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Die Kritiker: «Die Männer der Emden»

Ein Weltkriegsdrama als Melodram: Das musste allein aufgrund der perversen Fokussierung auf das Banale schief gehen. Eine Rezension.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Berengar Pfahl Film GmbH
  • Koproduktion: Degeto
  • Drehbuchautor und Regisseur und Produzent: Berengar Pfahl
  • Ko-Autor und Producer: Axel Ricke
  • Kamera: Erich Maria Krenek
Inhalt
Deutschland, 1914. Der Erste Weltkrieg tobt auch auf den Weltmeeren. Besonders der deutsche Marinekreuzer SMS Emden wird wegen seiner tollkühnen Seegefechte gerühmt und gefürchtet. Zugleich genießen die Männer des Schiffs auch bei den feindlichen Truppen einen legendären Ruf als heldenhafte „Gentlemen der Meere". Dann aber wird die Emden während einer Mission vor den Cocos-Inseln von einem australischen Kreuzer unter Beschuss genommen und zerstört. Die meisten der über 300 Besatzungsmitglieder geraten in Gefangenschaft, viele andere kommen ums Leben.

Doch ein Trupp von 50 Männern befindet sich während der Schlacht an Land: Unter Führung des Ersten Offiziers Hellmuth von Mücke setzten sie eine britische Funkstation außer Gefecht. Sich zu ergeben und den Rest des Krieges in Gefangenschaft zu verbringen, kommt für die Soldaten nicht infrage. Vor allem der junge Offizier Karl Overbeck will um jeden Preis zum deutschen Stützpunkt im chinesischen Tsingtau zurückkehren, um dort seine große Liebe Maria von Plettenberg wiederzusehen - er ahnt nicht, dass sie glaubt, er sei bereits gefallen. Auch hat sie China bereits verlassen. Maria musste mit ihrer Familie vor japanischen Truppen flüchten und sitzt nun in Colombo, Sri Lanka (damals: Ceylon), fest.

Unterdessen entkommen Mücke, Overbeck und die restlichen Männer auf einem abgetakelten Dreimast-Schoner von der Insel. Doch die Strapazen der ungewissen Reise setzen den Seeleuten zu. Jederzeit könnten sie auf einen feindlichen Zerstörer treffen, die Nahrungsmittel sind knapp und die Wasservorräte beginnen zu faulen. Im Kampf ums nackte Überleben verschwimmen militärische Hierarchien, zugleich entstehen wahre Freundschaften und erbitterte Rivalitäten. Gerade als unter Führung des selbstherrlichen Offiziers Friedrich von Schulau eine Meuterei droht, erreicht das Schiff den Hafen des neutralen Sumatra. Hier könnten die erschöpften Matrosen sich erholen und in sicherer Umgebung das Kriegsende abwarten. Aber Mücke und Overbeck halten an dem Ziel fest, mit ihren Männern Deutschland zu erreichen - eine Odyssee von 13.000 Kilometern durch feindliches Gebiet beginnt.

Nachdem die Männer der Emden Sumatra wieder verlassen haben, fürchten sie, dass sie auf ihrem morschen Schoner nicht weit kommen werden. Doch Offizier Hellmuth von Mücke hat vorgesorgt und ein Treffen mit einem deutschen Frachter auf hoher See vereinbart. Kaum an Bord, übernimmt er kurzerhand das Kommando des riesigen Schiffes und lässt es als italienischen Frachter tarnen. Zwar können die Soldaten dank dieser Finte einen feindlichen Kreuzer täuschen, aber der Seeweg scheint dennoch zu gefährlich. In der osmanischen Hafenstadt Hodeidah gehen die Männer an Land, um über Arabien und die Türkei einen Rückkehrversuch zu wagen. Offizier Karl Overbeck weiß inzwischen, dass seine Verlobte Maria von Plettenberg auf der Flucht zurück nach Deutschland ist - er ahnt jedoch nicht, dass sie ihn für tot hält.

