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Mal ganz ironiefrei

Geht deutsche Comedy auch ohne Ironie, mit Wärme und Geborgenheit?

Der einzige jüdische Comedian Deutschlands Oliver Polak hat gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ viel Interessantes gesagt. Unter anderem auch über deutsche Comedy: „Denken Sie an das Fernsehen der letzten Jahre. Harald Schmidt kann nur Ironie. Da ist kein warmer Gedanke, er strahlt nur Stärke und Souveränität aus. Der war bis zuletzt eiskalt. […] Schauen Sie sich mal alte Sendungen an: Peter Alexander, Hans-Joachim Kulenkampff oder Hans Rosenthal waren witzig und großartige Unterhalter. Und sie gaben den Zuschauern manchmal auch das Gefühl, in den Arm genommen zu werden. Rudi Carrell war auch ironisch - er konnte das besser als Schmidt - aber er war gleichzeitig heimelig, er war gemütlich.“

Trifft diese Beobachtung tatsächlich zu? Die deutsche Comedy-Szene – ein Hort der kalten Ironiemaschinen?

Je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr ist man geneigt, zuzustimmen. Ja, Schmidt war kalt. Das war vielleicht ein Teil seines Reizes und schmälert seine Leistungen als deutscher Late-Night-Gott nicht, seine Sendungen waren zu seinen besten Zeiten Glanzstücke, daran ist nicht zu rütteln. Aber kühl und distanziert ist er immer gewesen.

Genauso wie der Stern am Himmel der Late-Night-3.0-Jünger Jan Böhmermann, dessen öffentliche Persona fast schon ein Perpetuum Mobile der Ironie ist, ein Mann, der ein Geschäftsmodell daraus gemacht hat, sich von sich selbst zu distanzieren, dessen Markenzeichen die Haltungslosigkeit ist und der im Fernsehen nur Wärme vermitteln würde, um sie unmittelbar anschließend als Kälte zu enttarnen. Nein, Kulenkampff’sche Geborgenheit findet da niemand. Würde man sie bei ihm ernsthaft suchen, man wäre für’s Leben gezeichnet.

In Übersee scheint es da anders zuzugehen. Neben den Colberts und Stewarts gibt es da Leute wie David Letterman, die auch abseits der permanenten Ironisierung funktionieren. Oder jemanden wie Neil Patrick Harris, der aus jeder Preisverleihung eine riesengroße Nummer macht – gerne ironisch, gerne mit einem Stachel, aber auch mit Wärme und showiger Grenzenlosigkeit, die ohne permanente Konterkarierung auskommt.

Wer macht das hierzulande schon?

Hape Kerkeling vielleicht. Aber der zählt ja schon zur alten Schule, samt ständigen Rücktrittsankündigungen. Die Jackass-Generation in Gestalt von Joko, Klaas, Oliver Schulz und Jan Böhmermann geht einen anderen Weg. Das soll sie auch – nur fehlt einem bei ihnen doch ein bisschen die Geborgenheit.

Ist das jetzt schon kitschig?
17.10.2014 13:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/73864
Julian Miller

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360 Grad

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