue Staffel verlängert. Ich will dabei ausdrücklich betonen, dass wir nicht nur die Quote bewerten, sondern auch den Inhalt und die daraus hervorgehende Perspektive. Welches Potential hat das einzelne Format? Kann man an Stellschrauben drehen, die zu Verbesserungen führen?
Anders herum gefragt: Gibt es dann schon Krimis, die Sie nicht fortsetzen werden?
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Wir haben noch weitere Experimente im Köcher – und weil wir im Vorabend sind, kann ich aus Erfahrung auch jetzt schon sagen, dass sicherlich nicht alle Formate zünden werden.
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Frank Beckmann, ARD-Vorabendkoordinator
Diese Entscheidungen werden wir im Frühjahr 2015 treffen. Zunächst einmal müssen wir das Gesamtbild des Vorabends im Auge haben. Ein komplett neu programmierter Slot um 18.00 Uhr wirkt sich deutlich mehr auf den Vorabend aus als die Bestellung einer Serie mit acht oder 16 Folgen. Das ist zunächst einmal die große Veränderung, die sicherlich auch Auswirkungen auf die Sendeplätze drum herum haben wird. Dann haben wir noch weitere Experimente im Köcher – und weil wir im Vorabend sind, kann ich aus Erfahrung auch jetzt schon sagen, dass sicherlich nicht alle Formate zünden werden.
Gehen wir doch ein bisschen ins Detail. Mit «Ein Fall von Liebe» sind Sie donnerstags schon weggegangen vom klassischen Krimi. Die Quoten sind allerdings nicht gut.
Als «Ein Fall von Liebe» mit 7,5 Prozent Marktanteil gestartet ist, haben manche von einem Flop geschrieben. Wir aber haben uns über einen Zuwachs von 1,5 Prozentpunkten auf dem Sendeplatz gefreut – ein Plus von 25 Prozent! Aus meiner Sicht ist der Start der Serie überaus gelungen. Wir haben mit dem Format das Genre Krimi am Donnerstag verlassen und erzählen neben abgeschlossenen Fällen auch horizontal. Ich finde die Serie großartig umgesetzt und erstklassig gespielt. Aber «Ein Fall von LiebeĪ bringt eine neue Farbe in den Vorabend. Und sollte die Serie auf dem Platz nicht reüssieren, liegt es sicher nicht an der Qualität: Die Serie ist so stark, dass sie im Hauptabend ganz sicherlich auf zweistellige Quoten käme.
Das ist ein bekanntes Phänomen.
Richtig. Ich erinnere mich noch, dass «Mord mit Aussicht» freitags im Vorabend weniger als sieben Prozent geholt hat. Am Dienstag um 20.15 Uhr sind wir jetzt bei 20 Prozent. Ein Beispiel von vielen. Daher werden wir im Vorabend unseren Weg weitergehen und auf qualitativ hochwertige Serien setzen – von denen übrigens langfristig auch die Dritten Programme profitieren. Es macht keinen Sinn, jeden Morgen stur auf die Quote zu schauen. Wir haben die langfristige Perspektive im Blick. Und genau deshalb gehen wir das Risiko ein, das mit den Neustarts verbunden ist.
Ende Januar startet mit «Unter Gaunern» eine neue Krimiserie. Wir wurden explizit darauf hingewiesen, dass diese aber nichts mit der Dachmarke «Heiter bis tödlich» zu tun hat. Will niemand diesen Stempel?
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Wir haben noch weitere Experimente im Köcher – und weil wir im Vorabend sind, kann ich aus Erfahrung auch jetzt schon sagen, dass sicherlich nicht alle Formate zünden werden.
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Frank Beckmann, ARD-Vorabendkoordinator
«Heiter bis tödlich» war für uns wichtig, um die Idee der Krimis im Vorabend des Ersten schnell bekannt zu machen. Das Label hat uns bei der Einführung auch in der Vermarktung geholfen. Inzwischen ist klar, wofür die ARD am Vorabend steht und deshalb können wir das Label zunehmend verlassen und die einzelnen Serien in den Vordergrund rücken. «Unter Gaunern» ist da ein guter, sehr moderner Ansatz. Wenn Sie sich die ersten Folgen ansehen, dann wissen Sie, wovon ich spreche. Die Ermittlung des Täters rückt in den Hintergrund, es ist mehr eine komödiantische Familienserie. Es geht um die junge Polizistin Betty Schulz – übrigens von Christina do Rego grandios gespielt – und ihrer Familie, die aus lauter liebenswerten Ganoven besteht. Ich will Ihnen gleich vorneweg aber auch eines sagen. Ich weiß, dass «Unter Gaunern» ein sehr junges Programm ist und es in Sachen Quote im Gesamtmarkt daher nicht leicht haben wird.
