Die Fußball-WM deckte die Schwäche der großen Privatsender schonungslos auf, fast alle erzielten historisch schwache Werte. RTL musste gar erstmals nach 22 Jahren die Marktführung abgeben - und das deutlich.
Der Juni 2014 stand voll und ganz im Zeichen der Fußball-Weltmeisterschaft. Zahlreiche Partien kamen auf weit über zehn Millionen Zuschauer, die stärkste Partie ohne deutsche Beteiligung war dabei das Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Kroatien mit weit über 60 Prozent Marktanteil in beiden wichtigen Zuschauergruppen, die höchste Zuschauerzahl schaffte das Achtelfinal-Spiel zwischen der Niederlande und Mexiko mit 17,22 Millionen. Doch natürlich waren die stärksten Reichweiten für die deutsche Nationalelf reserviert: Zwischen 24,54 und 27,25 Millionen Menschen sahen die drei Vorrunden-Spiele, das Achtelfinale gegen Algerien kam am letzten Tag des Monats auf 28,21 Millionen. Die Marktanteile lagen bei unglaublichen 76,3 bis 85,1 Prozent des Gesamtpublikums und sogar 83,6 bis 87,6 Prozent der 14- bis 49-Jährigen.
Immerhin einen großen Erfolg konnte RTL allerdings in einem Monat feiern, in dem die Kölner nahezu kein Land gegen die öffentlich-rechtliche Übermacht sahen: Das «Wer wird Millionär? - Prominenten-Special» lief mit 7,67 Millionen Zuschauern und 27,4 Prozent Marktanteil überragend. Auch in der werberelevanten Zielgruppe wurden Anfang Juni exzellente 26,1 Prozent bei 2,76 Millionen erzielt. Davon abgesehen kam keine Ausstrahlung eines Privatsenders auf mehr als fünf Millionen Zuschauer, sogar mehr als 15 Prozent beim Zielpublikum schafften zur Primetime neben Jauch nur «I Like the 90's» (16,0 Prozent) und die «TV total Autoball Weltmeisterschaft 2014» (15,5 Prozent). Welch schallende Ohrfeige für die werbefinanzierten Programmstationen, die gerade auf die jungen Zuschauer einen besonders hohen Wert legen.
Alle Zuschauer (Juni 2014)
ALLE ZUSCHAUER (JUNI)
17,4
12,0
17,7
12,0
8,4
10,6
3,4
4,0
4,5
5,4
7,2
8,2
4,6
5,6
3,4
4,0
Marktanteile in % | Juni 2014 ggü. Mai 2014
Die Fußball-WM dominierte das Geschehen ab dem 12. Juni ohne Einschränkungen, was sich bei den Marktanteilen des Monats letztlich überdeutlich widerspiegelt: Das Erste verbessert sich um über fünf Prozentpunkte auf 17,4 Prozent, das ZDF gelangt auf noch stärkere 17,7 Prozent und ist damit dem öffentlich-rechtlichem Mitbewerber einmal mehr überlegen. Letztmals hinter dem Ersten lagen die Mainzer vor genau einem Jahr im Juni 2013 mit nur 12,0 gegenüber 12,3 Prozent. An den einzig ernsthaften privaten Mitbewerber RTL musste man den Rang an der Spitze zuletzt im November 2012 abtreten - und es macht derzeit nicht den Eindruck, als könne sich der Kölner Sender auf absehbare Zeit rehabilitieren. Gerade einmal noch 8,4 Prozent verfolgten das RTL-Angebot im Juni, dies entsprach dem schwächsten Wert, seitdem Quotenmeter.de Daten genaue Daten vorliegen (August 2003). Überhaupt rutschte das Vorzeigeprodukt werbefinanzierter TV-Sender in Deutschland seither nur ein einziges Mal in den einstelligen Bereich ab: Im Juni 2008 wurden aber immerhin 9,8 Prozent erzielt.
