Am 7. September startet «Utopia» in den USA bei FOX. Etliche Beobachter prophezeien einen Misserfolg des bisher größten Reality-Formats, das Unsummen an Geld verschlingt.
Zum Format:
- Genre: Reality
- Idee: John de Mol
- US-Start: 7. September bei FOX
- Ursprungsland: Niederlande
- Executive Producers (FOX): John de Mol, Conrad Green, Jon Kroll & David Tibballs
- Produktionsfirma: Talpa Media
- Run: ein Jahr
- Episoden: Zwei pro Woche
Das Showkonzept
«Utopia» von Reality-Koryphäe John de Mol ist mit Sicherheit eines der spektakulärsten und aufwendigsten Reality-Formate aller Zeiten. In seinem Ursprungland, den Niederlanden, debütierte das Format im Januar beim Sender SBS6 und stellte die meistgesehene ungescriptete Sendungspremiere seit sechs Jahren dar. Daraufhin bestätigte «Utopia» den ersten Platz im Time-Slot von Montag bis Freitag für zehn aufeinanderfolgende Abende. Allerdings fiel der Wochenschnitt, der sich zum Start der Show noch auf 1,4 Millionen Menschen belief, bis März auf ein Mittel von 963.000 Zuschauern, ein Rückgang um 31 Prozent. Große Diskussionen gab es beim US-Network FOX bezüglich des Kaufs des Formats, schlussendlich erwarb der Sender «Utopia» jedoch. Die Verantwortlichen machen sich Sorgen, dass die Einschaltquoten die Kosten des Projekts, die laut einiger Mitarbeiter der Show bei etwa 50 Millionen Dollar für 20 Folgen liegen, den Aufwand nicht rechtfertigen könnten.
Trotzdem setzten sich FOX‘ neuer Executive Vice President of Alternate Entertainment Simon Andreae und Kevin Reilly gegen die Haderer durch. Mittlerweile ist Reilly, damaliger FOX Broadcasting Chairman, schon zurückgetreten und ein neues Team übernahm im Juni seine Aufgaben. Die kurze Einarbeitungszeit der neuen Verantwortlichen macht es nicht leichter die Produktion zu stemmen, die am 7. September bei FOX startet und von vielen jetzt schon als Misserfolg angekündigt wird. 15 Teilnehmer werden in der Show für ein Jahr in ihre eigene Mini-Gesellschaft geschickt. Dabei stehen ihnen zwei Hektar Land zu Verfügung, auf dem natürlich so viele Kameras wie möglich angebracht sind, schließlich plant FOX neben zwei regulären TV-Sendungen pro Woche auch mit einem 24-stündigen Live-Stream an allen Wochentagen.
Zweifelsohne hat FOX Unsummen in den Aufbau der kameragespickten Welt gesteckt, die das Reality-Genre noch einmal auf das nächste Level heben wird. Ein entscheidender Nachteil des bald anlaufenden Formats liegt im Marketing. Wie wir es hierzulande bereits ein halbes Jahr vor dem Start der Sat.1-Variante erleben, setzte FOX bis zuletzt nur auf sehr allgemein gehaltene Werbeformen, schließlich musste der Sender darauf warten, dass die 15 Teilnehmer erst einmal in einem Hotel untergebracht werden, bevor die eigentliche Promo-Kampagne begann. Erklärtes Ziel von FOX ist es nämlich, die Kandidaten voneinander getrennt zu halten, bis sie sich das erste Mal in «Utopia» begegnen, daher konnten sie die Teilnehmer nicht schon in ihren Werbespots vorstellen.
