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Die Kritiker: «Die Tote in der Berghütte»

Ein Psycho-Thriller, der auf landläufige Vorstellungen von Frauenaffinität getrimmt wird. Das riecht nach Anbiederung. Eine Rezension von Julian Miller.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Lotus-Film GmbH, ZDF
  • Drehbuch: Agnes Pluch
  • nach Motiven des Romans "Warten auf Poirot" von Nora Miedler
  • Regie: Thomas Roth
  • Kamera: Jo Molitoris
  • Produzenten: Peter Wirthensohn und Thomas Pridnig
Inhalt
Charly ist frisch verliebt auf dem Weg zu Max nach Graz. Sie möchte mit ihrem Jugendschwarm, den sie zufällig in Hamburg wieder getroffen hat, zwei Tage alleine verbringen. Doch es kommt anders: Am Bahnhof warten bereits ihre alten Schulfreundinnen Rita, Ingrid und Sonja auf sie, um die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. Und da auch heute noch alle nach Ritas Pfeife tanzen müssen, lassen sich Charly und die anderen beiden überreden, zum Jagdhaus zu fahren, das einsam und von dichtem Wald umgeben auf einer Anhöhe liegt. Charly hat keine guten Erinnerungen an dort verbrachte Kindheitstage: Ihre ehemalige Clique verbindet ein schreckliches Erlebnis.

Kaum ist auch Manu nachgekommen, verkündet Rita die frohe Botschaft: Sie und Max sind wieder zusammen und werden bald heiraten. Charly glaubt ihr kein Wort. Völlig vor den Kopf gestoßen, will sie so schnell wie möglich weg. Aber da schlägt das Wetter um, im Haus fällt der Strom aus, und ehe die fünf Frauen merken, dass eine von ihnen fehlt, ist es bereits zu spät: Rita liegt tot auf dem Fußboden im Badezimmer.

Darsteller


Silke Bodenbender («Erlkönig») als Charly
Franziska Weisz («Der letzte Bulle») als Sonja
Nora von Waldstätten («Woyzeck») als Ingrid
Nicolette Krebitz («Die Flut ist pünktlich») als Rita
Edita Malovcic («Tatort – Hamburg») als Manu
Harald Krassnitzer («Tatort – Wien») als Ritas Vater
Christopher Schärf («Janus») als Max

Kritik


Am Anfang denkt man, dass die ZDF-Fernsehfilmmentalität wieder einmal ohne Rücksicht auf Verluste zugeschlagen hat: Fünf Frauen an der Grenze zu Middle-Aged treffen sich am Grazer Bahnhof, um anschließend – manche von ihnen erst nach langwieriger Überrederei – auf eine abgelegene Berghütte zu fahren, wo sie bei einer großen Feier vergangene Kindertage wieder aufleben lassen wollen. Zeitweise mit dabei ist ein Mann, der zwischen zwei der fünf Frauen steht; selbstverständlich darf auch das unverarbeitete Trauma nicht fehlen, das hier im Zuge einer auf Identifikation getrimmten Läuterung wieder hochkochen soll.

Und auch wenn bereits zu Beginn versucht wird, erste Anklänge an eine düstere Atmosphäre einzuflechten – die stereotypisierte Figurenorchestrierung lässt all die Konflikte zu abgeschmackt aussehen, und wirkt wie der verzweifelte Versuch, in einen Psycho-Thriller ein bisschen frauenaffines Selbstfindungsdrama reinzuschreiben. Oder andersrum. Man fragt sich, welche Vorstellung verstörender ist. Hin und wieder, wenn sich das Quintett mit weit ausgeholten Hieben durchs Gebüsch in die Berghütte vorkämpfen darf, was man so ausladend inszeniert, dass man sich stellenweise an Werner Herzogs «Fitzcarraldo» erinnert fühlt, erwartet man fast, dass gleich Hansi Hinterseer mit seiner schicken Föhnfrisur um die Ecke jodelt. Da wo aus Stereotypen Konzepte werden.

Dass man aber sogar in den überzeichnetsten Momenten des ersten (schwächsten) Drittels nie die Hoffnung so ganz aufgibt, dass aus «Die Tote in der Berghütte» noch was werden kann, ist dem hervorragenden Schauspielerensemble geschuldet, das im mindesten solide, häufig sogar sehr ansprechende Leistungen zeigt. Silke Bodenbender verzichtet, wo es geht, auf übertriebene Gesten, sondern spielt angenehm reduziert, Nora von Waldstätten beweist in einer facettenreichen Figur erneut Klasse, während Franziska Weisz, Nicolette Krebitz und Edita Malovcic die auf die restlichen Frauenfiguren verteilten Haltungen unaffektiert und engagiert durchdeklinieren.

Richtig Fahrt aufnehmen kann der Film aber erst in der zweiten Hälfte, wenn alles Nötige bereits zigfach etabliert wurde. Und einmal angezogen, bricht der durchaus belastbare Spannungsbogen bis zum Schluss nicht mehr ein, während es dem Drehbuch auch in den plotgetriebenen Momenten noch gelingt, das Whodunnit-Motiv um psychologisch interessante Elemente zu erweitern. Da sieht man, was aus der dramaturgischen Grundlage alles hätte werden können. Wäre man nur konsequent geblieben.

Denn eine klare Entscheidung für den Thriller, mit all seinen anti-frauenaffinen Tönen, wäre die deutlich bessere Variante gewesen. Dann könnte man diesen Film als Genrefilm auch entsprechend ernst nehmen und die Leistungen der Beteiligten angemessen würdigen, was aufgrund der häufig zu sendeplatz-konventionellen Ausrichtung und der nach Anbiederung riechenden Melodramtöne nur schwer möglich ist.

Das ZDF zeigt «Die Tote in der Berghütte» am Montag, den 5. Mai um 20.15 Uhr.
04.05.2014 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/70500
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ZDF

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