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«Sherlock»: Eine Legende kehrt zurück

Zwei Jahre mussten die Fans von «Sherlock» warten, bis sich der Cliffhanger, wie sich der vermeintliche Suizid des Detektivs am Ende der zweiten Staffel aufklären würde, auflösen sollte. Ende Mai schickt das Erste nun endlich das Ergebnis der zweijährigen Arbeit auf Sendung.

Filmfacts: «Der leere Sarg»

  • Ausstrahlung: 29. 05. / 21:45 Uhr
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 90 Min.
  • Kamera: Steve Lawes
  • Musik: David Arnold, Michael Price
  • Autor: Mark Gatiss
  • Regie: Jeremy Lovering
  • The Empty Hearse (UK/2013)
Der Siegeszug der britischen Crime-Serie «Sherlock» gleicht einer Bilderbuch-Erfolgsstory. Startete die Auftaktfolge der Debüt-Staffel, «Ein Fall von Pink», im Juli 2011 vor rund 8,7 Millionen britischen Zuschauern, versammelten sich für «Ein Skandal in Belgravia», Folge eins der zweiten Season, bereits knapp elf Millionen Fans vor den Fernsehschirmen. Das Staffelfinale, «Der Reichbachfall», verzeichnete zwar nicht die höchsten Einschaltquoten, ließ das Publikum jedoch mit einem beispiellosen Cliffhanger zurück und bildete den Auftakt für ein nie dagewesenes Rätselraten in der britischen TV-Geschichte. Wie hatte der berühmte Detektiv, der in der Neuauflage von Steven Moffat im London der Neuzeit ermittelt, den augenscheinlichen Selbstmord in Form eines Hochhaus-Sturzes bloß überlebt? Auch in Deutschland sollte das «Sherlock»-Fieber bald um sich greifen. So verzeichnete die ARD trotz des vom Vereinten Königreich herübergeschwappten Hypes zwar lediglich durchschnittlich rund drei Millionen Zuschauer pro Folge und Staffel, eine eingeschworene Fangemeinte sollte sich jedoch auch hierzulande bilden. Die DVD-Boxen zur Serie wurden zum Verkaufsschlager, Merchandising in Form von T-Shirts, Postern und Büchern erhielt Einzug in namhafte Nerd-Läden. Und so sollten zwischen der Frage aller Fragen und der entsprechenden Auflösung ganze zwei Jahre vergehen, bis das Dreamteam aus dem mittlerweile zum Hollywood-Beau aufgestiegenen Benedict Cumberbatch («Star Trek Into Darkness») und Neu-Hobbit Martin Freeman erneut zusammen vor die Kamera treten sollte. Das Projekt: Die dritte Staffel von «Sherlock».

Knapp 13 Millionen Briten, so viele wie nie zuvor, verfolgten die Auftaktfolge «Der leere Sarg» am Neujahrstag 2014. Gleich in der aller ersten Szene wird das Publikum mit all dem konfrontiert, das es in den vergangenen zwei Jahren in Foren geschrieben, in Podcasts ausgedacht oder im stillen Kämmerlein zusammenanalysiert hat. Der Prolog zu «Der leere Sarg» ist nicht weniger als eine Hommage an den Einfallsreichtum der weltweiten Fans, die in akribischer Kleinarbeit das Rätsel um Sherlocks vermeintlichen Tod zu lösen versuchten. Dass sich unter all den Fantheorien auch manch ein Rohrkrepierer befindet, lässt Regie-Neuling Jeremy Lovering («Spooks - Im Visier des MI5») ebenso wenig außer Acht wie die Tatsache, dass es im Grunde eh nur darum geht, dass Sherlock so bald wie möglich zurückkehrt. Ist dieser erst einmal wieder auf der Bildfläche aufgetaucht, wird das Publikum Zeuge eines spürbaren Schwerpunkt- und Tonfallwechsels. Zwar dominiert inszenatorisch nach wie vor ein äußerst elegantes Arrangement der Szenerie, das Verhältnis unter den einzelnen Charakteren bleibt nahezu identisch und auch inhaltlich setzt «Sherlock» weiterhin verstärkt auf eine Krimi-Thematik; Trotz alledem kommt «Der leere Sarg» zum einen wesentlich dynamischer, dabei aber auch lapidarer und fast ein wenig „soapy“ daher. War es in den ersten beiden Staffeln noch ein komplexer Kriminalfall, der Folge um Folge im Mittelpunkt stand, konzentriert sich die Serie fortan verstärkt auf das Gefühlsleben der einzelnen Charaktere. Vor allem bei der Ausrichtung Sherlocks, einer bislang unnahbaren und dadurch fast geheimnisvollen Hauptfigur, taucht man tief ins Privatleben ein, gesteht ihr im Laufe der Serie eine Freundin zu und lässt gar ihre Eltern auf der Bildfläche erscheinen.

