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Die Kino-Kritiker: «Männerhort»

Das überaus erfolgreiche Theaterstück «Männerhort» erzählt von drei Freunden, deren frauenfreiem Domizil der Untergang droht. Ausgerechnet eine Frau hat die Geschichte der Kumpels nun verfilmt.

Filmfacts: «Männerhort»

  • Kinostart: 02. Oktober 2014
  • Genre: Komödie
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 93 Min.
  • Kamera: Bernhard Jasper
  • Musik: Christoph Zirngibl
  • Buch: Rainer Ewerrien, David Ungureit
  • Regie: Franziska Meyer Price
  • Darsteller: Christoph Maria Herbst, Elyas M'Barek, Detlev Buck, Serkan Çetinkaya, Cosma Shiva Hagen, Annabelle Mandeng Dominic Boeer
  • OT: Männerhort (D 2014)
Als die vom Deutsch-Isländer Kristof Magnussen inszenierte Komödie «Männerhort» 2003 am Schauspiel Bonn uraufgeführt wurde, ahnte wohl keiner, was für ein Erfolg das spitzfindig inszenierte Kammerspiel werden würde. Zwei Jahre lang lief das Stück in der ehemaligen Hauptstadt, eh es 2005 umzog und fortan mit neuer Besetzung in der Komödie am Kurfürstendamm Berlin residierte. In den Hauptrollen trumpfte das durchweg ausverkaufte Bühnenstück ab sofort mit den Comedians Bastian Pastewka, Michael Kessler, Christoph Maria Herbst und Jürgen Tonkel auf, die dem Publikum über 200 Mal exklusive Einblicke in eine wenig glamouröse Männerwelt gewährten. Nachdem sich eine große, deutsche Produktionsfirma erfolglos die Filmrechte an «Männerhort» sicherte, man aber schlicht nicht wusste, wie man das Stück von der Bühne auf die Leinwand holen könnte, nahm sich Produzent Uli Aselmann («Die Perlmutterfarbe», «Dreiviertelmond») des Stoffes an, der zu Theaterzeiten schon einmal versucht hatte, an die Rechte zu gelangen. Zusammen mit der preisgekrönten TV-Regisseurin Franziska Meyer Price («Doctor’s Diary») und den beiden Drehbuchautoren Rainer Ewerrin («Götter wie wir») und David Ungureit («Danni Lowinski»), die Magnussens Bühnenfassung auf die Gegebenheiten des Kinos umdichteten, gelingt Aselmann eine herzliche Mischung aus fescher Nummernrevue und liebenswürdigem Ensemblestück.

In einer Welt mit Frauenparkplätzen und Frauenquote gibt es nur noch einen Ort, an dem sich das ehemals starke Geschlecht nach Lust und Laune entfalten darf: den Männerhort! Der Software-Entwickler Eroll (Elyas M’Barek), der Dixi-Klo-Vertreter Lars (Christoph Maria Herbst) und der Berufspilot Helmut (Detlev Buck) haben im zentralen Heizungskeller ihrer Neubausiedlung eine frauenfreie Zone geschaffen, in der die gestressten Ehemänner heimlich Fußball schauen, Pizza essen, Bier trinken und über Frauen lästern, die nur Shopping, Schwätzen, Sex und Kinder im Kopf haben. Doch als der Facility Manager Aykut (Serkan Çetinkaya) die letzte Bastion der Männlichkeit entdeckt und räumen lassen will, droht die Vertreibung aus dem Paradies.

Bereits das gleichnamige Theatervorbild von «Männerhort» machte es vor: Wenngleich die teils recht derbe RomCom besonders zu Beginn bewusst auf die Ausarbeitung von Klischees setzt, ist der Streifen mehr als ein weiteres Austreten gängiger Gender-Pfade. Das beginnt schon bei der Besetzung: Mit Christoph Maria Herbst, Elyas M’Barek sowie Schauspieler und Regisseur Detlev Buck, der aktuell mit der Realisierung seiner «Bibi & Tina»-Fortsetzung beschäftigt ist, greift Filmemacherin Franziska Meyer Price auf ein breit gefächertes Arsenal unterschiedlicher Männertypen zurück. Doch anders als es die Charakterformung zunächst erahnen lässt, unterwandern die Macher, allen voran die Drehbuchautoren, die Erwartungen des Publikums alsbald, wenn sie Schauspieler und Figur vollkommen gegen den Strich zusammenführen.

Der offenkundig als Spießer angelegte Lars entpuppt sich als waschechter Macho, bei dem das Meta-Casting des ehemaligen Büro-Hengstes Bernd Stromberg respektive Christoph Maria Herbst, der die Rolle schon auf der Bühne verkörperte, wie die Faust aufs Auge passt. Der knackig gut gebaute Elyas M’Barek, der nach «Fack ju Göhte» auch in «Männerhort» seinen geshapeten Oberkörper zur Schau stellen darf, ist nicht etwa der Aufreißer vom Dienst, sondern fühlt sich vielmehr von seiner sexsüchtigen Ehefrau belästigt und pocht darauf, dass auch Männer das Recht haben, „Nein!“ zu sagen. Detlev Buck, der vor der Zusage einer der drei Hauptrollen auch den Regieposten angeboten bekam, findet sich in der Haut des schwulen Helmut wieder, der mit seinem Coming Out hadert und die vermeintlich ausschließlich heterosexuelle Männer plagenden Probleme ebenfalls nicht minder zu ertragen hat.

