Im Rahmen der Themenwoche Toleranz strahlt das Erste einen Film aus, der munter an der gesellschaftlichen Realität vorbeisendet.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Christiane Hörbiger («Schtonk!») als Maria Nikolai, Samy Abdel Fattah als Bero, Marie-Lou Sellem («Exit Marrakech») als Susanne Howacht, Karin Neuhäuser als Brigitte König, Merab Ninidse («Invasion») als Zano, Albert Kitzl als Silvano, Zino Gleich als Rudko
Hinter den Kulissen:
Regie: Matthias Tiefenbacher, Buch: Thorsten Näter, Musik: Stefan Hansen, Kamera: Klaus Merkel, Schnitt: Dagmar Pohle, Produktion: Aspekt Telefilm
Wir befinden uns nicht in einem ghettoisierten Land. Und falls man den Alptraum-Szenarien gewisser gesellschaftlicher Gruppen keinen Glauben schenken muss, so wird sich das auch nicht allzu bald ändern. Schaut man sich den Fernsehfilm «Bis zum Ende der Welt» im Ersten an, so dürfte man aber genau das vermuten. Die Produktion wird im Rahmen der ARD-Themenwoche Toleranz gezeigt und erzählt die Geschichte der Witwe Maria Nikolai (Christiane Hörbiger). Ihr Hamburger Wohnviertel wird zunehmend von Menschen bewohnt, mit denen sie nichts zu tun haben will. Im Kern handelt es sich um eine Roma-Familie, die ganz in ihre Nähe gezogen ist. Mit ihren substanzlosen Beschwerden trifft sie bei Polizeihauptkommissarin Susanne Howacht (Marie-Lou Sellem) allerdings auf taube Ohren – denn sie ist selbst eine Roma.
Als Maria Nikolai eines Tages nach dem Einkaufen von einem Roma-Jungen verfolgt wird, bricht bei ihr zunächst Panik aus. Doch der Junge bleibt hartnäckig. Schließlich muss die ältere Dame erkennen, dass er ihr eigentlich nur das Portemonnaie zurückgeben wollte, das sie verloren hat. Wenige Tage später findet ein fremdenfeindlich motivierter Überfall auf das Haus statt – und Maria Nikolai gewährt eben jenem Roma-Jungen, der auf den Namen Bero hört, kurzfristig Unterschlupf. Gegen das aufkommende Gefühl der Sympathie wehrt sich die Dame dann zunächst, nur um wenige Minuten später eine emotionale Kehrtwende zu machen. Ganz unvermittelt ist sie die größte Freundin aller fremdländischen Mitbürger. Das wirkt nicht nur unglaubwürdig, sondern hilft nicht einmal der Handlung besonders weiter.
Da sich aber nun plötzlich eine Sympathie für Bero entwickelt hat, was läge da näher, als ihm Unterricht im Akkordeon-Spielen zu geben? Klingt unglaubwürdig? Genau das passiert aber. Doch nicht nur das: Die eigentlich in ihren Strukturen festgefahrene Frau, beginnt sogar noch einmal andere Dinge einzukaufen und backt regelmäßig Kuchen für Bero. Eine wahrlich packende Handlung.
Ganz so eindimensional wie man nun glauben könnte, ist die Story jedoch nicht: Eine unglaubwürdige Ebene, die der Erklärung dienen soll, haben die Autoren der Story noch gegönnt: Maria Nikolai ist Witwe eines Musikers und war selbst musikalisch aktiv. Ihre Familie stammt selbst aus Russland und hat ihrerseits Diskriminierung erfahren. Diese Handlungsebene mag die weitere Story zumindest halbwegs plausibel erscheinen lassen, zieht aber zeitgleich alles vorher Gewesene in Zweifel.
Es lässt sich nicht sagen, dass im Film keinerlei Spannungsmomente aufkommen: In Einzelfällen sind diese durchaus vorhanden. Ein in einigen Szenen wirklich gelungener Schnitt unterstützt dies zusätzlich. Die Stimmung wird aber auch in diesen Momenten zumeist durch eine kitschige Musikwahl gestört. Vermutlich sollte sie an vielen Stellen als Kontrapunkt dienen oder die Unterschiede zwischen Charakteren untermauern. Diese Wirkung erzielt sie aber schlicht und ergreifend nicht. Dass das internationale Roma-Fest zum Ende des Films mehr aussieht wie ein Dorffest als eine Großveranstaltung ist an dieser Stelle nur noch dumpfe Randnotiz. Der Zuschauer – so er bis zum Ende durchgehalten hat – fragt sich, ob es das nun wirklich gewesen sein soll. Ja, das war es.
Alles in allem macht sich der Film Vieles zu einfach: Die Botschaft ist zu billig, die Geschichte viel zu undifferenziert. Es mag möglicherweise Fälle geben, in denen es so abläuft, definitiv aber gibt es zu viele Fälle von ungerechtfertigtem Rassismus. Klar ist in jedem Fall, dass eine so einseitige und klischeebeladene Auseinandersetzung mit dem Thema Fremdenfeindlichkeit in keinster Weise dazu beiträgt, Konflikte zu lösen oder Menschen zur sinnvollen Auseinandersetzung mit komplexen gesellschaftlichen Problemen zu bewegen.
„Anders als Du denkst“ lautet das Motto der ARD-Themenwoche Toleranz. Denkt man in Klischees, dann ist «Bis zum Ende der Welt» aber leider kein bisschen anders, als man ihn erwarten würde. Gut möglich, dass der Film nicht gerade dazu beiträgt, die Kritik an der Themenwoche abschwellen zu lassen, eher im Gegenteil. Für etwas, das – wie eine Themenwoche – Leuchtturm im ARD-Programm sein sollte, ist diesmal so einiges daneben gegangen. Ein Fazit, das für diesen Film wie für die gesamten sieben Tage gleichermaßen gezogen werden muss. Eigentlich müsste hier auch bei den Senderverantwortlichen jede Faser widerstreben. Beim Zuschauer tut sie das jedenfalls.
«Bis zum Ende der Welt» ist im Rahmen der ARD-Themenwoche Toleranz am Montag, 17.November um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.