«Sherlock» entwickelt sich weiter. Für eine bereits in die dritte Staffel gehende Serie ist diese Feststellung mehr Segen denn Fluch. Viel zu oft verlassen sich die Verantwortlichen eines Formats auf das immer gleiche Erfolgsrezept bis sich dieses irgendwann zu Tode läuft. So weit lässt es Steven Moffat respektive sein Team aus Regisseuren und Produzenten gar nicht kommen. An die neue Serienausrichtung, die zwar nur nuanciert aber dennoch stetig spürbar ist, muss sich der eingefleischte Serienfan jedoch erst einmal gewöhnen. So war nach der Ausstrahlung von «Der leere Sarg» merklich zu spüren, dass die flotteren Sprüche, der verstärkt komödiantische Touch und das in den Hintergrund Rücken des Crime-Plots nicht überall seine Fans finden sollten. Dass «Sherlock» durch derlei Spielereien nicht zu einer schlechten Serie wird, ist selbstverständlich. Stattdessen macht das Format Abstriche auf hohem Niveau. Auf sehr hohem Niveau!

Filmfacts: «Im Zeichen der drei»

  • Ausstrahlung: 08. 06. / 21:45 Uhr
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 90 Min.
  • Kamera: Steve Lawes
  • Musik: David Arnold, Michael Price
  • Autor: Steve Thompson
  • Regie: Colm McCarthy
  • The Sign of Three (UK/2013)
Die zweite Folge «Im Zeichen der Drei» steht dabei stellvertretend für die Plotentwicklungen der dritten Staffel. Die vorab groß angekündigte Hochzeitsfolge, in welcher John Watson seine Verlobte Mary Morstan (charmant und geheimnisvoll: Amanda Abbington) ehelicht, ist ein Paradebeispiel für das neue Konzept der Serie, das zugleich mit dem Konzept der ersten beiden Staffeln interagiert. In Form von Rückblenden gestaltet Regisseur Colm McCarthy («Murphys Law») seine Folge wie ein packendes Verwirrspiel – eigentlich ganz im Stile von Season eins und zwei. Im Laufe der 90 Minuten erweist sich «Im Zeichen der Drei» jedoch mehr als der Schnelldurchlauf diverser, nie abgedrehter «Sherlock»-Folgen, die Drehbuchautor Steve Thompson («Doctor Who») humoriger denn je miteinander verknüpft und schließlich in ein absurdes Finale münden lässt. Der Spaß an der Inszenierung, am Spiel und der kreativen Auflösung kommt hier nicht zu kurz, so verrückt und thematisch abgedreht wie hier hat sich die Serie allerdings bislang noch nie präsentiert. So mag manch einer in diesem Stil einen Mehrwert sehen. Erst recht, weil das Sehvergnügen auch in «Im Zeichen der Drei» zu keinem Zeitpunkt zu kurz kommt. Dennoch benötigt es eine gewisse Zeit, um sich mit dieser sprunghaften, abgehobenen Erzählweise anzufreunden. So sorgte auch diese Folge bei Fans für gespaltene Lager.

