Die erste Ausgabe des Show-Klassikers ohne Jürgen von der Lippe war solide Unterhaltung und präsentierte sich an einigen Stellen weitaus zeitgemäßer als vor Wochenfrist. An den Charme und das Gespür für besondere TV-Momente des Entertainers kam Simon Beeck aber nicht heran.
Infos zu Simon Beeck
- 34-jähriger Moderator aus Görlitz
- Seit 2002 vornehmlich auf den Radiosendern 1LIVE und Bremen Vier aktiv
- Moderierte im Hörfunk schon mit Jan Böhmermann, Joko Winterscheidt und Linda Zervakis
- Seit 2012 auch im TV aktiv (ZDFneo-Format «Kampfansage» belegte Platz 2 im TV Lab, Präsentation der Preisverleihung «1LIVE Krone» mit Jeannine Michaelsen)
Groß war das Interesse, als der Westdeutsche Rundfunk vor einer Woche erstmals nach 13 Jahren wieder eine neue Folge der kultigen Gameshow
«Geld oder Liebe» ausstrahlte: In direkter Konkurrenz zum DFB-Pokalspiel des FC Bayern München erreichte das knapp zweistündige Promi-Special
mehr als anderthalb Millionen Zuschauer und fantastische 4,8 Prozent Marktanteil. Ob Fans des Formats nur noch einmal die vielleicht letzte Gelegenheit wahrnehmen wollten, Jürgen von der Lippe als Moderator der Show zu sehen, oder das Konzept auch im Jahr 2014 noch immer ausreichend Zugkraft für einen langfristigen Quotenerfolg besitzt, wird sich ab dieser Woche zeigen. Simon Beeck war der erste von drei Moderatoren, die sich der Aufgabe stellen, vorerst einmalig in die Fußstapfen des beliebtesten Hawaiihemden-Trägers der Nation zu treten. Schlecht machte er seine Sache dabei nicht, doch für die große Liebesheirat mit Format und Publikum mangelte es ihm noch an Reife.
Welch große Hürde der bislang vornehmlich im Radio aktive Moderator hier zu nehmen hat, offenbart sich dem Publikum bereits bei der Begrüßungsmoderation. Stand von der Lippe in väterlicher Gelassenheit und Rührung vor seinem Publikum, sucht Beeck erst einmal sein Heil in einstudierten Gags, die er leicht zappelig und unbeholfen vorträgt, um die Menschen im Saal, aber wohl vor allem sich selbst, zu entkrampfen. Das Tempo seiner Moderation ist wesentlich höher - und damit vielleicht auch ein Stück weit zeitgemäßer als das seines Vorbilds -, allerdings auch deutlich beliebiger und vergänglicher. Nahm sich von der Lippe noch eine Viertelstunde Zeit für seinen Stand-Up-Part und die Vorstellung der Kandidaten, fällt dieser nun mit rund zehn Minuten deutlich kompakter aus. Fast die Hälfte dieser Zeit geht dann auch noch für die durchaus flott und kurzweilig aufgemachten Einspielfilmchen der Kandidaten drauf, die beim Promi-Special aus nachvollziehbaren Gründen fehlten.
Der übrige Show-Verlauf ähnelt jenem der vergangenen Woche stark - und dürfte somit auch diverse Erinnerungen an das Original-Format wecken. Beim Finalspiel nähert man sich sogar wieder stärker der damaligen Ausrichtung an, da die Kandidaten nun tatsächlich wieder zwischen "Geld" oder "Liebe" wählen können und in erster Linie darum spielen, das eigene Bankkonto durch diverse Rate- und Actionspiele (mitsamt des kultigen Finalspiels) zu füllen. Die Kandidaten unterscheiden sich in ihrem Verhalten und bezüglich ihrer Telegenität jedoch weniger stark von den Prominenten, als man im Vorfeld gedacht und vielleicht auch gehofft hatte. Sie sind schlagfertige Medien-Halbprofis, die zu jedem Zeitpunkt einen spontanen Spruch auf Lager haben, sich vor der Kamera so verhalten, wie man es von einem maßgeschneiderten TV-Menschen erwartet - und damit zu konturlos und glatt wirken, als dass man die ganz großen Sympahien aufbauen könnte.
Auch Beeck merkt man sein Streben nach Perfektion häufig an, sodass teilweise das Gefühl entsteht, er legt hier gerade seine Abschlusspräsentation im Entertainer-Nachwuchsseminar hin. Ein bisschen schlagfertig, immer locker und humorvoll, allerdings auch strikt ans Skript gebunden und ohne das ganz eigene Profil, so erlebt man den vielleicht auch für das Format noch etwas zu jungen Mann in den gesamten 90 Minuten der Aufzeichnung. Besonders auffällig sind seine Versuche, sich immer wieder durch Frotzeleien und kleine, aber oftmals eben auch sehr vorhersehbare und einstudiert wirkende Gags in Szene zu setzen. Viele davon verpuffen, einige gehen auf, hin und wieder merkt man sogar an seinem Timing, welch ein Talent in ihm schlummert. Doch inmitten seiner Nervosität und seiner latenten verbalen Aufdringlichkeit gelingt es ihm noch zu selten, Duftmarken zu setzen.
Ein ganz großer Unterschied zur Folge der vergangenen Woche ist auch das Grundtempo, das durch die jeweiligen Moderatoren maßgeblich beeinflusst wird. Hatte sich von der Lippe gerne Zeit für ausschweifende Monologe und subtile Zitate gelassen, agiert Beeck eher nach dem Credo, bloß nie den Anschein eines Leerlaufs zu erwecken. Die wunderbar charmante und anachronistisch wirkende Entschleunigung der Vorwoche wird nun wieder mit der Dampfwalze plattgedrückt - zugunsten eines kurzweiligeren, aber auch austauschbareren und "kälter" wirkenden Seherlebnisses. Das ist Beeck gar nicht vorzuwerfen, da er zu einer anderen Moderatoren-Generation gehört, denen andere Idealbilder ihrer Tätigkeit an die Hand gegeben wird. Doch es fällt umso stärker auf, da von der Lippes Ausgabe nur wenige Tage her ist.
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Überhaupt kann man sich die Frage stellen, ob es so glücklich ist, die neuen Gesichter unmittelbar im Anschluss an den Moderator ans Werk zu lassen, dessen Baby «Geld oder Liebe» ist. So kommt man kaum daran vorbei, direkte Vergleiche zu ziehen - was ansonsten wohl nur bei einer recht überschaubaren Zahl an Gameshow-Nostalgikern der Fall gewesen wäre. Alles in allem kann man Simon Beeck aber ein solides moderatives Führungszeugnis ausstellen, der Show als Gesamtwerk sogar ein gutes. Denn unterhaltsam ist sie dank des abwechslungsreichen Spielprinzips noch immer. Ob es Christine Henning und Lutz van der Horst gelingen wird, aus dieser Basis heraus einen einmaligen und denkwürdigen Mittwochabend zu kreieren, wird sich in den kommenden beiden Wochen zeigen. Diesem - zugegebenermaßen exorbitant hohen - Anspruch wurde die erste Folge ohne Jürgen von der Lippe jedenfalls noch nicht gerecht.
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