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Der Fernsehfriedhof: Pilotfolgen

Christian Richter erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 287: Ein «Top Gun» für Arme, das eine derbe Bruchlandung erlebte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir des wahrscheinlich größten Imagefilms der deutschen Bundeswehr.

«Jets – Leben am Limit» wurde am 21. Februar 1999 bei ProSieben geboren und entstand zu einer Zeit, als im ehemaligen Jugoslawien der sogenannte Kosovo-Krieg herrschte und heftig darüber debattiert wurde, ob die deutsche Bundeswehr gegen die dortige Situation einschreiten sollte. Letztlich beschloss die noch relativ frisch gewählte rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer die Entsendung deutscher Truppen in das Konflikt-Gebiet und damit erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg einen Kampfeinsatz Deutschlands. Am 24. März des Jahres verteidigte Schröder diesen Schritt in einer eigens dafür angesetzten Fernsehansprache.

Genau in jener Zeit nahmen die Verantwortlichen des Senders ProSieben eine neue Action-Serie ins Programm, die inhaltlich und ästhetisch im Milieu der Bundesluftwaffe angesiedelt war. In ihrem Zentrum standen die sich noch in der Ausbildung befindlichen Piloten Frank Jäger, Robin Amberg, Philipp Klein und Ben Bremer, die mit ihren 45 Millionen-Mark teuren Kampfflugzeugen zahlreiche Bedrohungen durch Flutkatastrophen, illegale Söldnertruppen, Saboteure, Waffenschieber und sogar durch einen ehemaligen Offizier der Volksarmee bekämpfen mussten. Kurz, die jungen Soldaten hatten die alltäglichen Schwierigkeiten einer gewöhnlichen Militärausbildung zu meistern.

Ihre sozialen und familiären Hintergründe wirkten dabei genauso überzogen, wie die Abenteuer, die sie zu überstehen hatten. So ging ein Kadett deswegen zur Fliegerstaffel, um eine lange Familientradition von Militaristen fortsetzen zu können. Dagegen kämpfte sein Kollege damit, den Tod seiner Mutter zu verarbeiten, während ein dritter sexsüchtig war. Schon hier ließ sich die allgemein oberflächliche Beschaffenheit der Charaktere und das durch sie verkörperte Bild der Bundeswehr erahnen. Die gezeigten Soldaten, die immerhin gefährliches Kriegsgerät steuerten, waren keine überlegten und sachlichen Strategen, sondern von sich überzeugte Testosteron-gesteuerte, hitzköpfige Draufgänger, die sogar ihre Rivalitäten untereinander mit Sportwettbewerben (u.a. einem Kletterduell in den Alpen) austragen mussten. Natürlich konnten dieser geballten Männlichkeit auch die weiblichen Militärangehörigen – wie die Oberstabärztin Michaela von Stetten (Ursula Buschhorn) - nicht widerstehen. Das führte zu markigen Sprüchen á la: „Ich wollte mich entschuldigen, aber ich hab’ mir vorgestellt, wie wir in 3.000 Metern Höhe Liebe machen.“ Trotz vieler allzeit williger Frauen gehörte die wahre Liebe der Piloten ausschließlich ihren Flugzeugen.

Einen sensiblen Umgang mit dem Thema Armee und Krieg konnte den Machern also nicht nachgesagt werden. Im Gegenteil, ihnen wurde gerade vor dem Hintergrund des Kosovo-Einsatzes der Bundeswehr eine Banalisierung oder gar Verherrlichung dieser ernsten Angelegenheiten vorgeworfen. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Bundeswehr selbst Drehorte, Technik und eine Fachaufsicht für die Produktion beisteuerte. Zwar zeigte sich das Verteidigungsministerium offiziell mit dem Titel der Reihe unzufrieden, ließ allerdings gleichzeitig verlauten, dass man sich durch die Kooperation „einen Effekt im Rahmen der Öffentlichkeit“ erhoffte. Zum Erfüllungsgehilfen für die Image-Aufbesserung der deutschen Armee wollte sich wiederum ProSieben nicht degradieren lassen, weswegen Christian Zertz aus der zuständigen Abteilung betonte, dass es sich um “keinen Lehrfilm zur Luftwaffenausbildung“ handeln würde. Darüber hinaus stellten beide Seiten klar, dass die Hilfen der Bundeswehr gegen Honorare und somit weder gratis noch aus Steuergeldern geleistet wurden. Dennoch lässt sich nicht verleugnen, dass die Piloten und ihre Arbeit stets äußerst positiv und bewundernswert erscheinen sollten.

Es gab also allein aufgrund ihrer konzeptionellen und thematischen Ausrichtung genügend Gründe der Serie gegenüber skeptisch zu sein. Dazu kam, dass die Hauptrolle des Robin Amberg ausgerechnet mit Teenie-Schwarm und «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten»-Schönling Andreas Elsholz, dem zuvor nie ein besonders männliches Image nachgesagt wurde, besetzt war. Laut Berliner Zeitung beschränkte sich sein schauspielerisches Potential „nach wie vor auf das Heben einer Augenbraue“.

Die massenhaft bedienten Klischees, die ungeeignete Besetzung und die allzu offensichtliche Nähe zum Kinohit «Top Gun» vermochten auch die neben Fürstenfeldbrück und Menningen genutzten Drehorte auf den Air-Bases in Texas und auf Sardinien nicht aufwiegen. Entsprechend hagelte es nach der Ausstrahlung des Pilotfilms viele Verrisse. So stufte die TV Spielfilm das Werk als „hart an der Schmerzgrenze“ ein. Ein ähnliches Urteil schienen viele Zuschauer gefällt zu haben.

Mit einer Sehbeteiligung von 3,65 Millionen Menschen und einem Marktanteil von 16,7 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe erreichte der abendfüllende Auftakt am Sonntag zwar noch erfreuliche Werte, doch in den folgenden Wochen, in denen die einstündigen Episoden am Dienstagabend gezeigt wurden, sank das Interesse stetig. Die Verluste waren derart stark, dass man beschloss, das Zeigen der bereits fertiggestellten Staffel kurz vor deren Ende abzubrechen. Die letzte abendliche Mission verfolgten am 20. April lediglich 1,92 Millionen Zuseher und der Marktanteil in der Zielgruppe lag noch bei 9,9 Prozent. Die restlichen zwei Ausgaben fanden ihre TV-Premiere erst zweieinhalb Jahre später, als die komplette Produktion aufgrund vertraglicher Verpflichtungen am Sonntagvormittag noch einmal wiederholt werden musste.

«Jets – Leben am Limit» wurde am 16. September 2001 beerdigt und erreichte ein Alter von elf Folgen plus Pilotfilm. Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller Andreas Elsholz, der später noch wiederkehrende Rollen in den harmloseren Familienreihen «Drehkreuz Airport» und «Nesthocker – Familie zu verschenken» sowie einige Auftritte in «Rosamunde Pilcher»-Verfilmungen ergattern konnte. Ursula Buschhorn, die charakterschwache Stabsärztin, spielte danach zentrale Figuren in den Produktionen «Stadt Land Mord!», «Unser Charly» sowie «Familie Dr. Kleist». Übrigens, «Jets – Leben am Limit» war zum damaligen Zeitpunkt nicht das einzige Fernsehprogramm, das von der Bundeswehr unterstützt wurde. Ebenso erfolgte dies bei «Nicht von schlechten Eltern» und «Die Rettungsflieger».

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem deutschen Columbo.
15.05.2014 11:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/70731
Christian Richter

super
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