«Günther Jauch» war am Sonntag ein Desaster - und zwar ein hausgemachtes. Ein Kommentar.
Überall, wo sie kann, betont die ARD, wie stolz sie auf ihre Informationssendungen ist. Das kann sie auch gerne sein, schließlich hat sie viele erstklassige Formate aus diesem Segment in ihrem Programm.
Das Problem ist, dass die ARD auf ihre Desinformation mindestens genauso stolz ist.
Der Gipfel der öffentlich-rechtlichen Desinformation heißt «Günther Jauch».
Das weiß man nicht erst seit gestern, ist am letzten Sonntag aber so offensichtlich geworden wie selten zuvor.
Thema war „Gewalt im Namen Allahs – Wie denken unsere Muslime?“. Eine verhältnismäßig gute Ausgangsposition, wenn man bedenkt, dass dort auf dem Höhepunkt der Snowden-Enthüllungen auch schon mal über schlechte Straßen diskutiert wurde.
Eingeladen war zur Islam-Diskussion neben CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, dem Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln Heinz Buschkowsky sowie den Journalisten Özlem Gezer und Stephan Buchen auch der Imam Abdul Adhim Kamouss, der unter anderem in der radikalen Al-Nur-Moschee predigt, die der Verfassungsschutz überwacht. Zündstoff war vorhanden – und das scheint der Redaktion bei der Gästeauswahl neben möglichst bekannten Namen seit jeher weit wichtiger zu sein, als wirkliche Experten hinzuzuziehen.
Journalistische Zielsetzung der Sendung ist es, zumindest laut ihrem Chefredakteur Andreas Zaik, „[alle Standpunkte] in ihrer Widersprüchlichkeit zuzulassen“, da es „keine allgemeine Wahrheit“ gebe. Wozu das führt, hat man besonders grässlich schon einmal
in einer Sendung über die Homo-Ehe sehen müssen. Wenn man nun aber einen Typen aus der Al-Nur-Moschee einlädt und ihn als radikalen Salafisten präsentieren will, muss der Schuss fast zwangsläufig nach hinten losgehen.
Es kam wie es kommen musste: Günther Jauch und sein Team haben sich am Sonntag bis auf die Knochen blamiert. Kamouss machte aus der Sendung eine Farce.
Anders als viele Kommentatoren es geschrieben haben, war Kamouss aber kein brillanter Rhetoriker. Er konnte sich bei jedem Versuch Jauchs, ihn zu demaskieren, aus der Schlinge ziehen, weil die Schlinge schlampig gezogen war. Seine Verbindungen zur Al-Nur-Moschee durfte er ohne signifikanten Gegenwind herunterspielen, bei der Frage, ob er ein Salafist sei, so weit ausweichen wie er mochte, und als Jauch endlich eine Smoking Gun zeigte, wie Kamouss predigt, dass Frauen ohne die Erlaubnis ihrer Männer nicht allein das Haus verlassen dürften, konterte der gelungen (!), dass das Videomaterial über zehn Jahre alt sei und er so heute nicht mehr predigen würde. Ein Gesprächspartner, mit dem Anne Will, Maybrit Illner oder Frank Plasberg locker fertig geworden wären.
Doch bei «Günther Jauch» geht es ja gerade nicht darum, penibel nachzuhaken und die Gäste bei dezidierten Thesen oder einem kontroversen bis gefährlichen
Track Record in die Enge zu treiben. Stattdessen sollen die Standpunkte in ihrer Widersprüchlichkeit zugelassen werden. Im Klartext heißt das: Jeder darf sein Sätzchen sagen, artig seine Agenda herunterrattern und dann geht’s zur nächsten Frage. Das ist so gewollt. Dass sich ein radikaler Islam-Prediger dann als Friedensbringer darstellen kann, ist nur konsequent. Jauchs mangelndes Fachwissen und die schlampige Recherche seiner Redaktion, die ihrem Moderator anscheinend keine knallharten Fakten zum Kontern auf die Kärtchen schreiben konnte, tat sein Übriges. Es gehört nicht viel dazu, eine solche auf Konsens ausgelegte Struktur zu untergraben. Dazu muss man kein brillanter Rhetoriker sein. Vor allem wenn der Chefredakteur der Sendung, in der man sitzt, davon ausgeht, dass es keine allgemeingültige Wahrheit gibt, sondern nur „die Wahrheit“ und „die Wahrheit“.
Und darauf sollte die ARD zumindest nicht auch noch stolz sein.