Ein Europäischer Abend

Die Momente, in denen sich die politischen Vorstellungen und Konzepte von Martin Schulz und Jean-Claude Juncker gestern Abend unterschieden, waren wenige. Es ging um etwas anderes, bei diesem ersten «tvDuell» zur Europawahl 2014. Es ging darum, in Zeiten paneuropäischer Finanzkrisen und eines abstoßenden Rechtsrucks in vielen Mitgliedsstaaten den Wählern die europäische Idee ein weiteres Mal zu vermitteln. Dass in vielen politischen Punkten zwischen der EVP und der SPE ein breiter Konsens auszumachen ist, war dem förderlich.

Der Dramaturgie der von ZDF und ORF ko-produzierten Sendung hat das kaum geschadet. Im Gegenteil: Anders als beim Kanzlerduell mussten die Moderatoren (in diesem Fall Peter Frey und Ingrid Thurnher) sowieso die Arbeit von Trümmerfrauen erledigen. Sagen wir's, wie es ist: Das Vorwissen vieler Zuschauer über die supranationalen Strukturen der EU ist gleich Null, ihre Kenntnisse über die EU-Politik nicht selten allenfalls marginal. Bevor man sich streitet, muss hier erst einmal aufgeklärt werden, worum es überhaupt so geht. Schulz und Juncker gelang es dabei trotz zahlreicher Übereinstimmungen, auch die Unterschiede ihrer Parteien deutlich zu machen, die Frey und Thurnher mit einer klugen Gesprächsführung noch klarer herausarbeiten konnten.

Interessiert hat das alles letztlich aber doch kein Schwein. Wie da erst das nächste Duell der Spitzenkandidaten abschneiden wird, das – Gott bewahre – auch noch übersetzt werden muss, will man sich angesichts der Sehbeteiligung des „Schlagabtauschs“ von gestern Abend gar nicht vorstellen. Politikverdrossenheit, dein Name ist Europawahl.

Bonmot am Rande: Auf dem Politiksender Phoenix (also da, wohin das nächste TV-Duell am 15. Mai hinverbannt wurde) lief gestern Abend – teilweise zeitgleich zum TV-Duell – übrigens das zweite Halbfinale des diesjährigen ESCs. Wenigstens eine Wahl, bei der zumindest am Wahltag (diesem Samstag!) ein Mindestmaß an Enthusiasmus zu erwarten ist – und eine hohe Wahlbeteiligung.