Am Samstagabend sendete RTL die erste „Live-Challenge-Show“ von «DSDS». Man hätte auch ruhig bei der Bezeichnung „Mottoshow“ bleiben können. Die Veränderungen waren nämlich überschaubar.
Das "große Rad" war es, an dem Tom Sänger bei
«Deutschland sucht den Superstar» drehen wollte. Schon vor dem Finale kündigte der RTL-Unterhaltungschef vergangenes Jahr an, drastischere Änderungen für die elfte Staffel von «DSDS» vorzunehmen. Das ging sogar soweit, dass Sänger an "ein neues Format" dachte, das am Ende auf Fernsehdeutschland warten könnte. Einige Monate später kam aber letztendlich doch wieder das raus, was viele erwartet hatten: Die elfte Staffel des altbekannten «Deutschland sucht den Superstar». Nicht mehr und nicht weniger.
Ein paar minimale Änderungen am Konzept, der Optik und der Jury ausgenommen, hat sich nicht viel geändert. Nur harmloser ist sie geworden, die gute alte Krawall-Show von damals. Dieter schimpft nicht mehr so sehr wie früher, RTL behandelt seine Kandidaten besser. So harmlos, ruhig und gewohnt wie «DSDS» in den vergangenen Wochen war, so harmlos, ruhig und gewohnt verlief am Abend auch die erste Mottoshow. Pardon: Die erste Live-Challenge-Show. Wobei es kaum einen Unterschied gemacht hätte, wäre RTL einfach bei der Bezeichnung "Mottoshow“"geblieben. Denn die Dance-Challenge einmal ausgenommen, bei der RTL am Ende des Abends für die beste Tanzleistung einen Suzuki raushaute, hat sich im Vergleich zu früher wenig verändert.
Da gab es einen lieben Dieter Bohlen, der – man mag es kaum glauben - auch nur ein Mensch ist. Und kein Gott mehr im «DSDS»-Universum. Statt Bohlen zu verherrlichen, setzt «DSDS» inzwischen lieber auf die menschliche Komponente. Heißt: Den Dieter Bohlen, der zu den Kandidaten geht, mit ihnen vorab den Song für die Live-Show aussucht und ein wenig rumwitzelt. Das wirkt nicht mehr so abgehoben und macht «DSDS» sympathischer als in der Frühzeit.
Die Musik aber scheint weiter denn je in den Hintergrund gerückt. Sätze wie "Wenn die Brüste gut sind, isse weiter" von Rapper Kay One prägten bereits Castings und Recall in diesem Jahr. Offenbar will sich «DSDS» ganz bewusst von «The Voice» abgrenzen – und macht längst keinen Hehl mehr daraus, dass Musik keineswegs immer erstes Entscheidungskriterium ist. Auch in der Live-Show war Poptitan Bohlen das einzige Jury-Mitglied, das den Eindruck erweckte, noch ernsthaft auf Musik zu achten.
Die übrigen Jurymitglieder verhedderten sich fast geschlossen bei jedem mittelmäßigen Auftritt – und von denen gab es am Samstag reichlich - in Lob-Hudeleien. Deutschlands härteste Castingshow? Eher ein Witz. Da passt es nur zu gut ins Bild, dass mit Larissa Melody eine der besseren Sängerinnen am Ende den Hut nehmen muss. Und dass für den musikalischen Höhepunkt mit Menowin Fröhlich jemand sorgen muss, der noch nicht einmal zur derzeitigen Kandidatenbesetzung gehört.
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Aussehen: Top, Ausstrahlung: Top, Zähne: Top, Arsch: Top, Stimme: Scheiße. Aber weil wir nicht «The Voice» sind, kriegst du mein "Ja".
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Prince Kay One zu Kandidatin Tanja Tischewitsch
Die vielleicht größte und einzig bedeutende Änderung stellte die leicht veränderte Struktur der Sendung dar. Anstatt alle Kandidaten durchsingen zu lassen und am Ende die Entscheidung zu verkünden, teilte RTL seine zwölf Schäfchen in zwei Gruppen á sechs Personen ein. Der Sinn dahinter? Keine Ahnung. Mehr Spannung kam dadurch zumindest nicht auf. Eher störten die zahlreichen Entscheidungsrunden. Denn mit dem Telefonvoting am Anfang der Sendung, das von fünf Wackelkandidaten noch zwei kurzfristig nachnominierte, kam «DSDS» am Samstag auf ganze drei Entscheidungsrunden – in gut drei Stunden. Nicht schlecht.
Es wirkt paradox: Aber nicht zuletzt die zahlreichen Entscheidungsrunden trugen in der Summe dazu bei, dass «DSDS» hervorsehbarer denn je daherkommt. Für Gespräche zwischen Juroren, Kandidaten und Moderatorin bleibt kaum noch Zeit. Das geht zu Lasten der Spontanität. Oder anders gesagt: Man spürt, dass der Faktor Unberechenbarkeit fehlt. Dabei ist gerade er bei Liveshows das Salz in der Suppe. Reibereien zwischen Jury-Mitgliedern (man denke nur an Mateo vs. Dieter) untereinander oder der Moderatorin werden im Keim erstickt. «DSDS» wirkt streckenweise furchtbar routiniert.
Dabei fragt sich auch, warum RTL gerade auf Nazan Eckes setzt. Ja, Eckes macht ihre Sache schon souveräner als noch im letzten Jahr macht. Trotzdem wirkt sie auf der «DSDS»-Bühne zeitweise noch immer deplatziert. Sie ist keine schlechte Moderatorin, der A-Riege gehört sie aber auch nicht an. Aber RTL hat sich Alternativen überlegt: Statt auf die Spontanität von Jury und Moderatorin zu vertrauen, setzt man vor und nach jedem Auftritt einen Redakteur ein, der die Kandidaten kurz zu ihrer Performance befragt. Ist ja ganz nett gemeint. Hat aber in zehn Jahren «DSDS» ehrlich gesagt nie jemand vermisst.
Kurzum: Änderungen von Relevanz hat RTL auch bei seiner ersten Challenge-Show nicht vorgenommen. Vielmehr wurden Veränderungen des letzten Jahres ein wenig weitergedacht. Die Harmlos-Strategie wird weitergefahren. Fast schon traurig, dass die Verantwortlichen den Abend über ständig die Autonomie der Kandidaten betonen: „Kandidaten an die Macht!“. Dabei sollte man doch meinen, dass das selbstverständlich ist.
Wer «DSDS» früher nicht mochte, wird sich mit dem Format auch 2014 nicht mehr anfreunden. Aber so heftig drüber schimpfen wie damals wird er nicht mehr können. Dafür hat RTL alles so lieb und harmlos gemacht, dass die Angriffsfläche fehlt. Und dafür ist Dieter Bohlen einfach viel zu onkelhaft geworden.