Gilt das auch für «In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte», dem Ableger Ihrer erfolgreichen Sachsen-Klinik?
Das ist vielleicht unser wichtigster fiktionaler Neustart im Vorabend, weil es für alle Beteiligten ein so anspruchsvolles Experiment ist. Wenn Sie Anfang Dezember «In aller Freundschaft» am Dienstag gesehen haben, wissen Sie, dass wir schon jetzt den Start des Ablegers dramaturgisch vorbereiten. Die Hauptfigur Dr. Niklas Ahrend zieht „on air“ vom Haupt- in den Vorabend um. Und auch nach dem Start der „Jungen Ärzte“ am 22. Januar wird es immer wieder Verknüpfungen zwischen beiden Formaten geben. Am Dienstagabend und dann am Donnerstag um 18.50 Uhr. Eine solche Verzahnung zu entwickeln, ist überaus komplex. Meines Wissens nach hat es so etwas im deutschen Fernsehen so noch nicht gegeben. Acht Folgen sind von «In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte» aktuell fertig und ich kann den Production Value nur als wirklich ausgezeichnet beschreiben. In jeder Episode merkt man die große Erfahrung des Produzenten. Die Serie hat ein extrem hohes Niveau.
ARD/ Tom Schulze
Dr. Niklas Ahrend (Roy Peter Link, r.) wechselt in den Vorabend. Ab dem 22. Januar 2015 Uhr zeigt Das Erste einen «In aller Freundschaft»-Ableger donnerstags um 18.50 Uhr. "Eine solche Verzahnung zu entwickeln, ist überaus komplex. Meines Wissens nach hat es so etwas im deutschen Fernsehen so noch nicht gegeben", sagte ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann im Quotenmeter.de-Interview.
Sind denn zehn Prozent Marktanteil für die jungen Ärzte aus Ihrer Sicht möglich?
(lacht) Ich sehe schon: Wenn bei uns bei acht Prozent die Korken knallen, schreibt Quotenmeter von einem Flop. Wichtig: Noch vor wenigen Wochen haben wir am Donnerstag um 18.50 Uhr sechs Prozent geholt. Jedes Zehntel ist für uns ein Gewinn. Und: «In aller Freundschaft» ist wohl die erfolgreichste Weekly im deutschen Fernsehen und hat gerade erst den Publikums-Bambi gewonnen. Ich glaube schon, dass wir ein paar der Fans in den Vorabend locken können.
Am Freitag lagen Sie teilweise bei weniger als sechs Prozent. Dort wird ab Ende Februar, wie zu hören war, die «Verbotene Liebe» als Weekly zurückkehren. Gar nicht so einfach, eine Daily als Weekly runterzubrechen, oder?
Es war eine spannende Debatte, weil wir uns einig werden mussten, was der wirkliche Markenkern der Serie ist. Bei einer Weekly hat man natürlich ein kleineres Ensemble. Die neue «Verbotene Liebe» wird weit weg sein von der eher industriellen Produktion einer klassischen Daily. Es wird deutlich mehr Außendrehs geben – wir können deutlich mehr aus dem Studio herausgehen. Erinnern Sie sich noch an die Zeit, in der in jeder Folge etwa 12 Minuten lang Geschichten aus Mallorca erzählt wurden? Das tat dem Format damals unglaublich gut.
Was sprach denn damals eigentlich genau für eine Fortsetzung der «Verbotenen Liebe»?
Natürlich die große Fangemeinde. Die Serie lebt. Ich sehe drei große Chancen: Das sind die Fans, das ist die Besinnung auf den Kern der Marke und das sind die viel besseren Bedingungen, die eine Weekly gegenüber einer Daily hat. Aber auch hier gilt: Es ist ein großes Experiment – meines Wissens nach wurde noch nie aus einer Daily eine Weekly gemacht.
Wenn Sie vom Markenkern sprechen. Das dürften in der Serie die Lahnsteins sein. Wird eine Lahnstein auch die zentrale Figur der Serie?
Da bitte ich noch um ein bisschen Zeit. Wir sind gerade dabei, diese Dinge festzuzurren.
