Manuel Weis über ein RTL-Jahr mit Licht und Schatten. Welche Baustellen Programmchef Frank Hoffmann beackern muss und welche Chancen sich ihm bieten.
Allein der Blick auf die Marktanteile lässt bei RTL wenig Fragen offen. Auch Frank Hoffmann, der in Funktion als Programmdirektor in diesem Bereich die langjährige RTL-Chefin Anke Schäferkordt ablöste, konnte den raschen Abwärtstrend erst einmal nicht stoppen. Im Juni verlor sein Sender erstmals seit mehr als 20 Jahren die Marktführung bei den Jungen – König Fußball darf dafür verantwortlich gemacht werden. 10,6 Prozent Marktanteil standen zu Buche, der Jahresschnitt der zurückliegenden Saison (September 2013 bis Mai 2014) liegt bei 14,2 Prozent. Bedenkt man, dass RTL vor einigen Jahren noch auf 18 Prozent oder mehr kam, ist der Schwund auch nicht mit der voranschreitenden Fragmentierung zu erklären. RTL Nitro kann trotz vorzuweisender Erfolge und wachsenden Zuschauerzahlen nicht das auffangen, was der große Bruder jüngst verloren hat.
Hoffmann aber betont gerne, dass unter seiner Führung zumindest die Verluste in der Hauptsendezeit am Abend gestoppt wurden. Das Problem ist viel mehr die Daytime der Kölner. Dort, wo «Familien im Brennpunkt» einst auf 30 oder gar 35 Prozent kamen, dümpelt man inzwischen gerne mal bei zwölf oder 13 Prozent. Entsprechend ist zu erwarten, dass RTL am kommenden Donnerstag, wenn man in Hamburg das Programm für die neue Saison vorstellt, auch Neues für den Nachmittag in petto haben wird. Stückweise, so pfeifen es die Spatzen von den Dächern, wolle man sich auch bei RTL von den lauten Scripted Realitys am Nachmittag trennen. Anders als nach dem Ende der Gerichtsshow-Ära aber soll dieser Umbruch vorsichtig und Stück für Stück erfolgen.
Die Deko-Soap «5 Zimmer, ein Gewinner» wird im Herbst fortgesetzt, weitere Tests abseits von Fake-Dokumentationen sollen folgen. Starten wird auch die neue tägliche Serie
«Berlin Models», an der RTL gemeinsam mit «Berlin – Tag & Nacht»-Produzent filmpool seit einem Jahr intensiv schraubt – geplant ist sie als besserer Übergang in den Vorabend auf dem 17.00 Uhr-Slot.
Trotz sinkender Werte wird man in Köln am Vorabend-Line-Up, bestehend aus den etablierten Soaps «Alles was zählt» und «GZSZ» festhalten. Beide Formate haben aber ein Facelift bekommen. Die 19.05-Uhr-Serie zum Beispiel wird ab kommender Woche in neuem Look erstrahlen. Ohne Augenwischerei zu betreiben, muss aber gesagt werden, dass RTL auch innerhalb der Primetime so viele Probleme hat wie wohl selten zuvor. Fast alle der mutig gestarteten deutschen Serien sind gefloppt. Entsprechend ist das Aus von «Doc Meets Dorf» genauso beschlossen wie das von «Sekretärinnen», «Christine» oder «Schmidt». Einzig der Knastarzt, an dem der jetzige RTL-Fiction-Chef Philipp Steffens noch als Produzent arbeitete, darf sich noch Hoffnungen auf eine Fortsetzung machen. Neben «Alarm für Cobra 11» werden die Kölner ansonsten nur «Der Lehrer» als schon bekannte deutsche Eigenproduktion in petto haben.
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Ein neues Logo bekommt das Steinkamp-Sportzentrum. Kreiert wird es in der Serie übrigens von einer neuen Figur.
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Weiterhin im Mittelpunkt des Sets: Der große Pool.
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Auch die Außenansicht der Steinkamp-Firma wurde erneuert. Das Team hat dazu eine Produktionspause um Ostern genutzt.
Alles was zählt
Im Fiction-Bereich soll ab Herbst vor allem das neue
«Wentworth» punkten; eine Serie über einen Frauenknast, deren Original-Version in Australien für sehr hohen Zuspruch sorgte. Mit
«Killing Berlin» kommt von der anerkannten Macherin Steffi Ackermann zudem eine weitere Krimiserie mit historischem Kontext. „Während der Neue Westen in dekadentem Reichtum in mondänen Tanzbars und Feinschmeckerlokalen schwelgt, leben Tausende von Menschen im Norden und Osten der Stadt in Armut. Eine Welt, die vollkommen aus den Fugen geraten ist, mit einer großen Kriminalitätsrate und mafiösen Strukturen“, beschrieb RTL das neue Format vor einigen Monaten.
Bei RTL grundsätzlich und generell schwarz zu malen, wäre aber verkehrt - und das trotz einiger sehr eiliger Absetzungen («Made in Germany»), die man vom einstigen Marktführer so gar nicht mehr gewohnt war. Immerhin die Wahrnehmung des Senders in der Öffentlichkeit beginnt sich langsam zu ändern. Rasch eingeschobene News-Specials (auch welche, die inhaltlich vielleicht nicht funktionierten), geben Anlass zur Hoffnung, dass es der ernsthafte Wunsch der Chefs ist, das journalistische Profil des Senders weiter zu schärfen. Dazu hat auch «Team Wallraff» beigetragen - in Kürze startet mit «Undercover Deutschland» ein weiteres Reportermagazin beim Kölner Sender. Die Farbe weiter und erfolgreich auszubauen, dürfte für Frank Hoffmann genauso wichtig sein, wie der nächste große Showneustart – die Casting-Show
«Rising Star». In Isreal ein Mega-Erfolg, gab es von den Starts in anderen Ländern kaum positive Nachrichten.
Abstimmungspannen in Brasilien, schlechte Quoten bei ABC in Amerika. Die Macher dürften gewarnt sein und wissen, dass das Format trotz erster Vorschusslorbeeren kein Selbstläufer wird. Als Reaktion auf immer schlechtere Quoten beim Casting-Show-Primus «DSDS» muss allerdings eine echte Showalternative her. Vielleicht muss RTL auch noch weiter in andere Richtungen denken. Ob eine wirkliche Show-Flut auch seitens RTL in Hinblick auf viele neu von ProSiebenSat.1 abgekündigte Formate wirklich sinnvoll wäre, steht auf einem anderen Papier.
Hinzu kommt, dass die Formel 1 derzeit massiv an Beliebtheit einbüßt, die Ära Klitschko sich dem Ende neigt und auch sonst keine große Sportart außer König Fußball für einen Lichtblick sorgt. Entsprechend hat sich RTL mit Rechten der Quali-Spiele zur EM 2016 und WM 2018 eingedeckt und wird dieses Engagement am Donnerstag sogar mit einem eigenen Presse-Termin würdigen. Die Nationalmannschaft soll RTL also retten, wo sie kann.