Doch alleine auf die Schwäche von RTL hinzuweisen, greift in diesem Monat zu kurz. Alle sechs großen Privatsender Deutschlands hatten offenkundig kein Mittel gegen König Fußball und stellen sich nun ein Armutszeugnis aus. Auch die 7,2 Prozent von Sat.1 entsprechen dem schlechtesten Monatsergebnis seit mindestens elf Jahren, wo zuvor nie weniger als 7,8 Prozent auf dem Papier standen. Auch ProSiebens Ergebnis von gerade einmal 4,6 Prozent ist ein neuer Tiefpunkt, zuvor kamen stets mindestens 5,1 Prozent zustande. Auch die 3,4 Prozent von RTL II sind eine herbe Enttäuschung, wenngleich der Sender seit 2003/04 häufig unterhalb der Vier-Prozentmarke rangierte. Weniger als 3,4 Prozent kamen zuvor nicht zustande. Etwas entspannter können die Programmverantwortlichen von VOX ihre 4,5 Prozent analysieren, denn hier wurde "nur" der geringste Wert seit exakt acht Jahren verbucht. Gegen die WM 2006 im eigenen Land schaffte es der Sender nur auf noch schlechtere 4,1 Prozent, seither wurden aber stets 4,9 Prozent oder mehr erreicht. Mit 3,4 Prozent kommt kabel eins noch recht gut weg, schon 2012 waren gegen die EM nur 3,5 Prozent drin. Schlechter als diesmal lief es zuletzt im Juni 2010 mit 3,3 Prozent.
Um das Dilemma der sechs großen Privatsender zu veranschaulichen, sei auch auf folgende Statistik verwiesen, in der die Marktanteile von Das Erste und ZDF einerseits und jene von RTL, Sat.1, ProSieben, VOX, RTL II und kabel eins auf der anderen Seite im WM- bzw. EM-Hauptmonat Juni kumuliert werden:
Juni 2014: ÖR 35,1 Prozent / Private 31,5 Prozent
Juni 2012: ÖR 31,4 Prozent / Private 37,2 Prozent
Juni 2010: ÖR 33,8 Prozent / Private 39,4 Prozent
Juni 2008: ÖR 35,6 Prozent / Private 36,3 Prozent
Juni 2006: ÖR 35,3 Prozent / Private 37,1 Prozent
Während Erstes und Zweites Deutsches Fernsehen also wieder an die Zahlen von vor sechs bzw. acht Jahren anknüpften, sackten die Privaten dramatisch ab. Selbst im verhältnismäßig schwachen EM-Jahr 2008 kamen fast fünf Prozentpunkte mehr zustande, gegenüber dem jüngsten Großturnier steht gar ein Verlust von 5,7 Prozent auf dem Papier.
14-bis 49-Jährige (Juni 2014)
14- BIS 49-JÄHRIGE (JUNI)
14,1
7,1
13,4
5,7
10,6
13,4
5,6
6,4
5,7
7,1
7,8
9,1
8,9
11,0
4,8
5,9
Marktanteile in % | Juni 2014 ggü. Mai 2014
Historisches tut sich auch in der werberelevanten Zielgruppe, wo RTL mit gerade einmal noch 10,6 Prozent erstmals seit September 1992, also beinahe 22 Jahren, die Marktführung abgeben muss. Schon im Juni 2008 war man mit 13,0 Prozent nur gleichauf mit beiden öffentlich-rechtlichen Kanälen, rettete sich aber soeben noch über die Ziellinie. Vor allem das Ausmaß dieser Niederlage muss zu denken geben: Das Erste überflügelt die Sendeanstalt angesichts von 14,1 Prozent nämlich um satte dreieinhalb Prozentpunkte, auch das ZDF ist mit 13,4 Prozent weit entfernt. Da RTL vor zwei Jahren auf 13,6 Prozent und vor vier Jahren sogar auf 16,4 Prozent im EM- bzw. WM-Monat zu verweisen hatte, lässt sich die Schwäche also nicht alleine durch die starke Konkurrenz erklären. Dieser weitere Rückschlag steht viel mehr symptomatisch für den kontinuierlichen Abwärtstrend, dem sich RTL bereits seit drei Jahren stellen muss.
Doch auch in dieser Zuschauergruppe muss auf weitere Tiefstwerte aufmerksam gemacht werden: Mit 7,8 Prozent ist Sat.1 weit von den 8,5 Prozent entfernt, die im Juni 2012 bisher als schwächster Wert der letzten elf Jahre zu Buche standen. ProSieben muss sich mit 8,9 Prozent zufrieden geben, nur im Juni 2012 (9,9 Prozent) und Juni 2006 (9,5 Prozent) verfehlte der Sender aus Unterföhring die Zweistelligkeit. VOX generiert mit 5,7 Prozent den schlechtesten Wert seit August 2004, als 5,6 Prozent zu Buche standen. RTL II kennt seine 5,6 Prozent noch etwas besser, auf ähnlich schwachem Niveau rangierte man zuletzt im dritten und vierten Quartal 2011 mit 5,4 bis 5,8 Prozent. Bei kabel eins muss man hingegen schon etwas weiter zurück blicken, um neben den 4,8 Prozent dieses Monats einen weiteren ausfindig zu machen, wo weniger als fünf Prozent geholt wurden: Zuletzt war dies im Juli 2006 mit 4,9 Prozent der Fall, einen Monat zuvor waren gar nur 4,3 Prozent drin.
