Um weiteren Skandalen vorzubeugen, will WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn das Konzept von Countdown-Shows grundlegend überarbeiten.
Die Enthüllungen in Sachen Ranking-Manipulation nehmen kein Ende. Nun forschte auch der WDR im eigenen Hause nach und veranlasste eine Prüfung seiner insgesamt 111 Rankingshows, die seit 2008 ausgestrahlt wurden. In zehn dieser Sendungen kam es durch die Redaktion zu nachträglichen Veränderungen. In einer Pressemitteilung versucht der WDR, dies dadurch zu entschuldigen, dass anders als bei der ZDF-Sendung «Deutschlands Beste!» keine repräsentativen Umfragen die Grundlage der Rankingformate darstellten. Daher habe die Redaktion eingreifen müssen, wenn die Publikumsbeteiligung zu gering war, es zu Gleichständen kam oder der Verdacht nahe lag, dass die Onlineabstimmung verzerrt wurde.
Eine Veränderung der Ergebnisse aus dramaturgischen Gründen habe es beim WDR aber nie gegeben, wie der Sender betont. Dennoch räumt die öffentlich-rechtliche Anstalt ein, dass sie die von ihr getätigten, „journalistisch begründete[n] Korrekturen“ dem Zuschauer gegenüber hätte verdeutlichen müssen. Um weitere Vorkommnisse dieser Art zu verhindern, beschloss WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn, fortan auf Onlineabstimmungen bei den
«Hitlisten des Westens» zu verzichten. Derzeit wird nach verlässlicheren Auswahlinstrumenten gesucht.
Im Detail kam es bei folgenden WDR-Rankings zu Eingriffen der Redaktion: Bei den Sendungen
«Die beliebtesten Bauwerke in Nordrhein-Westfalen»,
«Die beliebtesten Ausflugsziele in NRW»,
«Die beliebtesten Städte in Nordrhein-Westfalen» und
«Die beliebtesten Fußballvereine aus NRW» kam es plötzlich zu einem extremen Stimmenanstieg für jeweils eine der Wahlmöglichkeiten. Durch Zwischenkontrollen konnte bei den drei erstgenannten Sendungen der Zeitpunkt bestimmt werden, ab dem es zu den verdächtigen Stimmhäufungen gab. Die Redaktion setzte die Stimmzahl der betroffenen Nominierten auf das ursprüngliche Ergebnis zurück.
Bei der Wahl zum beliebtesten Fußballverein aus NRW wiederum kam der Drittligist Preußen Münster schlagartig auf mehr Stimmen als die Erstligisten Dortmund und Schalke. Da der Zeitpunkt, ab dem das Ranking verzerrt wurde, rückblickend nicht bestimmt werden konnte, gab die Redaktion eine Umfrage unter 1.000 Personen in Auftrag und basierte den Countdown in der Sendung auf den darin gewonnenen Erkenntnissen. Bei drei Sendungen hingegen kam es mangels Publikumsinteresse dazu, dass jeweils drei Nominierte keinerlei Stimmen erhielten. Bei
«Die beliebtesten Kunstwerke in Nordrhein-Westfalen» und
«Die beliebtesten Wanderwege in Nordrhein-Westfalen» wurden die drei letzten Plätze daher von der Redaktion vergeben. Im Falle von
«Die beliebtesten Tänze der Nordrhein-Westfalen» erhielt ein Expertenrat die Aufgabe, die Reihenfolge der drei Schlusslichter zu bestimmen.
Die Onlinevotings zu
«Die beliebtesten Talsperren in Nordrhein-Westfalen»,
«Die beliebtesten Spektakel in Nordrhein-Westfalen» und
«Die unheimlichsten Orte in Nordrhein-Westfalen» litten ebenfalls unter niedrigen Aufrufzahlen. Hier wurde daher ergänzend zur Onlineabstimmung eine Umfrage in Auftrag gegeben und für das Ranking berücksichtigt.
Beim RBB wiederum ergab eine Prüfung der TV- und Radiorankingshows, dass es in zwei Fällen zu Unstimmigkeiten kam. Wie Heiner Heller, Programmbereichsleiter „Neue Zeiten“ im RBB berichtet, stimmte bei
«21 Dinge, die man in Berlin erlebt haben muss» und
«21 Dinge, die man in Brandenburg erlebt haben muss» die ausgestrahlte Reihenfolge nicht mit dem Abstimmungsergebnis überein. Hier habe die zuständige Redaktion eine andere Dramaturgie bevorzugt und daher die Rangfolge verändert. Heller zieht daraus Konsequenz: „Wenn wir das Publikum abstimmen lassen, muss das Ergebnis gelten. Die beiden betroffenen Sendungen sind deshalb für eine weitere Ausstrahlung gesperrt und aus unserer Mediathek entfernt.“