Am 29. August bezogen die 15 Utopianer ihren neuen Lebensraum, am gleichen Tag begann auch der Live-Stream auf UtopiaTV.com. Zuschauer können sich online entweder 20 Minuten am Tag gratis zu Gemüte führen oder bei Zahlung von 4,99 Dollar im Monat die unbegrenzte Variante nutzen. Für die Ausstattung der neuen Welt haben sich die Produzenten einiges einfallen lassen. Die Bürger Utopias erwartet unter anderem ein sich selbst filternder Fluss, ein zuvor errichtetes, aber noch unvollständiges Haus sowie eine Scheune, die von zwei Milchkühen und zwölf Hühnern bewohnt wird, welche die Reality-Teilnehmer mit Nahrung versorgen sollen. Strom, Wasser oder Abflusssysteme stehen jedoch nicht zur Verfügung, was das Erlebnis der Teilnehmer umso archaischer machen wird. Pro Tag werden 129 Kameras, die vom Produktionsteam gesteuert werden, schätzungsweise 288 Stunden Filmmaterial aus den Orten in Utopia aufnehmen, in denen sich die Teilnehmer bewegen. Rund um die Uhr sitzt ein Post Production-Team vor den Aufnahmen, das die Kameras kontrolliert, Aufnahmen heraussucht und eine Story für die TV-Ausstrahlung entwickelt. Crew-Mitglieder werden «Utopia» selbst jedoch nicht betreten, außer Notfälle oder Reparaturen an Kameras zwingen sie dazu. Jede Entscheidung der Bewohner muss mit kalifornischem Recht vereinbar sein
Die Produzenten nannten keine Details zu den Kosten des Projekts, erklärten aber, dass allein der Landschaftsbau einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand bedeute. Neben den enorm hohen Kosten verleitet allein schon das unkonventionelle Konzept etliche Beobachter zur Kritik. Die 15 Teilnehmer der Reality-Show versuchen ein Jahr lang eine eigene funktionierende Gesellschaft aufzubauen und sie in die Außenwelt zu integrieren, ohne das Gelände zu verlassen. Anders als bei herkömmlichen Reality-Formaten wird am Ende der Laufzeit jedoch kein Sieger gekürt, was die Frage aufwirft, warum genau die Zuschauer zwei Mal pro Woche einschalten sollen. Executive Producer Conrad Green («Dancing with the Stars») entgegnet diesem Ansatz: “Man sieht in einer realistischen Art und Weise, wozu Menschen in der Lage sind. Es geht darum, was wir erreichen können.“ Die Bewohner Utopias starten mit einem Betrag zwischen 5.000 und 10.000 Dollar in ihr Jahr und müssen entscheiden, wofür sie es ausgeben, ob für den Ausbau ihrer Wirtschaft oder die Verbesserung ihrer Gebäude. Außer der Bibel und Bauanleitungen dürfen die Kandidaten nichts nach «Utopia» mitbringen, der Kontakt zum Produktionsteam wird auf ein Minimum reduziert.
Beim Cast haben sich die Verantwortlichen alle Mühe gegeben, so viele unterschiedliche Menschen wie möglich zusammen zu bringen. So ziehen unter anderem ein Pfarrer, eine professionelle Bauchtänzerin, ein ehemaliger, verurteilter Betrüger und eine schwangere Frau nach «Utopia». Letztere erwartet ihr Kind im Dezember und damit während des Runs der Reality-Show.
Nie wurde ein Reality-Format im Fernsehen größer aufgezogen, selten gab es aber auch mehr Bedenken bezüglich des Erfolgs einer Sendung wie bei «Utopia». Bei einem derartigen finanziellen Aufwand, werden nur den Kosten entsprechende, hohe Zuschauerzahlen FOX zufriedenstellen. Sat.1 sollte derweil das US-amerikanische «Utopia» sowie die Originalvariante aus den Niederlanden aufmerksam beobachten, um eventuelle Fehler schon im Vorfeld zu verhindern. Bereits dieser Tage wirbt der Unterföhringer Sender für sein Reality-Format, das erst im Frühjahr 2015 anlaufen soll und enorm viele Vorkehrungen erfordert. Die Reality-Schiene könnte den Bällchensender wieder zu altem Glanz verhelfen. «Promi Big Brother – Das Experiment» generierte unentwegt gute Marktanteile für den Unterföhringer Sender und hievte Sat.1 im August wieder auf durchschnittlich 10,0 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen.