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Leitfaden eines Ahnungslosen

Julian Miller hat's nicht so mit Fußball. Das erschwert ihm gerade die Kolumnenarbeit. Massiv. Eine kleine Meta-Ausgabe.

Wenn man sich allenfalls marginal für Fußball interessiert, hat man es als Redakteur mit einer Fernsehkolumne in diesen Tagen schwer. Meinem geschätzten Kollegen Sidney Schering, der montags an dieser Stelle sein „Popcorn und Rollenwechsel“ veröffentlicht, ging es bei einem anderen Anlass vor ein paar Jahren mal recht ähnlich.

Sehr dankbar bin ich schon mal der FAZ, deren Leitfaden für Ahnungslose dafür sorgen wird, dass mein soziales Leben die nächsten Wochen halbwegs unbeschadet überstehen wird.

Aber an dieser Stelle hilft das nicht sonderlich viel. Denn abseits des Fußballs sieht es programmlich ziemlich mau aus. Das Medienrauschen wird, wie viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens auch, die nächsten vier Wochen auf ein Minimum heruntergefahren.

Meine Sportart ist ja sowieso eher Autoball. Ist an einem kurzweiligen Abend abgefrühstückt, herrlich skurril und wunderbar komisch. Die Grenzen zwischen Multimilliarden-Dollar-Ereignissen, die wie die FIFA-WM im riesigen Politikum ausarten, und Gaga-Veranstaltungen von innovativen Fernsehmachern sind für mich ziemlich fließend. Mein Sepp Blatter heißt Stefan Raab, mein Weltmeister Giovanni Zarrella, mein Underdog Eko Fresh. Sonderbares Zeug wie die Abseitsregel muss ich nicht verstehen, weil nicht vorhanden, und Brainpool käme im Leben nicht auf die Idee, den Austragungsort nach Katar zu verlegen. Wobei das auch egal wäre: Autos haben Klimaanlagen.

Ohnehin: Wieso werden Raabs Sport-Ideen eigentlich hinter hervorgehaltener Hand immer belächelt? Basketballer werfen ihr Leder eben durch einen drei Meter über dem Boden hängenden Ring, während Autoballer das Ding motorisiert in ein Tor wuchten. Prinzipiell ist doch beides gleich lächerlich. Glaubt man Yossarian, der Hauptfigur aus Joseph Hellers monumentalem Roman „Catch-22“, sind Preise und Trophäen ohnehin nichts wert, ganz egal bei welcher Sportart: „Alles, was sie beweisen, ist, dass ihr Besitzer etwas vollkommen Unnützes besser gemacht hat als alle anderen.“

Eat that, Olympisches Komitee.

Wobei. Moment mal: Einen Unterschied gibt es ja doch, zwischen den etablierten Mega-Events und den Spaß-Veranstaltungen aus dem Hause Raab. ProSieben muss in der linken oberen Ecke permanent „Dauerwerbesendung“ einblenden, weil der ganze Zirkus auch durch Sponsoring finanziert wird. Bei den FIFA-Turnieren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fehlt eine solche Kennzeichnung, trotz massenweise Bannerwerbung, die ja auch nicht zum Nulltarif vertickt wird.

Absolut konsequent und logisch. So wie der Elfmeter für die Brasilianer gestern Abend.

Wo kann man das nochmal anfechten? Ach ja, richtig: nirgendwo. Gut zu wissen.

Ok, ok, ich hör' schon auf. Wenn der Miller vom Fußball schreibt, ist das, als würde ein Blinder von der Farbe sprechen. Oder Dieter Bohlen von netten Umgangsformen. Oder Franz Beckenbauer in mehreren, grammatikalisch korrekten, zusammenhängenden Sätzen.

Immerhin ist es in Usedom diesmal schön leer.
13.06.2014 13:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/71272
Julian Miller

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