Als befänden wir uns wieder in den 90ern: Unser Kolumnist ist voll und ganz im Dinosaurier-Fieber.
Was der heutigen Popkultur die Superhelden, waren den 90er-Jahren die Dinosaurier. Nahezu jeder Junge, der was auf sich hielt, hatte Spielzeugsaurier in seinem Zimmer, im Fernsehen liefen andauernd Dokumentationen über die Schreckensechsen – und dann war da natürlich noch Steven Spielbergs Abenteuer-Überblockbuster «Jurassic Park». Doch auch wenn der Riesenerfolg aus dem Jahr 1993 unbestritten einen Meilenstein der Filmgeschichte darstellt, so ist er für mich bloß ein müder Nachzügler. Der ewige Zweite in der Welt interessanter Bewegtbildsaurier. Die einzig wahren, alles übertreffenden Schuppenträger sind für mich «Die Dinos». Bereits zwei Jahre bevor Spielbergs Riesenviecher über die Leinwand stapften, machten Familie Sinclair und Konsorten das US-Fernsehen unsicher – und setzten eine Duftmarke, die in der TV-Landschaft bisher unerreicht bleibt.
Die Ebenen, auf denen «Die Dinos» funktioniert, sind mannigfaltig: Die von Jim Henson Productions, Michel Jacobs Productions und Walt Disney Television verwirklichte Serie bedient sich etwa an den Erzählkonventionen typischer Familiensitcoms, um mit überlebensgroßen Figuren dieses Genre liebevoll auf den Arm zu nehmen. Darüber hinaus trauen sich die Autoren aber nach einer ersten Eingewöhnungsphase in den ganz frühen Episoden, im Gewand einer vermeintlichen Kinderserie (immerhin sind freundlich aussehende, vermenschlichte Dinos die Hauptfiguren) beißende Satire zu betreiben. Immer wieder werden gesellschaftsrelevante Themen mit viel Witz angepackt und augenzwinkernd behandelt – von Gleichberechtigung und kirchlichen Traditionen über Drogensucht bis hin zur Kinderstars zermürbenden Medienmaschinerie.
Anders als heutzutage etwa «South Park» oder «Family Guy» ist diese mittels aufwändiger Animatronic-Techniken umgesetzte Comedyserie aber noch immer familientauglich. Der Witz ist trotzdem profund: Wo moderne Erwachsenentrickserien rüpeln und schockieren, geht «Die Dinos» den etwas weniger lauten, subversiven, fast schon genüsslich-listigen Weg. Und ist daher wie dafür geschaffen, immer und immer wieder gesehen zu werden. Als ich noch in den Kinderschuhen steckte, habe ich die Serie aufgrund der sympathischen Figuren, ihren lustigen Erkennungssprüchen („Bin da, wer noch?!“, „Nicht die Mama!“) und vereinzelten Parodien gemocht, die ich schon damals begriff. Als Jugendlicher bemerkte ich verstärkt, dass im Saurierhaushalt Sinclair öfters auch über Dinge gestritten wird, die Analogien zu Sex, Außenpolitik oder Arbeitsrecht stehen. Und als Erwachsener bewundere ich das handwerkliche Können der Autoren, eine ganz eigene Serienwelt zu erschaffen, immer wieder Popkulturreferenzen einzustreuen ohne den Seth-MacFarlane-Holzhammer auszupacken und gleichzeitig wichtige Themen anzupacken.
Das Beste: Diese fantasievolle, nie alt werdende, saurierstarke Serie erscheint in Deutschland endlich komplett auf DVD. Das Label Capelight Pictures machte sich sogar die Mühe, die von den hiesigen Fans bevorzugten ARD-Bildmaster zu entstauben, die liebevoll lokalisierte Texteinblendungen beinhalten. Außerdem ist das deutsche Gesamtset um eine Disc stärker als die US-Version, um die Datenrate zu erhöhen. Zwar gibt es gerade bei den ersten Episoden noch immer auffälliges Bildrauschen, doch die Veröffentlichung holt das Beste aus dem Ausgangsmaterial heraus (HD-Master existieren für «Die Dinos» nicht). Zudem packt Capelight die Serie in der Produktionsreihenfolge aufs Set, während die Folgen auf den US-Boxen wild durcheinander gewirbelt sind.
Eigentlich hat mein Fanherz nun also alles, was es begehrt. Dank des Trubels rund um den DVD-Start wird endlich wieder verstärkt über «Die Dinos» gesprochen. Mir fehlt bloß noch eins: Ein Kinofilm. Der war laut eines 1993 veröffentlichten Artikels im Magazin 'The New Yorker' einst geplant, wurde aber rasch auf Eis gelegt – und ist damit wohl für immer gestorben. Klar, wir reden von einem Disney-Projekt, und im Hause Disney weiß man nie. Gute Güte, aktuell wird sogar ein Remake von «Rocketeer» geplant. Trotzdem sehe ich beim «Die Dinos»-Film zappenduster. Was soll's, beruhige ich mein Dinosaurier-Fieber kommendes Jahr halt mit «Jurassic World»:
Gut, dieser sehr knappe Teaser sagt kaum etwas aus. Dennoch: Da brat' mir doch einer ein Mastodon, ich fühle mich wie in die 90er zurückversetzt. Im Kino staunen demnächst wieder viele, viele Menschen über gute Echseneffekte. Sicherlich berechtigt. Aber auf meinem Fernseher sorgen erst einmal in Dauerrotation «Die Dinos» mit ihrer unvergesslichen Chuzpe für megalosaurusgroße Lachattacken.