Während Sie von «In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte» gleich eine Jahresstaffel bestellt haben, gilt der Vertrag bei «Verbotene Liebe» nur bis Sommer. Warum?
Das hatte mit dem bestehenden Vertrag für die Daily zu tun. Wir werden relativ schnell über eine Fortsetzung sprechen, da wird uns nichts aufhalten, wenn die Weekly gestartet ist. Klar ist, dass es von «Verbotene Liebe» eine kurze Sommerpause geben muss, die ich allerdings als Chance sehe, um die Erkenntnisse aus diesem Experiment zu analysieren und gegebenenfalls nachzujustieren.
Wie schwer war es für Sie, «Quizduell» um 18.00 Uhr in Serie zu schicken?
Fast alle waren 2014 der Meinung, eine solche Show könnte nie funktionieren. Zuschauen und zugleich mitspielen – nein, das geht nicht, hieß es allerorten. Wir haben mit dem «Quizduell» gezeigt, dass TV heutzutage nicht nur ein Lean-Back-Medium sein muss, sondern die Verknüpfung mit dem Internet erfolgreich funktionieren kann. Wir hatten, als die App funktionierte, pro Ausgabe fast 250.000 Spieler, die permanent dabei waren. Heißt: Sie haben von der ersten bis zur letzten Frage mitgespielt. Das war fast jeder fünfte TV-Zuschauer! Das hätte ich niemals erwartet. Natürlich gehen wir jetzt wieder ins Risiko: Wird «Quizduell» auch auf lange Strecke erfolgreich sein? Wenn ich mir die Quoten anschaue, dann haben wir die letzte Folge mit 9,5 Prozent abgegeben – mehr als 2 Prozentpunkte über Sendeplatzschnitt. Ich wage jetzt mal die Prognose, dass wir in einer weiteren Woche auf zehn Prozent gekommen wären. Das stimmt mich zuversichtlich.
Am Konzept ändert sich nichts?
Wir haben viele Ideen in der Schublade. Ideen, die wir nicht umsetzen konnten, weil die App ja fast zwei Wochen lang nicht funktionierte. Wir planen Außenschalten, werden auf aktuelle Ereignisse eingehen und regelrecht mit dramaturgischen Bögen arbeiten. Und: Bei uns kann jeder Zuschauer vor dem heimischen Fernseher oder von unterwegs täglich um die 2.000 Euro gewinnen. Ich bin wirklich fest davon überzeugt, dass das «Quizduell» im deutschen Fernsehen ein Erfolg wird.
Die große Faszination löste die Sendung aber aus, weil die App nicht funktionierte und das Format deshalb nicht so glattgebügelt und in ein Korsett gezwängt war…
Sie haben da schon recht. Dem Fernsehen fehlt an mancher Stelle das Überraschende. Live bei etwas dabei zu sein, das nicht vorhersehbar ist, geschieht im Fernsehen von heute viel zu selten. Wir haben das für die neuen Folgen durchaus bedacht. Und haben mit Jörg Pilawa wirklich den besten Quizmoderator, der auch hervorragend damit umgehen kann, wenn um ihn herum das totale Chaos ausbricht – wie an jenem denkwürdigen 12. Mai. Aber bei aller Freude über das Unvorhersehbare: Nochmal wollen wir ihm und uns das eigentlich nicht antun.
Sie hatten schon gesagt, dass Sie mit dem «Quizduell» nicht zwölf Monate im Jahr bestreiten können. Ist schon entschieden, welche anderen Formate in den Pausen einspringen?
Nein. Drei bis vier sind aktuell in der engeren Auswahl. Davon gibt es entweder Piloten oder ein ausländisches Original. Wir diskutieren gerade intensiv darüber.
Weil immer wieder auch über fehlenden Moderatoren-Nachwuchs gesprochen wird. Bekommt in einer solchen Sendung der Nachwuchs vielleicht eine Chance?
Gerade in den dritten Programmen bekommen Talente eine sehr gute Chance. Wir probieren vieles aus und finden großartige Moderatoren: Alexander Bommes ist zum Beispiel jemand, der sicherlich auch das Zeug hat, größere Primetime-Shows zu präsentieren. Schauen Sie auch auf unsere Comedy-Formate am Donnerstagabend, die sehr positiv gestartet sind und lauter neue Gesichter ins Erste bringen. Der Nachwuchs kommt bei uns also in keinem Bereich zu kurz, wir haben auch neue Leute immer im Blick.
Danke für das Gespräch und frohe Weihnachten, Herr Beckmann.
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