Der Münsteraner «Tatort» bietet am Sonntag in erster Linie Gewohntes. Das weiß zu gefallen...
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Jan Josef Liefers als Prof. Karl-Friedrich Boerne
Axel Prahl als Frank Thiel
Friederike Kempter als Nadeshda Brennicke
Mechthild Großmann als Wilhelmine Klemm
Christine Urspruch als Silke Haller
Claus Dieter Clausnitzer als Herbert Thiel
Anna Bederke als Frau Dr. Süßmilch
Hinter der Kamera:
Produktion: Filmpool Fiction GmbH
Drehbuch: Dorothee Schön
Regie: Thomas Jauch
Kamera: Rodja Kükenthal
Produzentin: Iris KieferMan musste sich wieder etwas einfallen lassen, um einen Vorwand zu finden, unter dem Kommissar Thiel und Gerichtsmedizinier Boerne erneut gemeinsam ermitteln können. Für Münsteraner Verhältnisse geht es diesmal recht glaubwürdig zu: Der zur Hypochondrie neigende Boerne macht sich Sorgen um seinen Gesundheitszustand, nachdem er bei einer Selbstuntersuchung mit dem Ultraschallgerät Veränderungen an seiner Leber diagnostiziert hat. Der üble Verdacht: Krebs.
Er weist sich daraufhin in die Sanusklinik ein, wo ein alter Freund von ihm eine Biopsie durchführen soll. Der ist aber gerade auf einem Kongress und Boerne muss mit dessen jüngerer Kollegin Dr. Süßmilch vorlieb nehmen. Die lässt sich von ihrem versnobbten Patienten derweil wenig beeindrucken und wird den Eingriff selbst vornehmen. Der sei Routine, sie habe ihn schon oft durchgeführt. „Irgendwann muss es ja mal klappen.“ Boerne wird bei der bloßen Vorstellung schon angst und bange. Noch skeptisch macht ihn sein Zimmergenosse, ein volksmusikaffiner quietschfideler Staubsaugervertreter, der von seinen starken Chemo-Medikamenten keinerlei Nebenwirkungen zu spüren scheint, obwohl es ihm eigentlich hundeelend gehen müsste.
Währenddessen hat Kommissar Thiel ein zehnjähriges Mädchen an der Backe, die bei einem Schulausflug im Botanischen Garten einen Mord beobachtet haben will. Erste, recht widerwillig durchgeführte Nachforschungen ergeben, dass das vermeintliche Opfer Andreas Hölzenbein heißt und als Pharmazeut gearbeitet hat. In diesem Rahmen hatte er auch mit der Sanusklinik zu tun. Todesursache: Herzinfarkt, Fremdeinwirkung ist nicht zu erkennen. Da sich viele hochgiftige Substanzen aber nicht lange im Körper nachweisen lassen, ist das für Boerne kein Gegenbeweis. Und weil sein Zimmergenosse seine Chemotherapie so erstaunlich gut wegsteckt, glaubt er an eine systematische Fehlzusammensetzung des Präparats: Eine Dosis kostet 25.000 Euro und wird für jeden Patienten eigens angefertigt. Ein Millionengeschäft, das noch größere Unsummen abwerfen könnte, wenn man den Anteil des teuren Wirkstoffs reduzieren würde. Und so beginnt Boerne wieder zu ermitteln…
© WDR/Filmpool Fiction/Wolfgang Ennenbach
Prof. Karl-Friedrich Boerne, gespielt von Jan Josef Liefers, weist sich selbst in die Sanusklinik ein.
Es ist erstaunlich, dass das kongeniale Odd-Couple versnobbter Akademiker/bodenständiger Beamter auch nach über zehn Jahren noch trägt. Zum einen liegt das an der recht niedrigen Dosierung (zwei Folgen pro Jahr), zum anderen am fein austarierten Dramedy-Spagat, der auch in „Mord ist die beste Medizin“ gelingt.
Der Münsteraner «Tatort» ist nie zu einer Kalauerveranstaltung mit billigen Gags verkommen. Im Gegenteil: Die Pointen sitzen und wirken, anders als in zahlreichen anderen fiktionalen öffentlich-rechtlichen Produktionen, nicht aufgesetzt, weil sie natürlich aus der Figurenkonstellation entstehen. Trotz all seiner Schrulligkeit findet sich in einem Typen wie Karl-Friedrich Boerne immer noch das Potential zu möglicherweise sehr dramatisch verlaufenden Storylines. Die werden zwar nun nicht gerade schwermütig erzählt (das würde auch dem bekannten Duktus unangenehm zuwider laufen), doch man hat nie den Eindruck, als würden die komischen Elemente jene tragischeren überlagern.
Gelungen bleibt ebenso, dass man sich in Münster der didaktischen Töne verweigert, die «Tatorte» aus anderen Städten gerne bedienen. Wenn sich irgendwo im sonntagabendlichen ARD-Land Massenentlassungen, Ausländerkriminalität oder Waffenschmuggel abspielen, sollen beim Zuschauer allzu oft platte Assoziationen laufen, um Gesellschaftskritik vorzutäuschen; die dann aber häufig zu vereinfacht und zu nichtssagend ausfällt, um wirklich als solche durchzugehen. Heiße Eisen werden zu ungeschmiedetem Metall auf Zimmertemperatur. In Münster geht es diesmal zwar auch um ein tiefergehendes, potentiell skandalöses Thema – die Parallelen zu möglicherweise realen Zuständen werden allerdings nie forciert oder überstrapaziert.
Nur selten gelingt bei deutscher Fiction der Spagat zwischen Tragik und Heiterkeit so gut wie im Münster von Thiel und Boerne. Mord scheint tatsächlich die beste Medizin gegen Klamauk und abgestandene Witzeleien.
Das Erste zeigt «Tatort – Mord ist die beste Medizin» am Sonntag, den 21. September um 20.15 Uhr.