Der Brite John Oliver, ein Englishman in America, moderiert seit April eine der «Daily Show» ähnliche Satiresendung bei HBO.
Das amerikanische Fernsehen kennt zahlreiche Sendungen und Moderatoren, die, mal bissig, mal zynisch, mal mit ehrlichem, journalistischem Antrieb hart mit den Mächtigen ins Gericht gehen. Jon Stewart ist das wohl bekannteste Beispiel, seine «Daily Show» bei Comedy Central hat ihn zur lebenden Satirikerlegende gemacht, während sein Kollege Stephen Colbert in seiner On-Screen-Persona das Klischee des erzkonservativen Republikaners – reale Vorbilder sind Rush Limbaugh und Bill O’Reilly – persifliert.
Seit April gesellt sich zu dieser Riege ein weiterer erstklassiger Anchorman-/Satiristen-Verschnitt: John Oliver ist Zuschauern der «Daily Show» seit vielen Jahren ein Begriff. Im Frühjahr bekam er bei HBO sein eigenes Format namens «Last Week Tonight».
Wo zwei so prägnante Persönlichkeiten (oder Figuren) wie Jon Stewart und Stephen Colbert seit Jahren ein Segment bespielen, fällt es schwer, einer neuen Sendung, bzw. einem neuen Protagonisten rasch ein Alleinstellungsmerkmal zu verleihen. An Oliver und seiner Show lassen sich gleich mehrere ausmachen: seine
Quirkiness, die im Widerspruch zur Kunstfigur Colbert steht und anders gelagert ist als die Medienpersiflage von Stewart. Die halbstündige unterbrechungsfreie Dramaturgie, bei der andere Wege als Werbepausen gefunden werden müssen, um die Monologe des Hosts aufzubrechen. Die vielen (wenn auch inhaltlich verwurzelten)
Nonsens-Elemente, die auch Stewarts kuriosere Beiträge an Wahnsinnsgehalt übertreffen.
Doch jenseits dessen widmet sich Oliver auch sehr heißen Eisen, gesellschaftlichen Kontroversen und stark umstrittenen politischen Entscheidungen.
Die Todesstrafe,
Gewalt im Knast,
Skandale um die amerikanischen Atomwaffen,
Skurriles aus den Parlamenten der Bundesstaaten und
das gerade noch abgewendete Schisma des Vereinigten Königreichs sind gleichberechtigte Themen in «Last Week Tonight».
Das größte Alleinstellungsmerkmal der Sendung dürfte John Olivers Blickwinkel sein, der seiner Herkunft geschuldet ist. Wie unschwer zu hören ist, ist der Moderator in England geboren und aufgewachsen. 2006 zog er nach New York, um an Jon Stewarts «Daily Show» zu arbeiten.
Das soll nicht heißen, dass Olivers Blick auf die amerikanische Politik und Gesellschaft, ein zentrales Element seiner Sendung, ein dezidiert britischer und nicht-amerikanischer Blick ist. Doch als jemand, der Amerika erst später aus nächster Nähe erlebt hat, wird sein Point of View vielleicht manche Verschiedenheiten zu dem seiner in den Vereinigten Staaten geborenen und sozialisierten Kollegen haben. Am besten erklärt die Kuriositäten und Widersinnigkeiten des politischen Systems des eigenen Landes derjenige, der sie anders erlebt und später kennengelernt hat, als jemand, der nie einen anderen Bezugspunkt kannte. Vielleicht macht, neben John Olivers zweifellos riesigem komödiantischem Talent, gerade das den Reiz seiner Sendung aus.
Eine ähnlich gelagerte Außenperspektive täte dem deutschen Fernsehen wohl auch ganz gut. Jemand Vorschläge?