«Black Sails» ist das, was man von einer Starz-Piratenserie erwartet: Blut, nackte Körper und eine eher mäßige Figurenzeichnung.
Hinter den Kulissen
- Idee: Jonathan E. Steinberg und Robert Levine
- Regisseure des Formats: Neil Marshall, Sam Miller, Marc Munden und T.J. Scott
- Musik: Bear McCreary
- Schnitt: Joe Hobeck und Paul Trejo
- Kamera: Lukus Ettlin und Jules O'Loughlin
- Ausführende Produzenten: Chris Symes, Jonathan E. Steinberg, Michael Bay, Brad Fuller und Andrew Form
- Produktionsfirmen: Platinum Dunes, Quaker Moving Pictures und Film Afrika Worldwide
Es ist gerade einmal elf Jahre her, da wurden die Walt Disney Studios und Hitproduzent Jerry Bruckheimer von vielen Beobachtern der Filmindustrie verlacht: Sie wagten es tatsächlich, rund 140 Millionen Dollar in einen Piratenfilm zu pumpen. Und dies, obwohl doch ganz Hollywood sicher war, dass Seeräuber schieres Kassengift darstellen. Bekanntlich belehrten Disney und Bruckheimer jedoch alle Zweifler eines Besseren und schufen im Sommer 2003 mit «Fluch der Karibik» eines der erfolgreichsten Franchises aller Zeiten. Während Piratenliteratur und Piratenkostüme seither extrem gefragt sind und im Folk- sowie Metalbereich seit Start der Disney-Reihe auffällig viele Piratenbands aus dem Boden sprießen, dauerte es einige Zeit, bis auch Fernsehproduzenten versuchten, in diesem Markt zu wildern.
Einer der Produzenten, der sich dann aber endlich der Thematik annahm, ist Michael Bay, Regisseur der «Transformers»-Realfilmsaga sowie mehrerer Jerry-Bruckheimer-Produktionen (darunter «Armageddon», «The Rock» und «Bad Boys II»). Somit erlaubt die von Bay produzierte Abenteuerserie «Black Sails» nun, elf Jahre nachdem Käpt'n Jack Sparrow erstmals in See stach, die Möglichkeit des Vergleichs: Welcher der Hochglanz-Actionspezialisten ist eher geeignet, Piraten in ein aufregendes Licht zu rücken? Bruckheimer oder Bay? Was beide gemeinsam haben: Sie lassen ihre Piraten-Produktion auf einem anderen Werk basieren.
Während Bruckheimers «Fluch der Karibik» eine Disney-Wasserbahn in ein atmosphärisches, spaßiges und einfallsreiches Leinwandabenteuer transformierte, versteht sich «Black Sails» als Prequel zu Robert Louis Stevensons Romanklassiker «Die Schatzinsel». In den ersten Episoden beschränken sich die Gemeinsamkeiten allerdings auf einige Figurennamen und das Piraten-Setting: Im Jahr 1715 werden Piraten zum Feind aller Menschen abgestempelt, woraufhin die Seeräuber erklären, sich im Krieg gegen die gesamte Welt zu befinden. Einer der energischsten Piratenkapitäne ist Käpt'n James Flint (Toby Stephens), der jedoch schon seit einiger Zeit keine wirklich satte Beute mehr ergattern konnte und daher an Rückhalt in seiner Crew verliert. Doch dank seines loyalen Quartiermeisters Gates (Mark Ryan) und Billy Bones (Tom Hopper) kann der Kapitän der Walrus seine Mannschaft noch in Schach halten. Nach einem Angriff auf ein Handelsschiff erhält Flints Gefolgschaft sogar Verstärkung, und zwar in Form des opportunistischen John Silver (Luke Arnold).
Dennoch gilt es für Flint dringend, die aufkeimenden Meutereigedanken zu unterbinden. Somit ergeht es ihm ähnlich wie der gewieften Eleanor Guthrie (Hannah New), der Tochter des mächtigsten Schwarzmarkthändlers der Karibik. Als Besitzerin einer Taverne in Nassau, in der Piraten nicht nur Alkohol bekommen sondern auch ihre fleischlichen Gelüste stillen können, muss sie einerseits die Royal Navy abwehren, andererseits aber für ein Minimum an Ordnung im Piratenchaos sorgen, damit ihre Mitarbeiterinnen nicht stetig um ihren Lohn betrogen werden. Dabei muss sie unter anderem mit dem skrupellosen Seefahrer Vane (Zach McGowan) verhandeln sowie mit der ominösen Hure Max (Jessica Parker Kennedy) und der legendären Anne Bonny (Clara Paget) …
Primär ist die hinter «Black Sails» stehende Produktionsfirma Platinum Dunes für ihre Horrorfilmremakes bekannt. Zu denen zählen Werke wie Marcus Nispels Neuverfilmungen von «Texas Chainsaw Massacre» und «Freitag, der 13.» oder auch Samuel Bayers «A Nightmare on Elm Street». Bislang schaffte es kein Kinostreifen der auf stylisch-düstere Produktionen spezialisierten Filmschmiede, beim Filmportal Rottentomatoes einen positiven Kritikendurchschnitt zu generieren und bei nahezu allen Werken von Platinum Dunes besagt der Konsens: Beeindruckender Look in finsterer Edeloptik, aber keine wirklich unter die Haut gehende Atmosphäre und die Figuren sind selbst am Genremaßstab gemessen lächerlich.
