Wie eine Piratenfee und das Schicksal, dieser miese Verräter, vorführen, dass auch während der WM gute Kinozahlen geschrieben werden können ...
Themenvielfalt ist in den heutigen Tagen kaum gegeben. Fußball-WM hier, FIFA-Weltmeisterschaft dort, „Fuppes“ überall. Nun, angesichts dessen, das selbst ein Spiel wie Uruguay gegen Costa Rica fast 9,50 Millionen Fernsehende an die heimischen Bildschirme lockt, muss ich wohl davon ausgehen, dass thematischer Abwechslungsreichtum aktuell auch kaum gefragt ist. Nun gut. Das soll mir recht sein. Denn ich möchte gerne ebenfalls einen Pfad beschreiten, der erst kürzlich von mir betreten wurde: Das Problem der von den Verleihern verursachten Kinoflaute während der WM.
Schon
kurz vor der WM erörterte ich bereits, dass Kinobetreiber große Fußballturniere nicht weiter fürchten müssten, wenn sich die Verleiher nicht übermäßig aufgrund des runden Leders ins Hemd machen würden. Es stimmt, dass in Deutschland die Kinobesuche massiv zusammenbrechen, wenn ein internationales Fußballturnier die Nation bannt. Jedoch ist während einer EM oder WM auch die Auswahl an großen Publikumsmagneten nahezu nonexistent. Würden mehr Filme laufen, die zahlreiche Kinogänger reizen, so wären auch die Besucherzahlen höher.
Der Grund, weshalb ich dies erneut anführe: Das nun hinter uns liegende Wochenende spielte meiner Argumentation reibungslos in die Karten. Am Sonntagmittag gingen ich und eine ebenfalls sehr filmvernarrte Freundin ins Kino, um «Tinkerbell und die Piratenfee» zu sehen. Wieso auch nicht? Immerhin muss man als Disney-Kenner Höhen wie Tiefen verfolgen. Und zu zweit wirkt man als Erwachsener in einer Familienvorstellung auf die anwesenden Kinder (und vor allem auf deren Eltern) auch gleich viel weniger suspekt. Was uns dann im Kinosaal erwartete? Viele kleine Mädels in rosa Klamotten, einige Väter mit riesigen Popcorntüten sowie … sehr wenige freie Sitze. Und unsere Vorführung war keine Ausnahme: Mit rund 110.000 Besuchern am Startwochenende eroberte der Disney-Kinderspaß Platz drei der Kinocharts – und dies ganz allein dank Früh- und Nachmittagsvorstellungen, denn «Tinkerbell und die Piratenfee» ist wahrlich kein Film, der abends besucht wird.
Der Vorläufer dieses Films, «Das Geheimnis der Feenflügel», verkaufte 2012 an seinem Startwochenende zirka 155.000 Eintrittskarten. Dieses sehr gute Ergebnis kam jedoch im November zustande, während «Tinkerbell und die Piratenfee» am späten Nachmittag mit der WM zu kämpfen hatte (welches fußballvernarrtes Elternteil würde in eine 16.45-Uhr-Vorstellung gehen und riskieren, die Vorberichterstattung zum Spiel Kolumbien – Griechenland zu versäumen?) sowie durchgehend mit sommerlichen (die Menschen ins Freie ziehenden) Temperaturen.
Wenn also ein Film wie «Tinkerbell und die Piratenfee», mit seinem eher begrenzten Appeal für ältere Kinder, Teenager oder erwachsene Animationsfans, unter diesen Bedingungen nur knapp unter seinem Vorläufer startet – wie gut hätte dann erst ein Film wie «Drachenzähmen leicht gemacht 2» abgeschnitten? Da auch im fußballverrückten Frankreich vor zwei Jahren «Ice Age 4 – Voll verschoben» der EM trotzte und dieses Wochenende «Drachenzähmen leicht gemacht 2» unter anderem in Russland einen großartigen Start hinlegte, ist es wohl realistisch zu behaupten: «Drachenzähmen leicht gemacht 2» würde auch zur WM-Phase hierzulande deutlich mehr Menschen interessieren als Disneys Feenfilm.
Und dann ist da ja noch die Romanadaption «Das Schicksal ist ein mieser Verräter», die nicht nur schön erzählt und berührend ist (wie etwa Kollegin Antje Wessels
hier erläutert), sondern zudem ein ansehnlicher Erfolg in den deutschen Lichtspielhäusern. Rund 150.000 Filmliebhaber schluchzten am Wochenende angesichts der Erlebnisse der Krebskranken Hazel Grace Lancaster und Augustus „Gus“ Waters in den abgedunkelten Sälen der deutschen Lande. Für eine Produktion dieser Kajüte ein löbliches Ergebnis – egal ob nun an WM-Maßstäben gemessen oder am Kinoalltag.
Was die Frage aufwirft, weshalb sich nicht auch wenigstens ein Streifen für die wirklich, wirklich breite Masse in die WM-Wochen traut. Als würde etwa bis zum Ende der Weltmeisterschaft niemand Lust haben, über «22 Jump Street» zu lachen. In den USA holte sich die Komödie gerade die Spitzenposition in den Kinocharts – und mit jeder Woche, die zwischen US-Start und Deutschlandstart vergeht, verliert der Film unnötig an Hype. Während gleichzeitig immer mehr nicht sonderlich legal handelnde Interessenten die Chance erhalten, ihn sich auf anderem Wege anzuschauen.
Liebe Verleiher: Dass muss nicht sein!