«Kick-Ass»-Star Chloë Grace Moretz spielt in dieser Romanverfilmung eine Teenagerin, die nach einem schweren Unfall ihr Leben rekapituliert. Hochemotionaler Stoff, mechanisch umgesetzt.
Hinter den Kulissen
- Regie: R. J. Cutler
- Produktion: Denise Di Novi und Alison Greenspan
- Drehbuch: Shauna Cross, basierend auf dem Roman von Gayle Forman
- Musik: Heitor Pereira
- Kamera: John de Borman
- Schnitt: Keith Henderson
Basierend auf Gayle Formans gleichnamigen Roman nähert sich «Wenn ich bleibe» den üblichen Stationen eines Teenagerlebens anhand eines tragischen sowie übernatürlichen Aufhängers. An einem verschneiten Wintertag unternehmen Mia Hall (Chloë Grace Moretz) und ihre Familie einen gemeinsamen Ausflug, geraten dabei jedoch in einen folgenschweren Autounfall. Daraufhin hat Mia eine außerkörperliche Erfahrung und muss mitansehen, wie ihr komatöser Leib im Krankenhaus behandelt wird, während Freunde und Anverwandte hilflos danebenstehen. Währenddessen rekapituliert Mia ihr bisheriges Leben – vor allem die Zeit mit ihrem Freund Adam (Jamie Blackley) – und sucht nach der Antwort auf die brennende Frage, ob es sich überhaupt lohnen würde, wieder zu Bewusstsein zu kommen.
Shauna Cross' Drehbuch schröpft allerdings herzlich wenig aus dieser durchaus interessanten Prämisse. Dass Mia zwischen Leben und Tod feststeckt, wird nur für wenige, sehr bemühte Momente der Dramatik ausgereizt. Diese zünden unter anderem daher nicht, weil sehr schnell Mias Einstellung zum Leben und die Qualität ihrer Lebenslage deutlich wird – und somit auch die einzige für sie logische Entscheidung. Zwar versucht «Wenn ich bleibe» im letzten Drittel, sein Publikum in die Irre zu führen, doch dafür wird die falsche Fährte nicht ausreichend unterfüttert.
Das Augenmerk des «Nashville»-Regisseurs R. J. Cutler liegt unmissverständlich auf den ausgedehnten Rückblicken, die Mias und Adams unschuldige Jugendliebe zueinander beleuchten. In diesen überzeugt «Kick-Ass»-Star Chloë Grace Moretz als intelligente, introvertierte Jugendliche – anders als in den Krankenhausszenen, in denen die Jungdarstellerin ungewohnt spröde agiert. Dessen ungeachtet funktioniert ihre Rolle für die Kernzielgruppe des Films als Identifikationsfigur mit zurückhaltendem Charme, die erzielte Romantik kommt jedoch nicht auf. Dies liegt einerseits darin begründet, dass zwischen Moretz und Jamie Blackley keine Chemie besteht, andererseits tut ihnen aber auch das Drehbuch keinen Gefallen. Die Dialoge sind solide genug formuliert, um vereinzelte, zu dick aufgetragene Wortwechsel zu verschmerzen, Funken fliegen bei den Gesprächen des jungen Paars aber nicht.
Die Bildsprache bewegt sich auf einem ähnlichen Level: Kameramann John de Borman («Ella – Verflixt & zauberhaft») erschafft eine einfallslose, aber handwerklich makellose Optik. Dieser gelingt es mühelos, den Gedanken zu vermitteln, dass das Gezeigte warmherzig gemeint ist, doch die beabsichtigte kuschelige Stimmung will aufgrund der Beliebigkeit nicht aufkommen. Der Schnitt von Keith Henderson wiederum gehört zu den größeren Stolpersteinen des Films: Manche Szenen plätschern allmählich aus, andere Sequenzen mit ähnlicher Stimmung enden abrupt – und nur selten gelingt in diesem 106-minütigen Streifen der Übergang flüssig. Dies führt dazu, dass «Wenn ich bleibe» keinen ansprechenden Erzählrhythmus entwickeln kann, so dass er sich letztlich viel länger und zäher anfühlt als Richard Linklaters fast dreistündiges Epos «Boyhood», welches sich ebenfalls der Lebensstationen eines jungen Menschen annimmt.
Löblich ist wohlgemerkt, dass «Wenn ich bleibe» das jugendliche Publikum ernst nimmt und die Themen anschneidet, die einen Heranwachsenden im Alter von 15 bis 17 Jahren bewegen: Das Verhältnis zur eigenen Familie, die erste Liebe, Sorgen rund um die Zeit direkt nach dem Schulabschluss, Trennungsängste. Die Filmemacher wissen, diese inhaltlichen Aspekte mit genügend Ehrlichkeit auszuspielen, dass es den Genre zugeneigten, jungen Zuschauern nicht zu verdenken ist, wenn sie ein grundlegendes emotionales Engagement für das Material zeigen. Jedoch verlässt sich dafür der Film zu sehr darauf, dass Teenager ihre eigene Lebenslage auf das Gezeigte projizieren. Die Umsetzung ist nämlich zu oberflächlich und konfliktarm, als dass «Wenn ich bleibe» mehr aus seinem Konzept oder seinem emotionalen Potential machen könnte.
Fazit: «Wenn ich bleibe» macht wenig richtig und so manches falsch. Die Zielgruppe wird aufgrund der angeschnittenen Themen zwar nicht völlig kalt gelassen, trotzdem macht dieses Teenager-Melodram nicht genug aus seinem Stoff, um wirklich haften zu bleiben.
«Wenn ich bleibe» ist ab dem 18. September 2014 in vielen deutschen Kinos zu sehen.