Während sich das Theaterstück ausschließlich im Männerhort selbst abspielt, der in der Bühnenfassung nicht unterhalb einer Neubausiedlung, sondern direkt in den Katakomben des Konsumtempels „Happy Center“ ansässig ist, weitet die Regisseurin Franziska Meyer Price das Setting in ihrer Kinokomödie mit der Begründung, „mehr Schauwert“ bieten zu wollen aus und verzichtet so auf das reizvolle Kammerspielflair des Originals. Gleichzeitig haben die Drehbuchautoren so die Möglichkeit, die Charaktere und deren heimische (Beziehungs-)Probleme ausführlich zu etablieren und durchaus dramatische Fallhöhen zu generieren. So ist «Männerhort» keine bloße Aneinanderreihung sketchartig vorgetragener Pointen (Stichwort: „Tourette, du Fotze!“), sondern bemüht sich sichtlich um ein ebenso ausgewogenes wie innovatives Storytelling, das entgegen so vieler anderer deutschen Tragikomödien-Produktionen nicht nach Schema F funktioniert. Dabei bricht Meyer Price zwar nicht mit gängigen Sehgewohnheiten, diesen zum Trotz weiß ihr schnörkelloses Skript mit Kurzweil und einem kaum vorhersagbaren Verlauf zu gefallen. Da ist es fast schade, dass das Drehbuch an manchen Stellen ein wenig zu gewollt Platz für ausladende Gag-Szenerien machen muss. Immerhin ist es trotz Fehlplatzierung durchaus unterhaltsam, wenn Christoph Maria Herbst im offenen Dixi-Klo durchs Neubauviertel gezogen wird.

Das Hauptaugenmerk liegt ohnehin auf der Dynamik innerhalb des Ensembles. Neben der bereits eingeführten Männerclique überrascht insbesondere der durch seine «Süper Tiger Show» auf Youtube bekannt gewordene Serkan Çetinkaya, der in «Männerhort» in seiner ersten Kino-Hauptrolle zu sehen ist. Wenngleich dem Deutsch-Türken keinerlei Unsicherheit vor der Kamera anzusehen ist, nagt vermutlich der Respekt vor der Leinwand am Timing-Gespür des Komikers. Das macht jedoch nichts: Çetinkaya ist mit seiner unbedarften Spielweise eine echte Bereicherung unter den alteingesessenen Akteuren und erweist sich als wahre Neuentdeckung des komödiantischen Deutschkinos. Unter den Damen sticht allen voran Cosma Shiva Hagen hervor. Die auch als Synchronsprecherin («Die Biene Maja – Der Film») tätige Tochter von Rockröhre Nina Hagen vermischt in ihrem Mimen des waschechten Frauenklischees die shoppingsüchtige Diva mit der erfolglosen Schauspielerin, die mit einer frühzeitigen Midlife-Crisis zu kämpfen hat und emotional von ihrem Ehemann Eroll mehr als abhängig ist. Wenngleich Hagen durchgehend an der Grenze zum mehr nervigen denn amüsanten Overacting agiert, funktioniert ihre Figurenzeichnung im Kontext zur Handlung: Sie verkörpert schlussendlich den Albtraum aller Männerhort-Bewohner und kommt dabei nicht bloß mit typischen Frauen-Problemen daher, sondern legt zeitweise auch ein äußerst männliches Verhalten an den Tag.

Ohnehin konzentriert sich «Männerhort» nicht bloß auf die abgestandene Frage, wie ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mann und Frau funktioniert. Zwar greifen die Macher immer wieder bewusst auf vermeintliche Stereotypen zurück und kreieren dadurch herzerfrischende Lacher. Vor allem die Veranschaulichung des Internetshoppingwahns, inklusive Retourenversand, ist überaus amüsant anzuschauen. Doch die Regisseurin verlässt sich nie auf Mario-Barth-Grundsätze der Marke „Auch wenn Frauen uns Männer nerven: Nur mit ihnen ist es wirklich schön!“. Je länger sich Franziska Meyer Price sowie das Publikum mit den grundverschiedenen Stolperfallen im Leben der Hauptfiguren beschäftigen, desto individueller sind schlussendlich die Arten, mit denen ein jeder derartigen Konflikten begegnet beziehungsweise begegnen sollte. Somit erweist sich «Männerhort» als sympathischer Appell daran, jeden so leben zu lassen wie er es für richtig hält. Dies ist vielleicht kein allzu originelles Fazit, jedoch ein solches, mit dem man Niemandem auf den Schlips tritt.

«Männerhort» ist ab dem 02. Oktober bundesweit in den Kinos zu sehen.
01.10.2014 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/73445
Antje Wessels

super
schade


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