Bevor es in die Sommerpause geht, müssen Torsten Lannert und Sebastian Bootz nochmal ran. Ihr Weg führt sie am Montagabend in den Knast.
Cast und Crew
Vor der Kamera:
Richy Müller («Ein todsicherer Plan») als Torsten Lannert
Felix Klare («Der Wagner-Clan») als Sebastian Bootz
Carolina Vera («Katie Fforde: Sommer der Wahrheit») als Emilia Álvarez
Mimi Fiedler («Mordsfreunde») als Nika Banovic
Herbert Knaup («Seegrund») als Franke
Hans-Heinrich Hardt («Alle Zeit der Welt») als Schultz
Valerie Koch («Sie haben Knut») als Barbara Scheffler
Hinter der Kamera
Produktion: Maran Film GmbH und SWR
Drehbuch: Martin Eigler und Sönke Lars Neuwöhner
Regie: Martin Eigler
Kamera: Andreas Schäfauer
Produzent: Nils ReinhardtWie begeht man den perfekten Mord? An dieser Frage haben sich schon viele Filmemacher abgearbeitet.
Hitchcock dürfte die
mitunter bekanntesten Beispiele geliefert haben.
Natürlich geht es am «Tatort»-Abend im Ersten hinsichtlich des intellektuellen und dramaturgischen Anspruchs deutlich gediegener und simpler zu: Sebastian Bootz steht in der Wohnung einer toten Frau. Irina Meinert heißt sie, ihr Ex-Mann Holger Drake hat einen Spitzengrund, sie umzulegen, und noch dazu findet man am Tatort raue Mengen seiner DNA. Blöd nur, dass das Alibi dieses Typen noch besser ist als sein Mordmotiv: Er sitzt schon seit Jahren im Knast, weil er den Liebhaber seiner Ex totgeschlagen hat.
Die weiteren Ermittlungen ergeben deutliche Parallelen zu einem älteren Fall. Bei einem Mord von vor zwei Jahren deutete alles auf einen Täter hin, der im selben Gefängnis sitzt wie Drake: der JVA Zuffenhausen, den renommiertesten schwedischen Gardinen im ganzen Ländle.
Man muss nicht Bootz oder Lannert heißen, um erkennen zu können, dass da was faul ist im Staate Baden-Württemberg. Und so wird schließlich beschlossen, Lannert undercover als Wärter in den ominösen Knast zu schicken, damit er dort die Seilschaften auskundschaften kann. Es tun sich Abgründe auf: Der Leiter des Allgemeinen Vollzugs, ein bodenständiger, aber hinterlistiger Kerl, den alle Vollzugsbeamte nur den „King“ nennen, hat ein Netz aus Abhängigkeiten gesponnen, indem er patenten Häftlingen alles vom Koks bis zu den Nutten in den Hochsicherheitstrakt schleusen lässt, und einen Teil des Geldes an die unteren Dienstränge weiterleitet, damit die da mitmachen und nicht auspacken.
Einer dieser Vollzugsbeamten, die sich für King die Hände schmutzig gemacht haben, ist Carsten Scheffler. Den nimmt die ganze Sache mittlerweile so stark mit, dass er sogar im Dienst zur Flasche greift. Seine Gattin hält die Paranoia ihres labilen Säufermannes schon lange nicht mehr aus, sein Schwiegervater arbeitet auch in der JVA und hat ihn damals in Kontakt mit den dubiosen Geschäften gebracht.
Doch das Leitmotiv dieses «Tatorts» sind die Ex-Frauen. Das Mordopfer der Eröffnung ist eine, Sebastian Bootz hat eine und Lannert tut undercover so, als hätte er eine. Doch Bootz' ständige Auseinandersetzungen mit seiner Verflossenen über Sorgerecht und Scheidungsanwalt lenken eher unnötig vom Kernthema ab, als dass es durch sie gelänge, die erste Ebene emotional ein bisschen zu erden. Die von Valerie Koch sehr eindrucksvoll vorgetragenen schwäbelnden Erklärungsmonologe der zerrütteten Barbara Scheffler, die mit Mann und Schwiegervater einiges mitgemacht hat, tun den Zweck viel eleganter.
Auch Herbert Knaups Spiel als kauzig-durchtriebener zweiter Mann in der Knastverwaltung ist sehr spannend anzusehen, während Richy Müller und Felix Klare sich stellenweise bemühen müssen, die etwas dicker aufgetragenen Passagen des Drehbuchs ein wenig an Pathos abzuspecken.
Doch ansonsten greifen die dramaturgischen Rädchen hervorragend ineinander. Handlungsentwicklungen, die sich so logisch, glaubwürdig und folgerichtig ergeben wie in „Freigang“, sieht man nicht in jedem «Tatort». Allein: Man hätte sich eine stärker ausgeprägte Betrachtungsebene gewünscht, die hin und wieder einen größeren Schritt zurück machen würde, um die kriminellen Umtriebe in der JVA Zuffenhausen vielleicht auch allegorisch deuten zu lassen.
Wobei: Vielleicht liegt die Stärke von „Freigang“ gerade darin, dass das unterlassen wird, dass man sich stattdessen auf eine klare und clever geschriebene Handlungsebene konzentriert und nicht – was schon seit längerem zu
der «Tatort»- und «Polizeiruf»-Krankheit geworden ist – krampfhaft versucht, gesellschaftlich relevante Themen plump in die Stoffe zu verweben, um dann so zu tun, als übe man Sozialkritik. Das lässt die neue Ausgabe aus Stuttgart schön bleiben. Und macht damit vieles richtig.
Das Erste zeigt «Tatort – Freigang» am Montag, den 9. Juni um 20.15 Uhr.