In der fünften Staffel traut sich «Der letzte Bulle» erstmals an einen großen horizontalen Plot. Reicht das, um die Serie frisch zu halten?
Hinter den Kulissen
- Produktion: ITV Studios Germany
- Headautoren: Johannes Lackner, Robert Dannenberg und Stefan Steich
- Regie: Thomas Nennstiel, Michael Kreindl und Sophie Allet-Coche
- Kamera: Theo Müller, Francisco Dominguez und Christian Paschmann
- Produzentin: Gerda Müller
Inhalt
Mick Brisgau, ein harter Bulle aus altem Schrot und Korn, wird in den 80er Jahren angeschossen und wacht erst nach 20 Jahren Koma wieder auf. Handys, PCs und Internet sind ihm fremd, doch seine Sprüche kommen bei den Frauen immer noch genauso gut an wie früher. In einer komplett veränderten Welt muss er sich beruflich und privat neu orientieren – und seine Verräter sind noch immer nicht gefasst.
Folge 01 – Der Deckel der Pandora
Nach einem verpatzten Einsatz wird Mick degradiert und als Streifenpolizist auf die Straße geschickt. Doch auch Andreas hat Probleme in seinem neuen Job beim LKA. Die Kollegen akzeptieren ihn nicht und sein Chef Koller glaubt, Andreas wolle ihn erpressen. Dabei hat Andreas keine Ahnung, womit. Dann findet Mick die Leiche von Koller - angeblich ein Selbstmord. Andreas ist überzeugt, dass dieser Tod mit der angeblichen Erpressung zu tun hat. Was für ein Geheimnis hatte der Chef?
Folge 02 – Die wollen nur spielen
Nach dem Anschlag auf sein Leben will Andreas den Job beim LKA hinschmeißen. Doch Mick überzeugt ihn, dass er sich und seine Familie nur schützen kann, wenn sie Kollers Tod aufklären. Mick stößt bei seinen inoffiziellen Ermittlungen auf eine Erpresser-Mail, in der es um eine Millionensumme und ein ganz großes Ding geht, das im Jahr 2002 gelaufen ist. Aber von wem ist die Mail? Und in den Archiven fehlt eine Akte, die genau diesen Zeitraum dokumentiert.
Darsteller
Henning Baum («Mit Herz und Handschellen») als Mick Brisgau
Maximilian Grill («Alle meine Töchter») als Andreas Kringge
Oliver Stokowski («Zeit der Helden») als Klaus Koller
Misel Maticevic («Lösegeld») als Holger Brawitsch
Susanna Simon («Dr. Molly & Karl») als Vera Koller
Adam Bousdoukos («Lindenstraße») als Lutz Görnemann
Jürgen Tarrach («KDD – Kriminaldauerdienst») als Gregor Bickenberg
Kritik
Wenn ein amerikanischer Sender Interesse an einem deutschen Format zeigt, ist das ein Ritterschlag. Wenn es sich bei dem Format um eine Serie handelt, kommt das gar einer Heiligsprechung gleich. Auch wenn es nur bei einem Piloten bleibt.
Zumindest, was eigenproduzierte Fiction im deutschen Privatfernsehen angeht, ist «Der letzte Bulle» neben «Danni Lowinski» glasklar qualitativer Spitzenreiter. Natürlich muss man an dieser Stelle hinzufügen, dass das nicht sonderlich schwer ist. Schließlich hat sich ProSieben bis auf den Versuch einer Sitcom mit Michael Bully Herbig im letzten Jahr vollkommen von deutschen Serien verabschiedet, während RTL – neben seiner «Alarm für Cobra 11»-Kirmes, die schon aufgrund ihres Genres außer Konkurrenz läuft – in der aktuellen Season nur inhaltliche Flops hervorgebracht hat.
In der mittlerweile fünften Staffel von «Der letzte Bulle» verlassen die Autoren ihr gewohntes Procedural-Terrain und erzählen statt einzelnen, in sich abgeschlossenen Folgen einen großen, horizontal angelegten Kriminalfall. Für deutsche Verhältnisse ist das mutig, finden episodenübergreifende Entwicklungen im Crime-Genre im hiesigen Regelfernsehen allenfalls sehr begrenzt statt. Dass diese Erzählform für deutsche Serienmacher etwas ungewohnt ist, muss man in der ersten neuen Folge auch so feststellen: Bis der Spannungsbogen steht und die grundlegenden Elemente exponiert sind, vergehen zwei Drittel der Laufzeit. Die sind zwar nicht nur Füllstoff und enthalten trotz mancher etwas zu forcierten Überzeichnung auch ganz originelle Ideen – doch der Plot zieht sich zunächst, vieles wird öfter und umständlicher als nötig erklärt.
Mit der zweiten Folge wird das merklich besser, das Wer-intrigiert-gegen-wen-Spielchen entwickelt zunehmend interessantere – und überraschendere – Facetten, die Wendungen reihen sich stringenter aneinander, der Plot entwickelt sich zum größten Teil logisch und angemessen schnell.
Was leider ein bisschen farblos bleibt, ist Hauptfigur Mick Brisgau, der sich nach all den Traumata, durch die er sich die letzten vier Staffeln kämpfen musste, nur sehr eindimensional weiterentwickelt hat. Nach einer Laufzeit von mehreren Jahren reicht es für eine Serie, die den Anspruch hat, auch horizontale Erzählstränge wuppen zu können, nicht mehr aus, die Geschichte eines aus der Zeit gefallenen Machos mit dem weichen Kern und der schweren Vergangenheit zu erzählen. Da böten sich – nicht zuletzt auch durch Henning Baums überzeugendes Spiel – deutlich mehr Möglichkeiten, um einen größeren Facettenreichtum zuzulassen. Dass es in den ersten beiden Folgen durchwegs an starken Frauenfiguren fehlt und das betont Maskuline dazu geführt hat, die weiblichen Charaktere entweder als mädchenhafte anschmiegsame Opfer oder steile Zähne zu entwerfen, bei denen Verkehrskontrollen schon mal mit einem gemeinsamen Schäferstündchen in der abgelegenen Hütte am See enden, stößt ebenso negativ auf.
Verglichen mit dem, was man bei der Konkurrenz in dieser Saison so sehen musste, jammert man beim «Letzten Bullen» auf schwindelerregend hohem Niveau. Dennoch ist es schade, dass man trotz einer hervorragenden Reputation, zumeist gut erzählter Plots und eines ansprechenden Schauspiels bei der Figurenzeichnung weit unter den künstlerischen und handwerklichen Möglichkeiten bleibt, die Cast und Crew nach der guten Basis, die in den vergangenen Staffeln entwickelt wurde, mittlerweile zuzutrauen wären.
Vom «Letzten Bullen» wird mehr erwartet werden, als Dienst nach Vorschrift. Dass man sich den erzählerischen Möglichkeiten horizontaler Handlungsstränge öffnet, ist löblich und – soweit dies nach zwei von acht Folgen beurteilt werden kann – zumindest im Ansatz auch gelungen. Ein schärferes Charakterdrama, dessen Spannungsbogen sich nicht nur auf zackige Plots verlassen muss, sondern auch eine intelligentere Figurendynamik entwickelt, die nur in der weiträumigeren Ausklammerung maskuliner Klischees liegen kann, würde den an sich ja guten Eindruck noch deutlich verbessern.
Bei Sat.1 beginnt am Montag, den 28. April um 20.15 Uhr die Ausstrahlung der acht Episoden umfassenden 5. Staffel von «Der letzte Bulle» mit einer Doppelfolge.