Viele Jahre galt Günther Jauch als Quizonkel der Nation, mittlerweile ist er der erfolgreichste Talker der Republik. Über die Erfolge in der ARD und Jauchs schleichendes Ende bei RTL.
Das Thema am Sonntag
«Günther Jauch» läuft am Sonntag erst nach der Fußball-Übertragung ab 23.00 Uhr und nimmt sich dann das runde Leder auch als Thema. "Fußball-WM in Brasilien – Fest oder Fiasko?" diskutiert Jauch unter anderem mit dem künftigen RTL-Experten Jens Lehmann, ZDF-Kommentator Bela Rethy, Fußballfan Peter Lohmeyer und den Politikern Claudia Roth und Edmund Stoiber.Über 30 Jahre ist Günther Jauch nun im Fernsehgeschäft, eine stattliche Zeit. Rückblick: Vor fünf Jahren gab der beliebteste Moderator Deutschlands eines seiner seltenen tiefgründigen Interviews, ein fast intimes Geständnis im „Zeitmagazin“. Von Zweifeln an sich selbst und an der Entwicklung des Fernsehens war dort die Rede: „Wie lange ist das noch meine Fernsehlandschaft?“, fragte sich Jauch im Jahr 2009. „Was wäre, wenn ich kein Fernsehen mehr machen würde?” Die Leute würden ihn immer mehr vergessen, schnell, antwortete er selbst. „Was ich gemacht habe, ist nichts Bleibendes.”
2009, das war das Jahr, in dem Jauch mit «Wer wird Millionär?» gerade zehn Jahre auf Sendung war. Das Jahr, in dem «5 gegen Jauch» fulminant startete und das Jahr, in dem der Moderator beschloss, kürzer zu treten: „Ich bin neugierig darauf, mal ein halbes oder ein ganzes Jahr auszusteigen. Ich habe keine Ahnung, wie das ist. Aber eines weiß ich: Es wird weniger werden mit mir im Fernsehen.“ Diese Absichten hat er in die Tat umgesetzt: Anfang 2011 verließ er «Stern TV», nach über 20 Jahren. Die Folgenanzahl von «Wer wird Millionär?» wurde zurückgefahren. Und Jauch hat keine neue Show mehr moderiert seitdem, abgesehen vom größten Engagement der jüngeren Zeit: seiner eigenen Talksendung im Ersten.
Im besagten Jahr 2009 sah es nicht so aus, als würde der Polit-Talk jemals zustande kommen: Zweieinhalb Jahre war seine Absage an die ARD damals her, Anfang 2007 entschied er sich gegen das Format als Nachfolge von Sabine Christiansen. Die Worte von den „Gremien voller Gremlins“, die Einfluss nehmen wollen auf die Arbeit von Jauch, hallen heute noch nach. „Ich hatte am Ende das Gefühl, dass man mich an möglichst kurzer Leine um die Anstalt rennen lassen wollte“, sagte Jauch nach seiner Absage dem „Spiegel“. Bald reflektierte er: Mit 50 habe das Engagement in der ARD nicht geklappt, vielleicht mit 55?
Fast genauso kam es, als rund viereinhalb Jahre nach der Absage «Günther Jauch» startete und sich schnell als erfolgreichste Talkshow im deutschen Fernsehen etablierte. Der Name Jauch, er zieht immer noch, auch im Polit-Bereich. Die Zuschauerzahlen seiner ARD-Sendung haben sich stetig gesteigert, nach 4,53 Millionen im ersten Jahr sind es mittlerweile durchschnittlich 4,97 Millionen. Die Quoten gingen ebenfalls nach oben, von 15,5 Prozent beim Gesamtpublikum auf mittlerweile 17,4 Prozent. Auch bei den jüngeren 14- bis 49-Jährigen liegt das Format klar über dem Senderschnitt. Damit ist er erfolgreicher als Anne Will und auch Sabine Christiansen.
Zugegeben, Jauch hat derzeit die besten Bedingungen: Hoeneß, Schumacher, Schwarzer, ADAC – polarisierende Boulevard-Themen wie diese brachten dem Talker hervorragende Zuschauerzahlen ein. Echte Polit-Diskussionen treten teilweise in den Hintergrund, doch die Quote gibt Jauch gute Argumente. Die Sendung zum Thema „Großbordell Deutschland“ holte im November 2013 satte fünf Millionen Zuschauer.
Im Rahmen der diversifizierten Themenpalette – die überdies auch bei anderen ARD-Talks festzustellen ist – profitiert Jauch auch vom anhaltenden Erfolg des «Tatort»: Der Krimi-Klassiker am Sonntagabend feiert in diesen Jahren ungeahnte Erfolge, gerade auch beim jungen Publikum und in den sozialen Medien. Es ist, als habe sich Fernsehdeutschland stillschweigend auf diese eine TV-Institution geeinigt, die nicht heruntergeschrieben darf, die nicht sterben darf. Ganz im Gegensatz beispielsweise zu «Wetten, dass..?». Und so eilt der «Tatort» von einem Quotenerfolg zum nächsten, und «Günther Jauch» profitiert vom Vorprogramm. Nicht selten behandelt man im Talk das Thema, das im «Tatort» bereits hergehalten hat. Zuletzt beispielsweise am 11. Mai, als über Jugendgewalt diskutiert wurde.
