Reicht Zach Braffs zweite Kino-Regiearbeit an sein grandioses Debüt «Garden State» heran?
Hinter den Kulissen
- Regie: Zach Braff
- Produktion: Stacey Sher, Michael Shamberg, Zach Braff und Adam Braff
- Drehbuch: Zach Braff & Adam Braff
- Musik: Rob Simonsen
- Kamera: Lawrence Sher
- Schnitt: Myron Kerstein
Es lasten hohe Erwartungen auf Zach Braffs melancholischer Komödie «Wish I Was Here». Und das, obwohl der «Scrubs»-Hauptdarsteller mit ihr erst seine zweite Kino-Regiearbeit präsentiert. Einer der Gründe für die ausufernden Hoffnungen, die auf den Schultern dieser sechs Millionen Dollar teuren Produktion ruhen, ist die lang nachhallende Wirkung, die Braffs Debüt «Garden State» auf zahllose Filmliebhaber hatte. Der tragikomische Blick auf das Leben eines apathischen Mittzwanzigers, der seinen Platz im Leben sucht, traf bei einem Großteil seiner Zuschauer genau den richtigen Nerv und gilt daher mittlerweile als Klassiker des Coming-of-Age-Genres. Entsprechend verwundert waren die «Garden State»-Fans, dass Braff in den Jahren danach trotz vereinzelter Ankündigungen kein Nachfolgeprojekt umsetzte.
Die Antwort erhielten sämtliche Interessenten am 24. April 2013, also rund neun Jahre nach der Premiere der letzten filmischen Regieleistung Braffs. In einem Video rief er seine Fans dazu auf, seinen nächsten Film via Schwarmfinanzierung mitzufinanzieren, da Braff keine Kompromisse mit Produzenten eingehen möchte und ihm diese Einstellung vor der Crowdfunding-Schwemme die Verwirklichung seiner Ideen erschwerte. Innerhalb weniger Tage erreichte Braffs Kampagne ihr Ziel, was ihr auch viel Presserummel einbrachte: Ihr rascher Erfolg fand ebenso Achtung wie Kritik, aber in jedem Fall sorgte sie für weiteres Aufsehen. Generell kommt jedem Filmprojekt Aufmerksamkeit zugute, erst recht kleineren Werken, die im Buhlen um Kinobesucher nicht mit der Werbekraft der großen Hollywoodblockbuster mithalten können. Im Fall von «Wish I Was Here» steht der durch diese mediale Berichterstattung entstandene Erwartungsdruck dem fertigen Film aber eher schlecht als recht zu Gesicht. Denn Braffs warmherzige Regiearbeit überzeugt vielleicht als Indie-Geheimtipp, aber als eines der größten Kickstarter-Projekte und indirekter «Garden State»-Nachfolger hat sie eine zu schwere Last zu stemmen.
So krankt der Beginn von Zach Braffs zweiter Tragikomödie an dem Problem, das auch Judd Apatows jüngere Projekte plagt. Sowohl «Garden State» als auch die frühen Werke des «Beim ersten Mal»-Regisseurs erzählen in dezent überzeichnet-skurriler Form von Figuren mit hohem Identifikationsgrad. Denn Braff wie auch Apatow verarbeiteten darin auf kreative Weise eigene Erfahrungen und Emotionen aus ihrer Zeit vor dem großen Karrieredurchbruch.
Ihrer Linie „Schreibe und inszeniere, was du kennst“ bleiben sie in den neuen Filmen treu, allerdings geht der Bezug zum Kernpublikum verloren, ohne dass sich etwas an der „Ihr kennt das doch auch?“-Mentalität ihrer Erzählform ändert.
Also verlangt Braff im ersten «Wish I Was Here»-Akt von seinen Zuschauern, ohne Weiteres in Mitleid für die von ihm gespielte Hauptfigur Aidan Bloom zu versinken. Diese lebt mit ihrer ebenso intelligenten wie durchsetzungsfähigen und attraktiven Gattin Sarah (Kate Hudson) in einem geräumigen Haus in einem ansehnlichen Viertel von Los Angeles. Ja, der heimische Pool ist eine Ruine, aber was kann man schon erwarten, wenn Sarah ganz allein die Rechnungen bezahlen muss, weil Aidan verbissen an seinem Traumjob als Schauspieler festhält, obwohl er seit Jahren keine Rolle mehr ergatterte? Für die Privatschule ihrer Kinder Grace (Joey King) und Tucker (Pierce Gagnon) reicht das Geld der Blooms trotzdem gerade noch – zumindest dank der Hilfe, die Aidan durch seinen stets kritischen Vater Gabe (Mandy Patinkin) erhält. Dieser beichtet Aidan jedoch eines Tages, dass er das Geld künftig für seine eigene Gesundheitsvorsorge braucht – und schon sieht sich der Mittdreißiger gezwungen, eine Möglichkeit zu finden, seine Kinder zu unterrichten. Zugleich wird Sarahs Kritik bezüglich Aidans chronischer Arbeitslosigkeit immer lauter. Muss er etwa seine Schauspielambitionen aufgeben?