Darsteller


Ken Duken («Add a Friend») als Karl Overbeck
Felicitas Woll («Berlin, Berlin») als Maria von Plettenberg
Sebastian Blomberg («Der Baader Meinhof Komplex») als Hellmuth von Mücke
Jan Henrik Stahlberg («SOKO 5113») als Friedrich von Schulau
Oliver Korittke («Wilsberg») als Maat Kluthe
Verena Plangger («Tanja») als Elisabeth von Plettenberg
Sibel Kekilli («Tatort – Kiel») als Salima Bey

Kritik


Ein Melodram über Deutsche, die im 20. Jahrhundert Krieg führen, hat automatisch etwas Befremdliches an sich. Vor allem, wenn sich der Film so gar nicht mit den politischen und zeitgeschichtlichen Hintergründen auseinandersetzen will, wenn er Kriegsgründe und Kriegsführung zur adretten Wanddeko degradiert, um im Vordergrund banale Geschichten über banale Liebeleien zu erzählen.

In diesem üppigen überlangen Versuch eines Kitsch- und Kriegsepos soll man mit dem deutschen Militär des ersten Weltkriegs mitfiebern, genauer: mit einer kühnen Truppe der kaiserlichen Marine, der Besatzung des Kreuzers Emden. Angesichts dessen, wozu diese Männer so fähig waren, fällt das gleich doppelt schwer. Noch mehr, da es im besten Fall dramaturgische Gründe hatte, all die Grausamkeiten der Emden-Crew auszublenden, die sie vor Ausbruch des ersten Weltkriegs so verübt hatte.

Stattdessen wird die zeitgenössische Stilisierung zu den „Gentlemen of War“ fortgeschrieben. Die Exzesse zeigt man nur bruchstückhaft: Wie sich die Deutschen in ihren Kolonien aufs Widerlichste danebenbenehmen, wie sie den Juden in der eigenen Truppe mobben, scheint es nur aus Pflichterfüllung ins Drehbuch geschafft zu haben. Die Szenen, in denen all das Leid gezeigt wird, das der Krieg so mit sich bringt, an der Front wie fernab der Gefechtsschauplätze, wirken derweil häufig alibihaft und lassen aufgrund ihrer Überzeichnung und ihrer einfallslosen, klischeebehafteten Umsetzung jegliche Radikalität vermissen, die notwendig gewesen wäre, um die Schrecken des Krieges fassbar zu machen.

Aber man will ja keinen Schrecken verbreiten, keine inszenatorische oder narrative Radikalität. Man ist schließlich Melodram. Und all die ins Dümmliche gehenden Vereinfachungen und Zuspitzungen, vermengt mit der vollständig fehlenden Reflexion der Kriegsgründe und -ziele, bewirken das Gegenteil von Aufarbeitung. «Die Männer der Emden» droht in seinen misslungsten Momenten, in eine prä-moderne Kriegsromantik abzurutschen, eine Verklärung der edlen und zumeist fiktiven Gentlemen of War. Der Duktus lässt förmlich auf den Satz „Es war eben Krieg“ als Erklärungsmodell warten; ein Argumentationsversuch, der mindestens seit einigen Jahrzehnten im politischen Diskurs der Mitte der Gesellschaft eigentlich nichts mehr zu suchen hat.

«Die Männer der Emden» ist das Gegenteil dessen geworden, was in den Auftrag der ARD fällt. Statt geschichtlicher Aufarbeitung im Jubiläumsjahr des Kriegsausbruchs, zeigt sie einen Film, der – bewusst oder unbewusst – durch seine Infantilität, seine melodramimmanente Romantik und das ebenso melodramimmanente Nicht-Hinsehen auf die Stellen, auf die man verdammt nochmal hinsehen muss, fast eine Verklärung geworden ist.

Das Erste zeigt «Die Männer der Emden» an Karfreitag, dem 18. April um 20.15 Uhr.
17.04.2014 09:21 Uhr Kurz-URL: qmde.de/70186
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ARD

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