Fernöstliche Küche im Osten: «Sushi in Suhl» erzählt vom Betreiber eines japanischen Restaurants in der DDR. Unsere Vorab-Kritik:
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Uwe Steimle als Rolf Anschütz
Julia Richter als Ingrid Anschütz
Hilmar Eichhorn als Erwin Anschütz
Leander Wilhelm als Robert Anschütz
Ina Paule Klink als Gisela
Angelika Böttiger als Helga
Gen Seto als Hayashi
Hinter der Kamera:
Produktion: Starcrest Media
Drehbuch: Jens-Frederik Otto
Regie: Carsten Fiebeler
Kamera: Gero SteffenRolf Anschütz, dessen Geschichte «Sushi in Suhl» „frei nach einer wahren Geschichte“ erzählen will, hat als Koch und Restaurantbetreiber einen Hang zum Exzentrischen. In der stockbiederen DDR führt das freilich zu Konflikten. Als er der Chefin der Handelsorganisation bei einer Jubiläumsfeier eine original thüringische Maikäfersuppe vorsetzt, reißt die entsetzt vom beschaulichen Suhl zurück nach Berlin ab. Die lokalen Funktionäre sind auf Anschütz von da an nicht sonderlich gut zu sprechen.
Als der anfängt, für seine Freunde japanische Gerichte zu kochen, und Berichte darüber in der Zeitung erscheinen, scheinen sich die Auseinandersetzungen noch weiter zu intensivieren. „Feindpropaganda“, sei das. „Japan ist Raubtierkapitalismus. Die können doch nicht mal mit Messer und Gabel essen.“ Wenn sich Sozialismus und Rassismus die Klinke in die Hand geben.
Irgendwann sitzt dann aber ein Japaner in seinem Restaurant. Ein „echter“, Dr. Hayashi aus Osaka, der an der Universität Jena lehrt. Der örtliche SED-Kader besteht darauf, dass Anschütz ihm japanisches Essen vorsetzt – schließlich bemüht sich die DDR schon lange um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem ostasiatischen Inselstaat. „Kochen für den Weltfrieden“ geben sie ihm als Schlagwort – und so ein bisschen soll das auch zum Leitmotiv dieses Films werden.
Am stärksten ist er, wenn er die Doppelmoral der DDR-Offiziellen aufdeckt, die sich nur dann auf ihre sozialistische Weltanschauung berufen, wenn die mit ihrem Opportunismus konform geht. Diesem Anschütz wollen sie seine Mittel solange streichen, bis von oben das Gegenteil durchgegeben wird und die Wendehälse sich schneller drehen als ein Fähnchen bei Windstärke 12.
Ansonsten ist «Sushi in Suhl» aber gerne betulich und beschaulich. Zwar bedeutet das einerseits, dass hin und wieder Möglichkeiten verschenkt werden, um vielleicht noch eine Ecke feingeistiger und gewitzter die politischen und sozialen Zustände in der DDR zu sezieren. Andererseits jedoch passen wohl keine Adjektive besser zur thüringischen Provinz als betulich und beschaulich. Und solange dieser Film trotz seiner Leichtigkeit eine klare historische Haltung entwickelt – ein Anspruch, dem er vollumfänglich gerecht wird – darf er das auch.
Da fehlt es schon eher an narrativer Eleganz: Je mehr Rolf Anschütz sich mit exzentrischer Freude in die japanische Küche stürzt und sein gutbürgerliches Restaurant sukzessive zum exotischen Gourmet-Tempel umstrukturiert, desto mehr leiden seine Ehe und seine Beziehung zu seinem Sohn. Irgendwann zieht seine Frau aus und reicht die Scheidung ein. Das ist dem historischen Anschütz zwar genauso passiert und hat allein schon deswegen seine dramaturgische Berechtigung – allein: Es ist mangelhaft in die Erzählstruktur eingebunden; die Entfremdung des Paares vollzieht sich zu graduell, als dass ihre Konsequenz in der knapp bemessenen Screentime plausibel erscheinen würde.
Hin und wieder wird aus Beschaulichkeit und Betulichkeit dann manchmal auch Ödnis: Wenn sich die Gags daraus speisen sollen, wie alte Männer versuchen, mit Stäbchen zu essen oder die biederen Angestellten der HO sich kulturell vom Sento-Bad leicht überfordert fühlen. Erwartbare Witzeleien werden in ihrer Aufsummierung da schnell schwer erträglich.
Andererseits übertrifft der 2012 uraufgeführte Film dagegen die Erwartungen an eine simple DDR-Culture-Clash-Dramödie: Vor allem dann, wenn er die DDR-Mechanismen zwischen Mangelwirtschaft, Spitzelwesen und Duckmäusertum vorführt und den gesamten Staatsapparat als Witzfigur darstellt. Da schmeckt das Sushi gleich noch ein bisschen besser.
Das Erste zeigt «Sushi in Suhl» am Mittwoch, den 3. Dezember um 20.15 Uhr.