Das Erste zeigte gestern am späten Abend mit «Michael Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel» einen sehr spannenden Film. Die Prime-Time war derweil mit einer seichten Wiederholung belegt.
Regisseur Lehmann (Robert Gwisdek) hat Großes vor: Er will Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“ verfilmen, ein deutsches Epos mit üppiger Finanzierung. Doch nach dem ersten Drehtag kommt die Hiobsbotschaft: Die Produzenten steigen aus, die Filmförderung wird gestrichen.
Lehmann will trotzdem weitermachen, statt der teuren Pferde sollen die Schauspieler auf Kühen reiten, Schwerter, Rüstungen und Armeen, für die kein Geld da ist, soll man sich vorstellen. Ein schlechter Scherz, meint die Hälfte des Teams und verlässt mit dem nächsten Bus den Drehort in der bayerischen Pampa in Richtung Zivilisation. Viele entscheiden sich aber, zu bleiben und die als Event-Film geplante Produktion in No-Budget-Form umzusetzen. Die weibliche Hauptdarstellerin (Rosalie Thomass), die als junger Shooting Star der Avantgarde-Szene gezeichnet wird, gibt sich ob des Finanzierungsdesasters gar erfreut: „Du wirst ihnen noch dafür danken, dass sie dir die Gelder gestrichen haben“, sagt sie zu Lehmann durch das Fenster des Taxis, in dem sie ins nächstgelegene Hotel kutschiert wird. Der Rest der Crew muss derweil in einer uralten Wirtschaft kampieren, in der auf dem Zapfhahn noch „Bluna“ steht.
Manchmal ist der Weg das Ziel, der Prozess des (fiktiven) Adaptierens das interessantere Untersuchungsfeld als eine weitere Version des zu adaptierenden Stoffs. Dieser Film, Aron Lehmanns «Michael Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel», ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Er funktioniert primär als Mediensatire, als Spiegelbild einer Kulturindustrie, die im Moment des Zusammenbruchs der Finanzierung in den Katastrophenmodus umschaltet, in dessen Rahmen sich ein Teil des Personals auf die künstlerischen Grundlagen seiner Arbeit zurückbesinnen will. Die Frage, ob das gelingt, will der Film bejahen, eine abweichende Argumentation scheint aufgrund der zahlreichen Zwischentöne aber durchaus vertretbar.
Aufgrund ihres Making-a-Film-within-a-Film-Charakters erinnert die Produktion natürlich an Michael Winterbottoms 2006 veröffentlichtes Meisterwerk
«A Cock and Bull Story», in dem von der Adaption von Laurence Sternes brillantem humoristischen Roman „The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman“ erzählt wird. Intellektuell gibt sich Lehmanns Film zwar nicht so spitz und schlagfertig wie Winterbottoms Meta-Fiction-Orgie. Dennoch lohnt sich ein Blick auf diese «Kohlhaas»-Verfilmungs-Verfilmung allemal.
Ach ja: Falls Sie sich wundern, wie ich auf dieses Thema gekommen bin. Der Film lief gestern Abend. Im Ersten. Um 23.00 Uhr. Der 20.15-Uhr-Sendeplatz war ja schon belegt, mit der Wiederholung einer
öden alten Folge von «Mord in bester Gesellschaft».
Selten haben Sendeplatz und Programmpolitik so gut zum inhaltlichen Konzept gepasst wie bei «Michael Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel».
A Cock and a Bull, kann man da nur noch sagen.
And one of the best of its kind, I ever heard.