Es ist eine große Erfolgsgeschichte, diese Talkshow im Ersten. Eine, die noch viele Jahre bestehen könnte. Die andere Karriere des Günther Jauch – die als Showmaster – neigt sich dagegen schleichend dem Ende zu: Moderationen bei seinen eigens produzierten Formaten übernimmt er kaum noch, höchstens tritt er als Teilnehmer in Erscheinung – bei «5 gegen Jauch» oder bei «Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen alle». Letzteres ist das perfekte Beispiel für die Probleme von Jauchs Produktionsfirma i&u: Zu glattgespült wirken die Shows, zu austauschbar und ohne echten Event-Charakter. Welche Erwartungen hatten wir Zuschauer an das große angekündigte Format, in dem Jauch
und Gottschalk zusammen auftreten würden? Heraus kam ein relativ beliebiges Ratespiel, das das Potenzial der beiden Showgrößen aufgrund seiner konzeptuellen Starre ungenutzt ließ und zu oft zu schnell hintereinander versendet wurde. Schon nach vier Ausgaben lagen die Quoten auf vergleichsweise gewöhnlichem Niveau – trotz dieser Namen. Es ist symptomatisch für viele Programme der heutigen TV-Landschaft: Man gibt sich mit Mittelmaß zufrieden, obwohl vieles besser sein könnte. Daran schuld sind nicht nur die Produzenten, sondern auch die Sender, die immer günstiger arbeiten wollen.
Ein wenig gilt dies auch für «Wer wird Millionär?», dessen Folgenanzahl in der kommenden Season wohl weiter gekürzt wird: Samstags ist Quizonkel Jauch längst nicht mehr auf Sendung, freitags bereits jetzt schon sehr selten. Auf gerade einmal sechs Freitagsausgaben kommt die Show im Jahr 2014 bisher. Im Herbst plant RTL auf diesem Sendeplatz unter anderem die neue Castingshow «Rising Star», im Frühjahr vermutlich wieder «Let’s Dance»; für Jauch bleibt hier wenig Platz.
Seit 2012 hat sich «WWM?» auf einem gewissen Quotenniveau stabilisiert: Rund fünfeinhalb Millionen schauen nach wie vor zu, beim Gesamtpublikum kommt man auf weiterhin gute 16 bis 17 Prozent Marktanteil. Bei den 14- bis 49-Jährigen liegt man mit rund 15 Prozent noch über dem RTL-Durchschnitt, wenn auch nur minimal. Die letzten Wochen zeigten jedoch ein düsteres Bild: Seit Februar überschritt Jauch nur einmal die Marke von 15 Prozent, im Mai lag man oft sogar nur bei weniger als 13 Prozent. Es scheint, als würde der Wegfall der Freitags-Ausstrahlung dem Format insgesamt nicht gut tun, die Montagsfolgen jedenfalls schwächeln seitdem stärker als zuletzt. Die Zukunft des Formats könnte in einer Eventisierung liegen, wie zuletzt beim zweistündigen Überraschungs-Special: Mit 6,65 Millionen Zuschauern holte «WWM?» die höchste Reichweite seit Mitte Januar, gleiches gilt für die Quote beim Gesamtpublikum. Symptomatisch: Die starken Werte vom Januar rühren vom „Zocker-Special“ her, einer weiteren Event-Ausgabe der Quizshow. In solchen Ideen liegt die Zukunft von «Wer wird Millionär?», das mit seinen normalen Folgen vor allem bei den Jüngeren kaum noch attraktiv ist.
Radio-DJ, Sportmoderator, Quizonkel der Nation, Produzent, Polit-Talker: Günther Jauch hat in seiner Laufbahn wenig ausgelassen, in der ARD erlebt man sozusagen seine nächste, seine fünfte Karriere. Auch diese ist wieder von Erfolg gekrönt, wie fast alles, das Jauch auf den Bildschirm oder in die Radiogeräte gebracht hat. Dass seine Zeit als Showmaster langsam ausklingt, ist da umso mehr zu verkraften. Als Entertainer hat sich Jauch ohnehin nie gesehen.
Vor fünf Jahren, in besagtem „Zeitmagazin“-Interview, erinnerte sich Jauch an seine Kollegin Ilona Christen, die mit 48 Jahren und nach dem Ende ihrer Talkshow freiwillig ausstieg aus der Fernsehbranche. „Sie macht mir Hoffnung, dass es nicht zwangsläufig zu Entzugserscheinungen führen muss, wenn man diesen Job nicht mehr macht. Ich bilde mir ja ein, dass ich ein anderes Leben jenseits des Fernsehens führen könnte. Aber ich wähle bewusst den Konjunktiv, weil ich es nicht weiß.“ In zwei Monaten wird Günther Jauch bereits 58 Jahre alt. Noch will er nicht wissen, wie sich die Entzugserscheinungen vom Fernsehen anfühlen. Im Gegenteil: Es scheint ein wenig so, als habe die neue Talker-Karriere des Günther Jauch gerade erst begonnen.