Jorges neue Dokusoap auf VOX stellte sich weitgehend als Zeitverschwendung für den Zuschauer heraus. Der Catwalk-Star durfte derweil ein Projekt bewerben, dessen Start noch nicht einmal zu sehen war.
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Jorge Gonzalez im Gespräch mit Quotenmeter.de.
Menschen haben in ihrem Leben die unterschiedlichsten Träume. Manch einer möchte Profisportler werden, andere wollen in der Politik den Reiz der Macht ausleben, wieder andere widmen sich sozialen Projekten, um anderen etwas von ihrem eigenen Reichtum und Glück zurück zu geben. Der seit einigen Jahren sehr populäre Catwalk-Trainer Jorge Gonzalez hatte schon seit langer Zeit die Vision, eine eigene Akademie zu eröffnen, in der er jungen Frauen die Freude am richtigen und lasziven Gehen vermittelt: Die so genannte
«Chicas Walk Academy», die bereits im Januar in Hamburg eröffnet wurde und laut Gonzalez "nicht erst für die Coaching-Doku bei VOX entstanden" sei, wie der diplomierte Nuklearökologe
im Interview mit Quotenmeter.de beteuert. Eine interessante Aussage, wo man in der ersten Folge des Formats Jorge auf der Suche nach einer richtigen Location begleitet. Nebenbei darf er noch einer Gruppe von Eishockey-Cheeleadern bei ihrem Ziel unter die Arme greifen, mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Klingt nicht so spannend? Ist es auch nicht.
Nach einer kurzen Skizzierung von Jorges Lebenslauf ist die am Dienstagabend gezeigte Auftaktfolge der Dokusoap in zwei thematische Schwerpunkte gegliedert: Zu Beginn und kurz vor dem großen Finale beäugt der gebürtige Kubaner zwei potenzielle Hallen für seine Akademie, von denen er allerdings aus diversen Gründen nicht wirklich begeistert ist. Im Mittelteil sowie in der groß inszenierten Abschluss-Szene hilft er den Ice Girls der Hamburg Freezers, die verzweifelt nach mehr Aufmerksamkeit für ihre Choreografien und ihre einzigartig grazile Bückbewegung beim Einsammeln der Pucks streben. Ihr Fernziel ist klar: So populär werden wie die Cheerleader-Stars in den Vereinigten Staaten. Um sich diesem Ziel anzunähern (und eine mediale Aufmerksamkeit durch die TV-Ausstrahlung zu generieren), heuern die Freezers Jorge an.
Dessen eigentliche Arbeit wird erst nach gut 20 Minuten Netto-Laufzeit gezeigt, zuvor bleibt aber noch Zeit für wegweisende Erkenntnisse, zu denen in dieser Schärfe und Konsequenz nur die ganz Großen der Branche gelangen: Es sei langweilig für die Zuschauer, wenn sie die Mädchen nur dabei beobachten, wie sie sich auf der abgedunkelten Eisfläche nach den Pucks bücken. Ferner sei es für ihr Streben nach Aufmerksamkeit sinniger, sie durch eine große Tanz-Performance mehr ins Rampenlicht zu rücken, als sie nach den Spielgeräten greifen zu lassen. Und in der Eingangshalle wird den Ice Girls weniger Beachtung zuteil als auf der großen Bühne auf und unmittelbar neben der Eisfläche. Und jetzt kommts: Als die Tänzerinnen am Ende der Folge auf den Stufen der Zuschauerränge groß in Szene gesetzt werden, fällt die Publikumsresonanz weitaus euphorischer aus als beim rituellen Puck-Bücken zuvor. Wer außer Jorge hätte darauf nur kommen können?
Neben diversen Schlaumeier-Sprüchen und abgestandenen Floskeln der Marke "traut euch", "glaubt an euch", "in jeder Frau steckt Potenzial, es muss nur entdeckt werden" oder "wie du gehst, so gehst du auch durchs Leben" zeigt er den heißen Chicas aber zwischenzeitlich dann auch aktiv, wie sie in High Heels zu laufen haben, ihre Körperhaltung verbessern können oder auf dem Catwalk eine gute Figur machen. Ob und inwiefern diese Übungen Cheerleadern bei ihrer Arbeit helfen können, sei einmal dahingestellt, eine Problematik ist jedoch offenkundig: Die Übungsstunden werden in der Sendung so spärlich und oberflächlich gezeigt, dass der Rezipient vor dem Bildschirm kaum die Möglichkeit hat, konkrete Fortschritte zu erkennen - sollte es diese gegeben haben.
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Überhaupt ist das Gesehene eine weitgehend inspirationsarme Dokusoap mit der Standard-Rezeptur des Genres: Jorge wird als großer Experte und Retter stilisiert, der beinahe übermenschliche Fähigkeiten hat und durch sein bloßes Dasein eine gigantische Magie ausstrahlt - wenn er nicht gerade im Off Weisheiten von sich gibt oder laut und durchdringend lacht. Es wird eine dramatische und fast ausweglose Situation kreiert, auf deren Lösung bis zum Erscheinen des Catwalk-Magiers niemand gekommen ist, besagter Hexenmeister aber bereits nach wenigen Momenten. Es gibt am Ende den völlig unvorhersehbaren (und für einigermaßen regelmäßige TV-Zuschauer dann eben doch umso vorhersehbareren) großen Triumph, der die gesamte Last löst, die zuvor auf den Protagonisten lag. Und am Ende ist alles gut.
Letztlich hinterlässt die «Chicas World Academy» den Eindruck, dass sie vor allem Jorge Gonzalez selbst dabei nützt, ein eigenes Projekt zu bewerben und seine TV-Präsenz weiter zu steigern. Immerhin: Er wirkt bei dieser Werbeveranstaltung gewohnt gut gelaunt, motiviert und sympathisch, wie er halt immer wirkt. Ob dieser Dokusoap-Einheitsbrei ohne Mehrwert und wirkliche Substanz dazu ausreicht, das Massenpublikum vor die Fernsehgeräte zu locken, werden die kommenden Wochen zeigen müssen. Inhaltlich ist nach dem mutigen «Sing meinen Song»-Überraschungshit nun dienstags wieder eine bereits hinlänglich bekannte Programmfarbe zu sehen, die irgendwo zwischen "joar, ganz nett" und "komplett austauschbar" anzusiedeln ist. Aber vielleicht öffnet ja in der zweiten Folge dann zumindest mal die Walk-Academy ihre Pforten.