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EXKLUSIV Oliver Schmidt: „Den Titel holt Deutschland nicht“

Oliver Schmidt kommentiert heute Abend das Spitzenspiel Holland gegen Spanien im Zweiten. Im Exklusiv-Interview mit Quotenmeter.de erklärt er wie ein Kommentator arbeitet und welche Chancen er der deutschen Elf bei der WM einräumt.

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Nicht nur das Nachlesen einiger Informationen, auch der Austausch mit Kollegen aus dem Ausland sei wichtig. „Natürlich ist der persönliche Kontakt heute schwieriger mit irgendwelchen Protagonisten, in der WM-Vorbereitung telefoniert man jedoch auch mit einem Kollegen in Holland oder mit einem Beobachter aus Belgien und so weiter. Da kommen jetzt im Normalfall auch keine harten Fakten rüber, aber einfach so ein paar interessante Eindrücke und manchmal sind ja auch die Bewertungen national anders als international. Wir bewerten ja unsere Mannschaft in Deutschland sicherlich aktuell strenger, als das im Ausland der Fall ist und das ist dann durchaus interessant.“

Gerade die immer ausgeklügelteren Taktiken im Fußballsport wirken sich auf die Arbeit der Sportreporter aus: Laut Schmidt hätten sich die entsprechenden Anforderungen auf jeden Fall verändert. Der TV-Kommentator des ZDF sagt: „Ich glaube taktische Dinge haben eine höhere Relevanz. Ich war ja auch schon in den 90ern Redakteur bei anderen Kollegen und da ging es eigentlich fast gar nicht um Taktik. Heutzutage wechseln Taktiken während eines Spiels und dann sollte der Reporter schon irgendwie auf der Höhe sein, um zu erklären, was sich beispielsweise durch Auswechslungen verändert: Wenn jemand plötzlich mit zwei oder drei Stürmern spielen lässt und vorher eine Stunde lang nur mit einem und sich dadurch etwas verändert oder Seiten getauscht werden. Taktisch muss man einfach ein bisschen mehr aufpassen und ich glaube auch es ist immer ein schmaler Grat, gerade bei Weltmeisterschaften: Es gibt halt die, die sich mit allem auskennen und sich für alles interessieren und auch schon alles wissen. Manchmal sogar mehr als der Reporter, der durchs Land reist und weniger Spiele sieht als mancher Fußball-Dauergucker. Aber dann gibt es eben auch die, die gerade einmal alle vier Jahre einschalten und völlig jungfräulich zum Fußball kommen und dann sollte man, wenn man mit Begriffen rumwirft, diese vielleicht auch immer in einem Halbsatz erklären.“

Schon im Vorfeld der Auseinandersetzung zwischen Deutschland und den USA im Rahmen der Gruppenphase, sorgt vor allem die Konstellation von Jogi Löw bei Deutschland und den beiden deutschen USA-Trainern Jürgen Klinsmann und Berti Vogts für Aufsehen, einen Nachteil sieht Oliver Schmidt in der ehemaligen Zusammenarbeit zwischen Joachim Löw und Jürgen Klinsmann jedoch nicht, wenn er einen Blick auf Deutschlands Gruppenphase wirft. „Ich glaub das Insider-Wissen kann nicht von Nachteil sein. Heutzutage kennen sich alle so gut und haben jeweils zweimal auch die Gelegenheit sich in den anderen beiden Gruppenspielen gegenseitig auszuspionieren, dass da eh wenig Geheimnisse auf dem Teller liegen. Hier sind es dann wahrscheinlich gar keine mehr, aber ich denke das ist auch nicht entscheidend. Es wird möglicherweise zu einer Konstellation kommen, wo es für beide um alles geht, was vielleicht die beste Konstellation wäre, aber natürlich hat das eine mediale Brisanz, weil die Wahrnehmung wohl erst einmal darauf liegen wird. Das ist dann auch irgendwie ganz schön bis zum Anpfiff, danach ist es einfach eine sportliche Auseinandersetzung, mehr eigentlich nicht. Dass man sich acht Jahre nach der Zusammenarbeit bei der WM in Deutschland, zumindest was Klinsmann und Löw angeht, jetzt wieder auf Augenhöhe bei einer WM gegenübersteht: Sicherlich spannend. Wenn ich die Gruppe so für mich durchdenke, glaube ich schon, dass das für beide Mannschaften ein entscheidendes Spiel wird. “