Eingangs spricht Regisseur, Produzent, Co-Autor und Hauptdarsteller Zach Braff seinem Protagonisten schlicht zu viel Grundsympathie zu, geht von einem absurd hohen Verständnis für seine Lage aus. Aidans Dilemma wird durch seine (teils inneren) Monologe und die Art, wie Braff die Dialoge zwischen seinem Helden und dessen Umfeld in Szene setzt, als unverdient und unerträglich skizziert. Aidans Traum müsse ja wohl nachvollziehbar sein, und niemals werden die wiederholt als immens bezeichneten Geldsorgen hinterfragt. Die Option eines kleineren Häuschens außerhalb der Stadt scheint ebenso non-existent wie jegliches Argument dafür, dass Aidan wenigstens kurzzeitig einen sicheren Job annimmt.
Bei alldem wird Aidan Bloom keinesfalls zum Unsympathen – Braff spielt und schreibt ihn als großes Kind, dass sich schlichtweg dem Ernst der Lage nicht bewusst ist und dem einfach die Augen geöffnet werden müssen. Umso bedauerlicher sind die Scheuklappen, die Braffs Drehbuch aufsetzt um die Relationen auszublenden, in denen Aidans Probleme mit ärgeren Zwickmühlen stehen.
Sobald sich Aidan, von seinen Liebsten gedrängt, damit beschäftigt, sowohl seine eigene Misere zu lösen als auch die Sorgen seiner Familie zu behandeln, zieht «Wish I Was Here» an. Zwar wird Aidans Lebensstandard weiterhin arg selbstverständlich genommen, trotzdem legt Braffs Performance ab dem zweiten Filmdrittel an Dimensionalität zu. Mehr noch gewinnt der Mix aus Komödie und Drama wohlgemerkt durch die Performances dreier Co-Stars des inszenierenden Hauptdarstellers: Mandy Patinkin, Joey King und Kate Hudson. Patinkin bringt als todkranker, weiterhin an seiner grantigen Schale festhaltender (Groß-)Vater eine schroffe Herzlichkeit mit, die «Wish I Was Here» trotz oberflächlicher Lebenslektionen authentische Emotionen entlockt. Schauspielnachwuchs Joey King («White House Down») besticht unterdessen als atypischer Teenie, der konservative religiöse Ansichten hat und zugleich einen flippigen, optimistischen Charakter aufweist. Der Subplot über Kings spaßige, glaubwürdige Figur nimmt sich der Frage, wie Gottesglauben auf einen auswirkt, feinfühlig an. Und auch wenn sich das Drehbuch darum drückt, diesem Thema ausgiebig Raum zu geben, sorgt King für einige der denkwürdigsten Sequenzen des Films. Kate Hudson schlussendlich macht mit großem Engagement viel aus ihrer geringen Leinwandzeit, so dass sie als Aidans unabhängige, aufgeweckte bessere Hälfte ihre beste Darbietung seit mindestens zehn Jahren abgibt.
Ein Nebenstrang über Aidans faulen, nerdigen Bruder (Josh Gad) und dessen Angebetete (Ashley Greene) mag sich derweil nur bemüht in die restliche Narrative fügen, dafür sorgt er für einen amüsanten Schuss schrulligen Humors, wie er bei Braffs Projekten einfach dazugehört. Wenig überraschend fällt auch der Soundtrack bestechend aus und reiht einen Indie-Ohrwurm an den nächsten. Schade nur, dass selbst die inhaltlich wichtigsten, gefühlvoll inszenierten Augenblicke in «Wish I Was Here» neben all den von Braff dargebotenen lieblichen, jedoch unbedeutenden Anekdoten an Biss verlieren.
Fazit: Locker-flockig erzählt und dennoch forciert: «Wish I Was Here» möchte die authentische Gefühlswelt von «Garden State» wiederholen und nimmt sich dadurch selbst zu wichtig. Freunde melancholischer Komödien werden dank der Darsteller und Braffs' Händchen fürs Audiovisuelle trotzdem an weiten Strecken des Films Freude haben.
«Wish I Was Here» ist in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.