Angst davor, auf alte Gewohnheiten zu verzichten, muss in der dritten Season von «Sherlock» niemand haben. Nach wie vor ist die Betrachtung des genialen Verstandes des titelgebenden Detektivs ein wesentlicher Bestandteil der Serie. Wie Sherlock analysiert und ermittelt bleibt auch in Staffel drei unverändert. Selbiges gilt für die technische Gestaltung. «Sherlock» bleibt eine der modernsten, elegantesten und vor allem intelligentesten Serien der Welt. Dass die dritte Staffel auf Plotebene ein wenig „normaler“ daherkommt, sei auch der konsequenten Weiterentwicklung der Charaktere geschuldet. So ist es vollkommen logisch, dass Sherlock im Laufe der Zeit mit seinem Assistenten John Watson zusammenwächst, diesen irgendwann sogar als besten Freund ansieht. Trotz allem ist es gewöhnungsbedürftig, wenn der hochfunktionelle Soziopath uns plötzlich näher kommt als wir es gewohnt sind. Dies wird in der dritten Folge «Sein letzter Schwur» noch einmal besonders deutlich. Die Folge präsentiert sich als Mischung aus Undercover-Mission, Familiengeschichte und ein alles umspannendes Geheimnis, das ähnlich «Im Zeichen der drei» zwar in Gänze aufgelöst wird, dabei jedoch ähnlich abgehoben anmutet. Ließ sich die Ermittlungsarbeit Sherlocks in den ersten beiden Staffeln noch mit dessen überbordendem Intellekt erklären, spielt Kommissar Zufall nun eine immer größere Rolle und auch das Skript kommt mit so vielen Wendungen daher, dass Miträtseln vor dem Bildschirm – von Folge eins an – nahezu unmöglich ist. Selbst der finale Cliffhänger hat durch das um Überraschung bemühte Skript nicht die Wucht des vergangenen.

Filmfacts: «Sein letzter Schwur»

  • Ausstrahlung: 09. 06. / 21:45 Uhr
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 90 Min.
  • Kamera: Neville Kidd
  • Musik: David Arnold, Michael Price
  • Autor: Steven Moffat
  • Regie: Nick Hurran
  • His Last Vow (UK/2013)
Dass man derlei Plotspielereien zum Großteil als konsequente Weiterentwicklung der Charaktere ansehen kann, liegt nicht zuletzt an den beiden Hauptdarstellern Benedict Cumberbatch und Martin Freeman. Vor allem Letzterer versetzt das Publikum glaubhaft in die Position einer Person, die nach dem Verlust eines liebgewonnenen Freundes trauert und schließlich mit dem plötzlichen Auftauchen selbiger konfrontiert wird. So ist das große Wiedersehen der beiden Figuren auf den Punkt geschrieben und dabei von solcher Tragikomik, dass diese Szenerie zu den Höhepunkten der Staffel gehört. Cumberbatch ist von der ersten Sekunde in seiner Rolle und brilliert erneut als unberechenbarer Ermittler. Vor allem der demnächst in "Frankenstein" zu sehende Mark Gatiss alias Mycroft Holmes erhält in Staffel drei wesentlich mehr Screentime und die Dynamik unter den beiden Brüdern erhält durch noch ausgefeiltere Dialoge mehr Raum und Glaubwürdigkeit. Natürlich sind auch Rupert Graves («V wie Vendetta») als Detective Lestrade, Una Stubbs‘ («Starlings») Mrs. Hudson und Fan-Liebling Louise Brealey («Best Exotic Marigold Hotel») in der Rolle der Molly Hooper wieder mit an Bord. Die Chemie unter den Darstellern ist dieselbe und wird durch den vermehrt auf die persönlichen Entwicklungen gelegten Schwerpunkt sogar noch verstärkt.

Fazit: Die dritte Staffel von BBCs «Sherlock» lässt sich diplomatisch wohl am besten betrachten. Gesteht man den Autoren zu, dass die Stimmungsschwankungen von Staffel zwei zu Staffel drei daher rühren, dass den Fans als Dank für die jahrelange Treue ein genauerer Einblick in das Gefühlsleben ihrer Lieblinge gegönnt sein soll, geht die tonale Neuausrichtung der drei neuen Folgen vollkommen in Ordnung. Überhaupt ist hieran eigentlich nichts auszusetzen, hat das inszenatorische Niveau doch lediglich um kleine Nuancen nachgelassen. Möchte man den Verantwortlichen Böses wollen, könnte hinter der dritten Season jedoch auch Nachlässigkeit stecken. Die Skripte zu den einzelnen Episoden sind zwar immer noch von einer nie dagewesenen Crime-Qualität, der leicht fade Beigeschmack rührt jedoch von der fast beiläufig gewordenen Storyline, die unter den vielen angerissenen Nebensträngen nahezu untergeht. So ist «Sherlock» in Staffel drei so sehr eine Frage des eigenen Geschmacks wie nie zuvor.

Das Erste beginnt mit der Ausstrahlung von «Sherlock» am 29. Mai 2014 um 21.45 Uhr.
28.05.2014 10:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/70920
Antje Wessels

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