Immerhin: Blickt man nur oberflächlich auf die Gesamtbilanz der "Big Eight", so kann ein positives Resümee gezogen werden: Mit 70,9 Prozent wurde erstmals seit Januar des vergangenen Jahres wieder die 70-Prozent-Marke geknackt, nachdem erst zuletzt im Mai mit 65,7 Prozent ein historischer Tiefstand erreicht wurde. Doch obwohl sich die beiden öffentlich-rechtlichen Sender um beinahe 15 Prozentpunkte steigerten, steht unter dem Strich gerade einmal eine Verbesserung um gut fünf Prozentpunkte auf dem Tableau. Und wer ist schuld daran? RTL, Sat.1, ProSieben, VOX, RTL II und kabel eins, die allesamt deutlich abgaben.
Alle Zuschauer (Fernsehjahr)
ALLE ZUSCHAUER (GESAMTES JAHR)
12,6
12,1
13,4
12,9
10,8
11,0
3,4
4,0
5,3
5,3
8,1
8,2
5,6
5,7
3,8
3,8
Marktanteile in % | Sep 2013 – Jun. 2014 ggü. Sep. 2013 – Mai 2014
Die Gesamtbilanz der vergangenen zehn Monate unterscheidet sich nicht allzu stark von jener der vergangenen TV-Saison, da die Zahlen von September 2013 bis Mai 2014 in beiden Statistiken enthalten sind und in der "frischen" Statistik einen Bärenanteil von 90 Prozent ausmachen. Insofern ist die Steigerung des Ersten von 12,1 auf 12,6 Prozent spektakulärer als sie sich zunächst lesen mag, da diese Steigerung um 0,5 Prozentpunkte aus nur einem einzigen Monat resultieren. Auch das ZDF verbessert sich noch einmal auf 13,4 Prozent, während bei den Privaten gilt: Wer nicht verliert, hat schon gewonnen. Insofern dürfen sich VOX, RTL II und kabel eins als zweifelhafte Sieger fühlen, während Sat.1 und ProSieben noch einmal minimal zurückfallen. Und RTL sollte nun schleunigst sein Programm reformieren, denn mit inzwischen nur noch 10,8 Prozent ist mittelfristig noch nicht einmal ein Verbleib oberhalb der Zehn-Prozentmarke gesichert. Dahingehend kann Sat.1 umfangreiche Erfahrungen vorweisen, schließlich lag der Bällchensender noch vor zwei Jahren ebenfalls im zweistelligen Bereich.
14- bis 49-Jährige (Fernsehjahr)
14- BIS 49-JÄHRIGE (GESAMTES JAHR)
7,5
6,8
7,0
6,3
13,8
14,2
6,6
6,7
7,0
7,1
9,2
9,4
11,1
11,4
5,5
5,6
Marktanteile in % | Sep 2013 – Jun. 2014 ggü. Sep. 2013 – Mai 2014
Mit 13,8 bzw. 11,1 Prozent verlieren RTL und ProSieben aufgrund eines sehr schlechten Junis 0,4 bzw. 0,3 Prozentpunkte, während die übrigen Privatsender jeweils nur 0,1 Prozent abgeben. Nahezu sensationell sind die 7,5 statt 6,8 Prozent, die Das Erste dank seines grandiosen Junis nun vorzuweisen hat. Damit hätte man nach aktuellem Stand VOX überholt und läge in der oberen Hälfte des Sender-Rankings. Das ZDF darf sich mit 7,0 statt 6,3 Prozent ebenfalls als großer Gewinner fühlen, könnte allerdings in den beiden kommenden Monaten wieder hinter VOX zurückfallen. Schließlich endet in knapp zwei Wochen schon wieder die Fußball-WM - und damit voraussichtlich auch das große Quotenglück der Mainzer beim jungen Publikum.