Die Vorrunde ist die schwierigste seit Jahren bei einer Weltmeisterschaft. Mein WM-Tipp, sowohl als Überraschungsteam als auch für den Gewinn der Weltmeisterschaft war eigentlich Uruguay, bis die Nachricht über die Verletzung von Suarez kam. Wenn er dabei ist, traue ich ihm wirklich viel zu. Ich habe sie in Südafrika auch zwei oder drei Mal live erlebt und die haben mir richtig gut gefallen.
WM-Kommentator Oliver Schmidt über die deutsche Elf
Neben den ohnehin schweren Teams, die in der Vorrunde auf Deutschland warten, findet der ZDF-Sportreporter auch die Ansetzung der Partien unglücklich. „Durchaus in der Konstellation finde ich es schwierig, dass das erste Spiel gegen Portugal ist, denn ich glaube schon dass das der stärkste Gegner in der Gruppe ist. Gegen Portugal haben wir jetzt bei der EM gewonnen vor zwei Jahren, aber man schießt erfahrungsgemäß nicht wirklich viele Tore gegen die. Irgendwie spricht dieses Spiel für ein 0:0, was vielleicht nicht unbedingt das schlechteste Ergebnis wär. Wenn es im Worst-Case ein 0:1 wird, weil Ronaldo so gut ist, dann wär‘s sicherlich eine relativ schlechte Ausgangssituation, weil man gegen Ghana auch nicht so leicht Tore macht. Möglicherweise ist man dann im letzten Spiel, alles natürlich in düsteren Gedanken, auch nicht von einem eigenen Sieg abhängig, sondern auch von einem Parallelspiel.“

Statt einem Shootingstar, wie 2010 Thomas Müller, prophezeit Oliver Schmidt einem alten Bekannten eine fulminante WM-Performance: „Ich habe immer das Gefühl es wird das, ich weiß nicht wievielte Comeback von Lukas Podolski, der sich merkwürdigerweise immer, wenn es zu Turnieren geht, in Form bringt. Ich habe neulich erst im Kicker gesehen, dass er die geringsten Einsatzzeiten von allen Nationalspielern hatte, das spricht aber eigentlich dafür, dass er wieder mal der Fitteste ist und der der wieder mal einen Großteil dazu beitragen wird, obwohl er ja während der Quali eher als Ersatzspieler unterwegs war.“ Weitere Shooting-Stars der WM sieht Schmidt in alten Bekannten wieder. „Mich würde es nicht wundern, je nachdem, wie fit Herr Ronaldo ist, dass er vielleicht auch endlich mal aus seiner Sicht ein großes Turnier spielen könnte. Die EM vor zwei Jahren war ja schon nicht schlecht. Wenn er fit ist, was ja Stand heute ein bisschen in Frage steht, könnte es sein, dass Luis Suarez das, was er jetzt in England gezeigt, vor allem im letzten Jahr, mal auf eine WM kriegt."

Aus deutscher Sicht aber geht der Kommentator erst einmal mit allenfalls vorsichtigem Optimismus in das Turnier: „Den Titel holt Deutschland nicht, da bin ich mir eigentlich relativ sicher und es ist tatsächlich alles möglich, wobei ich für ein Vorrunden-Aus eine geringere Wahrscheinlichkeit sehe. Realistisch ist sicherlich Viertelfinale, wenn man sich auch das Tableau anschaut. Da sollte Viertelfinale und Halbfinale durchaus realistisch sein, wenn man die Vorrunde übersteht. Aber ich glaube die Vorrunde ist die schwierigste seit Jahren bei einer Weltmeisterschaft. Mein WM-Tipp, sowohl als Überraschungsteam als auch für den Gewinn der Weltmeisterschaft war eigentlich Uruguay, bis die Nachricht über die Verletzung von Suarez kam. Wenn er dabei ist, traue ich ihm wirklich viel zu. Ich habe sie in Südafrika auch zwei oder drei Mal live erlebt und die haben mir richtig gut gefallen, weil sie ja nicht mehr diese Rumpeltruppe waren, die man aus den 60ern oder 80ern kannte. Auch da hat ja Suarez im Halbfinale leider gefehlt wegen dieser roten Karte gegen Holland. Ich finde sie haben sich da wirklich super aus der Affäre gezogen und immer noch eine sehr gute Mannschaft, die ja bis auf Forlán, der ja schon eher im Rentenalter ist, die die letzten vier Jahre auf hohem Niveau gespielt hat auf vielen Schlüsselpositionen und sich eigentlich nochmal weiterentwickelt hat. Wenn Uruguay die Gruppe übersteht, traue ich ihnen alles zu.“
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13.06.2014 11:09 Uhr Kurz-URL: qmde.de/71276
Timo Nöthling

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