Der neue «Tatort» aus Konstanz ist trotz aller unnötigen Verkomplizierungen ziemlich einfach gestrickt - und grobschlächtig noch dazu.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Eva Mattes als Klara Blum
Sebastian Bezzel als Kai Perlmann
Justine Hauer als Annika Beck
Roland Koch als Matteo Lüthi
Isabelle Barth als Eva Glocker
Benedict Freitag als Reto Wieler
Elisabeth Niederer als Martha Wieler
Hinter der Kamera:
Produktion: Maran Film, SRF, SWR
Drehbuch: Jochen Greve
Regie: Patrick Winczewski
Kamera: Conny JanssenEs geht ein wenig verworren zu, im Konstanzer „Winternebel“: In der Eröffnung erschießt Matteo Lüthi, Klara Blums Kollege von jenseits der Schweizer Grenze, einen Typen, der vor ihm flieht. Aus Notwehr, sagt er später, als die baden-württembergischen Kollegen am Tatort eingetroffen sind. Er habe den Toten, Schmeisser sein Name, aus einem früheren Fall gekannt. Schmeisser soll vor einiger Zeit einen Dreieinhalbjährigen entführt und umgebracht haben, sei nun in eine Verkehrskontrolle von Lüthi gekommen, habe Panik bekommen und zu fliehen versucht. Im Verlauf der Flucht habe Schmeisser das Feuer auf Lüthi eröffnet und Lüthi habe ihn daraufhin erschossen. Ob diese Darstellung stimmt, bleibt dem Zuschauer noch verborgen. Die entscheidenden Szenen lässt die Eröffnung aus.
Dagegen spricht, dass am Tatort jegliche Spur von einer zweiten Waffe fehlt. Noch dazu hat Schmeisser keinerlei Schmauchspuren an den Händen. Aber Blum glaubt ihrem Schweizer Kollegen. Sonntagabends im Ersten klingt das so: „Glauben Sie, ich habe den einfach so kaltblütig umgelegt?“ – „Nein, glaub‘ ich nicht.“ Dann hätten wir das ja geklärt, um anschließend zeigen zu können, wie Blum nonchalant mit dem Polizisten, der gerade unter Verdacht steht, jemanden kaltblütig umgelegt zu haben, auf Mörderjagd geht, ein paar Bierchen an der Wurstbude inklusive. Wenn es menscheln soll, setzt bei der ARD schon mal jeder Anspruch an Glaubwürdigkeit aus.
Unterdessen ist eine zweite Leiche aufgetaucht. Die liegt im Verantwortungsbereich von Blums Kollegen Kai Perlmann: Sein Toter heißt Markus Söckle und hat als Maschinist auf einer Bodenseefähre gearbeitet. Kurz vor seinem Ableben wurde er mit einer jungen Frau gesehen, die seither spurlos verschwunden ist. Die Vermisste ist die Tochter eines steinreichen und (wie es aussieht) nicht minder umstrittenen Bauunternehmers, gegen den sogar sein eigenes Kind schon mal demonstriert hat. Gegenüber Perlmann und Blum machen die Eltern dicht: Ihrer Tochter gehe es gut, sie sei in Australien nur gerade schwer zu erreichen. In Wirklichkeit stehen sie aber mit den Entführern in Kontakt – und die fordern immer mehr Geld.
Die Szenen, in denen besagte Eltern ihre emotionale Achterbahnfahrt durchmachen, sind die grässlichsten dieses «Tatorts». „Du hast sie nie geliebt“, brüllt die Mutter den Vater an und drischt wie von Sinnen auf ihn ein, in der schicken, aber betont seelenlos eingerichteten Villa mit dem Bodenseepanorama im Hintergrund. Ein anderes Mal, als die Nerven wieder mit ihr durchgehen, deckt sie abends den Tisch für drei, obwohl einer der Drei ja gerade in den Händen brandgefährlicher Erpresser ist. Egal, sie könnte ja doch noch auftauchen. Der psychische Kollaps entspinnt sich so, wie sich BaWü-«Tatort»-Autoren das eben so vorstellen. Das ist wenig nahbar, sondern aufgesetzt, wenig ambitioniert, sondern klischeehaft. Als letzte Rettung muss pathetische Theatralik herhalten, die Regisseur Patrick Winczewski bis an die Grenze zur Lächerlichkeit überinszeniert.
„Winternebel“ hat ein, zwei wirklich intensive Momente: Dann, wenn Matteo Lüthi angesoffen davon erzählt, wie das so ist, wenn man einen toten Dreieinhalbjährigen in einer Kiste im Wald findet, zum Beispiel. Auf eineinhalb Stunden gerechnet bleiben die wenigen geglückten Szenen freilich Stückwerk. Der Rest ist skizzenhaft, grobschlächtig, oberflächlich – und ist wahrscheinlich schon bald vom Nebel des Vergessens umhüllt.
Das Erste zeigt «Tatort – Winternebel» am Sonntag, den 5. Oktober um 20.15 Uhr.