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Popcorn und Rollenwechsel: Pubertätsfilme

Filme zwischen Pickelwasser, Stimmbruch und neu entdecktem Haarwuchs: Unser Filmkolumnist sinniert über das Pubertätskino.

Geht es nur mir so, oder ist die Pubertät im Volksmund der Nichtsnutz unter den Lebensabschnitten? Wir sprechen von schönen Kindheitserinnerungen und der Altersweisheit, aber vom jugendlichen Leichtsinn und beschämenden Jugendsünden. Und nicht allein der Volksmund straft die Zeit des Reifens ab. Denn während der geneigte Filmfreund vielleicht voller Nostalgie und mit warmen Gefühlen von den besten Kindheitsfilmen schwärmt, also von den ersten cineastischen Gehversuchen, ist viel häufiger von der „Musik unserer Jugend“ die Rede als vom Jugendkino. Was zugegebenermaßen vielleicht auch den Filmen geschuldet ist, die vom Lebenskapitel der Pickel und verpatzten Dates berichten.

Denn welche Art Filme nimmt die Wunder und Beschämungen der Pubertät ins Visier? Körperflüssigkeitseskapaden wie «American Pie» und flachbrüstige Romanzen wie «Eine wie keine». Gewiss, der Filmkanon kennt auch kunst- und niveauvolle Erzählungen mit jugendlichen Protagonisten. Etwa die gedankenreiche Tragikomödie «Der Club der toten Dichter» oder John Hughes' 80er-Kult «The Breakfast Club». Aber es lässt sich durchaus darüber debattieren, das diese Filme sowie viele andere gute Filme über jugendliche Figuren letztendlich nicht von der Pubertät handeln, sondern vom Erwachsenwerden. Nicht umsonst existiert das weitreichende Genre des Coming-of-Age-Dramas – und im Falle von «Die Reifeprüfung» verrät ja bereits der Titel, worauf es in diesem Klassiker ankommt.

Ich wage zu behaupten, dass es sie dennoch gibt, jene Filme, die fest zur Pubertät dazugehören und hervorragend sind. Aber so, wie Disney-Juwelen wie «Die Schöne und das Biest» oder «Der Glöckner von Notre Dame» nicht ausschließlich auf Kinder zielen und zudem überhaupt nicht von ihnen handeln, lassen sich allerhand Kinoprojekte finden, die zwar Teil der Pubertät vieler Filmfans waren, ohne aber auf Teenager ausgerichtet zu sein. Ich meine solche Filme, die viele in ihrer Jugend entdecken, sei es eigenständig oder durch Gruppendruck. «Pulp Fiction» etwa dürften viele Filminteressenten eines gewissen Jahrgangs ungefähr zu der Zeit entdeckt haben, als sie auch die ersten Haare an Körperstellen vorfanden, die zuvor glatt waren wie ein Babypopo. Und so lange «Der blutige Pfad Gottes» auf dem Index stand, wurde wohl nahezu jeder Jugendlicher irgendwann von einem Mitschüler angesprochen: „Hey, kennst du diesen verbotenen [sic!] Film mit diesen … äh … Christen? Hier, «Blutpfad Gottes», geil!“

Nun, zumindest in meiner Schulzeit lief das so (oder so ähnlich) ab. Da ging die abgegrabbelte, versiffte «Brain Dead»-Videokassette unterm Tisch von der einen Hand zur nächsten, und wer bei den Debatten über «Scream» nicht mitreden konnte, weil er ihn noch nicht gesehen hat oder noch nicht sehen durfte, der war sofort wieder uncool. Eine noch größere Auswirkung auf das soziale Geflecht in meinem Umfeld hatten aber die ersten drei «Scary Movie»-Filme, die für manche meiner männlichen Mitschüler ein stärkerer Beweis ihrer Manneswerdung darstellten als alles andere. Nun, wenn sie es so sahen, dann muss es wohl auch so gewesen sein.

Zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Werke, die man gesehen haben musste, wurde aus den falschen Gründen angehimmelt. Boah, geil, «Pulp Fiction», Auftragskiller und Blut! «Dogma», haha, ein Kackemonster! Und so weiter. Aber: Selbst wenn die Motive rückblickend fragwürdig waren, so ist es gut, dass so unglatte, eigenwillige Filme geguckt wurden (und noch immer von pubertierenden Leutchen geguckt werden). Sind sie doch eine Art Einstiegsdroge für das Filmuniversum abseits der durch Marktforschung glattgebügelten, austauschbaren, nach altbekannten Formeln funktionierenden Massenfilme. Der Horizont erweitert sich durch diese Filme bruchstückhaft, aber stetig. Manche finden nach dieser turbulenten Pubertätsphase zurück in die behaglichen Arme von «Transformers» und Matthias-Schweighöfer-Romantikkomödien. Andere jedoch folgen dem neu entdeckten Pfad und werden vom pickligen Möchtegernrebellen zum ausgewachsenen Filmgenießer.

Na, Volksmund, hast du auch eine Beschreibung dafür?
30.06.2014 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/71553
Sidney Schering

super
schade


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