«Black Sails» stellt den ersten Gehversuch dar, den Platinum Dunes im TV-Bereich unternimmt, und durchgehend ist der Serie anzumerken, dass die Produzentenriege rund um Michael Bay auf der heimischen Mattscheibe ähnliche Prioritäten setzt wie im Kino. «Black Sails» zieht es vor, seinen Figuren einen stylischen Look zu verpassen, statt sie durch geschliffene Charakterisierungen auseinanderzuhalten. Gerade der sich auf Nassau herumtreibenden Figuren schadet dies nicht einmal, da ihre distinktiven Manierismen und markanten Kluften der verkommenen Piratentaverne eine reizvoll-verruchte Atmosphäre verleihen. An Bord der Walrus dürften Zuschauer ohne «Schatzinsel»-Vorwissen dagegen aufgrund der dünnen Charakterzeichnungen und beiläufig erläuterten Motivationen der Figuren in den ersten Serienstunden aufgeschmissen sein.
Ähnlich, wie manche der Platinum-Dunes-Horrorfilme eher auf schrille Schockeffekte setzen, statt auf eine ausgiebig-gruselige Grundstimmung, so verwechselt auch «Black Sails» in bester Starz-Manier nackte Haut und blutige Kämpfe mit inhaltlicher Düsternis. Blanke Brüste, Lesbensex und zu blutigem Brei geschlagene Meuterer bedeuten nicht gleich grenzenlos denkendes Storytelling. Und auch, wenn es prinzipiell löblich ist, wenn Serienmacher die lockereren Zensurmaßstäbe des Kabelfernsehens ausnutzen, so dürfen diese Bausteine, die eine an Erwachsene gerichtete Erzählung stützen könnten, nicht zum Selbstzweck verkomme. Hinsichtlich der Gewalt geht «Black Sails» leider den falschen Weg: Die Figuren sind zu austauschbar und die Storys zu flach, als dass die Gewaltspitzen in «Black Sails» wirklich schockieren würden – da wissen die «Fluch der Karibik»-Filme trotz Jugendfreigabe ab 12 Jahren ihre Actionszenen und kurzen Gewalteskapaden viel besser einzusetzen.
Sex- und Nacktszenen nutzt das Format hingegen in vorsichtigen Dosen und unterstreicht mit ihnen manchmal amüsante Pointen, andere Male werden sie tatsächlich gebraucht, um den Plot voranzutreiben. Dahingehend haben die Piraten der Walrus anderen Serien des US-Kabelsenders Starz etwas voraus. Mit der Bildgewalt der überaus kostspieligen Piratenfilme von Jerry Bruckheimer kann «Black Sails» wiederum kaum mithalten, und die Wechsel zwischen Computeraufnahmen segelnder Schiffe und real gedrehten Einstellungen sind extrem auffällig. Auch mögen zwar die Kostüme beeindruckend sein, bei den Darstellern jedoch ist «Black Sails» sehr wählerisch, wer authentisch geschminkt wird und wer so gepflegt aussieht, als sei er frisch von einem Modemagazin-Fotoshooting spaziert. Dies ist zwar dem TV-Budget geschuldet, dennoch zeigen Serien wie «Game of Thrones», dass auch fürs Fernsehen eine plausibel erscheinende Serienwelt voller Schmutz und Schweiß geschaffen werden kann.
Dank fesselnder Kampfchoreographien und einer exzentrischen, vergnüglich-angetrunken wirkenden Musikuntermalung von Bear McCreary («The Walking Dead») schafft «Black Sails» trotzdem ausreichend Stimmung, um Abenteuerfreunde in diese Piratenwelt zu transportieren. Und auch wenn «Black Sails» keine so starken Freibeutergelüste auszulösen weiß wie «Fluch der Karibik», so ist es immerhin ein ansprechender Versuch, den spaßigen Eskapismus schmieriger Piratenromane ins Fernsehen zu verfrachten. Yo-ho, yo-ho, 'ne gute Buddel voll Rum-Verschnitt!
«Black Sails» ist ab dem 25. Juli 2014 immer freitags um 20.15 Uhr bei ProSieben zu sehen.