John Malkovich als psychopathischer Pirat im frühen 18. Jahrhundert. Das klingt zumindest interessant. Julian Miller mit einem First Look.
Hinter den Kulissen
- Produktion: Parkes / MacDonald Productions und Universal Television
- Schöpfer: Neil Cross, James V. Hart und Amanda Welles
- basierend auf dem Buch "The Republic of Pirates" von Colin Woodard
- Darsteller: John Malkovich, Yasmine Al Masri, Richard Coyle, Claire Foy, David Hoflin, Tracy Ifeachor und Chris Perfetti u.v.a.
- Executive Producer: Neil Cross, Walter F. Parkes, Laurie MacDonald und Ted Gold
John Malkovich
verströmt nicht selten eine Aura des Unheimlichen. Eine Qualität, die er für seine neueste Rolle in der NBC-Serie «Crossbones» gut gebrauchen kann. Dort spielt er den legendären Piraten Blackbeard, der zusammen mit seinen Anhängern im frühen 18. Jahrhundert den atlantischen Ozean zum Schauplatz zahlloser blutrünstiger Morde gemacht hat.
Doch bevor Malkovich im Piloten zum ersten Mal auftreten darf, muss erst anderswo allerhand Expositionsarbeit betrieben werden: Blackbeard gilt für die englischen Behörden in den karibischen Kolonien schon länger als tot. Doch der Gouverneur von Jamaika hegt daran langsam beträchtliche Zweifel. Und das gerade jetzt, wo Wichtiges ansteht: Ein Wissenschaftler hat ein spezielles Chronometer entwickelt, mithilfe dessen sich auf See zu jeder Zeit die genaue Lage des eigenen Schiffes bestimmen lässt – im Jahr 1714 eine bahnbrechende Erfindung, die das Piratenproblem ein für allemal beseitigen könnte. Ein Prototyp existiert bereits, samt ausführlicher, akribisch kodierter Bau- und Bedienungsanleitungen. Blöderweise steht dieses ganze Zeug aber in der Karibik, wo es entwickelt wurde. Um damit der Auslöschung der Piraterie zum Durchbruch zu verschaffen, muss es nach England gekarrt werden, quer über den Atlantik, wo vielleicht Blackbeard und seine finsteren Gestalten warten.
Um diesen hübschen MacGuffin zu beschützen, engagiert die örtliche Kolonialverwaltung den feschen Tom Lowe (Richard Coyle). Und Blackbeard soll er am besten auch noch töten. Wie es die Dramaturgie eines Piloten so will, wird das königliche Schiff natürlich gleich zu Beginn in ausladend inszenierten Szenen von der wüsten Meute gekapert, Hälse werden in Großaufnahme durchgeschnitten, Schwerter in Körperstellen gerammt, in denen man bitte nie ein Schwert spüren möchte – und Tom Lowe kann gerade noch den Prototypen zerstören und dessen Erfinder um die Ecke bringen (seine Logik: Intellektuelle halten Folter bekanntermaßen nicht so lange aus wie gewiefte und athletische Dreitagebartträger im Dienste der Krone), bevor er zusammen mit seinem weinerlichen Adjutanten gekidnappt und zu Blackbeard gebracht wird.
«Crossbones» belässt es jedoch nicht beim möglichst voluminösen Ausstaffieren opulenter Kampfszenen und einer reinen Hunt-Dramaturgie, John Malkovichs schauspielerische Versatilität bleibt nicht ungenutzt. In zahlreichen Dialogen – alle im elegant klingenden Duktus des 18. Jahrhunderts gehalten, bei dem selbst Tristram Shandy schwindelig werden würde – gehen Blackbeard und Lowe eine starke zweite Ebene an, die sich mit Themen wie Gerechtigkeit, Rache und Glaube auseinandersetzt. Sicherlich: Es mag im amerikanischen Fernsehen bereits tiefsinnigere Auseinandersetzungen damit gegeben haben; «Crossbones»' Hauptcharaktere entwickeln jedoch durchaus spannende Gedankengänge, die die Autoren kunstvoll, eloquent und zu den Figuren passend verbalisieren konnten. Dass man Malkovich auch heute noch gerne beim stundenlangen Monologisieren zuhören kann, steht ohnehin außer Frage.
In seiner Mischung aus spannungsgeladener Story, hochwertiger Inszenierung, talentierten bis hervorragenden Darstellern und einer stärker ausgeprägten zweiten Ebene, als man erwartet hätte, entpuppt sich «Crossbones» auf den ersten Blick als ein interessantes, kurzweiliges Format, das mit einer nicht gänzlich fremden Programmfarbe den «Hannibal»-Sendeplatz zumindest thematisch warm halten könnte.