Wie würden wir reagieren, wenn plötzlich die Menschen wieder vor uns stehen, die wir eigentlich ins Jenseits verabschiedet haben? In einer amerikanischen Kleinstadt gerät die Welt aus den Fugen, als genau dies passiert. Unsere Kritik zum neuen Serienhit «Resurrection».
Der Cast von «Resurrection»
- Omar Epps («Dr. House») als Marty Bellamy
- Frances Fisher («Titanic») als Lucille Langston
- Kurtwood Smith («Die wilden Siebziger») als Henry Langston
- Devin Kelley («The Chicago Code») als Maggie Langston
- Landon Gimenez als Jacob Langston
- Mark Hildreth («V») als Tom Hale
Ein kleines Dorf im ländlichen China, umgeben von Reisfeldern, wohin das Auge blickt. Plötzliches Atmen, im Reisfeld liegt ein Kind: Bluejeans, rotes Shirt, bleiche Haut, zerzauste Haare. Das Kind richtet sich auf, schaut sich um, sieht einen Ochsen im Feld grasen, entdeckt das nahe gelegene Dorf. Es richtet sich auf, läuft langsam auf das Dorf zu, wie in Trance. Die chinesischen Bauern reden wild auf das Kind ein, es versteht nichts. Und fällt auf der Straße in Ohnmacht.
In der neuen ABC-Serie «Resurrection» kehren die Toten aus dem Grab zurück, und Jacob – das kleine Kind – ist der erste, dem das Leben „zurückgeschenkt“ wird. Bei der Einreise in die USA kann Jacob nur identifiziert werden, weil sein Name auf dem Etikett seines Shirts steht. Kein Wunder, denn die Toten tauchen in Datenbanken nicht mehr auf. Jacob spricht nicht, wirkt apathisch. Er schreibt nur ein einziges Wort auf: Arcadia. Die Spur führt zur gleichnamigen Stadt im US-Bundesstaat Missouri, und Marty Bellamy, Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde, nimmt den Weg auf sich, um Jacob in seine Heimat zu fahren. Als seine vermeintlichen Eltern Jacob sehen, glauben sie zunächst an einen schlechten Scherz. Ihr Sohn sei vor 32 Jahren bei einem Unfall am Fluss umgekommen, es könne sich nicht um ihren Jacob von damals handeln. Doch der Achtjährige, der vor ihnen steht, sieht genauso aus wie damals, erkennt seine Eltern, weiß ihre Namen, kennt ihr Haus. „Es ist ein Wunder“, sagt Mutter Lucile und schließt ihren wiedergewonnenen Sohn weinend in die Arme.
Jacob fühlt sich heimisch, beginnt wieder zu sprechen, taut emotional auf. Sein Vater Henry kann – anders als seine Frau – die neue Situation nicht akzeptieren, wehrt sich innerlich gegen dieses vermeintliche Wunder. Bald schon klärt sich auf, dass die DNA von Jacob mit der ihres toten Sohnes übereinstimmt. „Aber es geht nicht nur um die DNA“, sagt Marty Bellamy zu Jacobs Vater. „Vielleicht sehen Sie die wirkliche Frage nicht: Wollen Sie daran glauben?“ Es ist eine Frage, die sich auch der Zuschauer stellen muss: Es gibt keine natürliche Erklärung für das Phänomen des lebenden Toten Jacob, und es ist schwierig, diesen Sachverhalt bei «Resurrection» auszublenden. Dennoch schafft die Serie zu vereinnahmen, denn sie zeigt ja genau jene – unsere – Welt, die ein solches Phänomen nicht erwartet und nicht verarbeiten kann. Sie beschäftigt sich nicht lange mit der Frage, wie das Wunder passieren konnte – denn dafür kann es keine rationale Erklärung geben, keine Erklärung, die das realistisch konstruierte Serienuniversum konterkarieren und für unglaubwürdig erklären würde.
Stattdessen fokussiert man sich auf die Konsequenzen, die mit Jacobs Ankunft heraufbeschworen werden: Weltbilder brechen zusammen, vieles wird in Frage gestellt. Jacobs damaliger Freud Tom, heutiger Priester, gerät in einen Identitäts- und Glaubenskonflikt: „Ich predige die Wunder Gottes seit zehn Jahren. Und nun passiert eines direkt vor mir, das ich nicht glauben kann? Wie soll ich heute vor all den Leuten predigen?“ Er ist es, der der Gemeinde das Wunder erklären muss. Der nächste Gottesdienst gerät fast zur Katastrophe, als Tom die Worte fehlen. Bald taucht in Arcania ein weiterer Totgeglaubter auf, das Phänomen nimmt seinen Lauf.
Wie gehen Menschen damit um, wenn geliebte Bekannte plötzlich von den Toten wiederauferstehen? Diese zentrale Frage beleuchtet «Resurrection» in seinen ersten Episoden eindrucksvoll, emotional, ohne Pathos. Die Serie wandelt konzeptuell ein wenig auf den Spuren von «The Walking Dead», das die Zombieapokalypse auch nur als Mittel zum Zweck einer ganz anderen Frage benutzt: Wie menschlich verhalten sich Menschen in Extremsituationen, beim nackten Kampf ums Überleben? Bei «Resurrection» ist die Rückkehr der Toten (bisher) ebenfalls größtenteils Mittel zum Zweck, die Welt
nach einer solch einschneidenden Veränderung zu erzählen. Ganz ohne Cliffhanger und einen möglichen serienübergreifenden Mythos kommt man dennoch nicht aus, wenn versucht wird, den damaligen tödlichen Unfall Jacobs zu recherchieren und Ungereimtheiten festzustellen – also doch eine Erklärung für die mysteriösen Wiederauferstehungen zu finden.
Hier merkt man dem Format doch seine Network-Herkunft an, das sonst den Eindruck eines Quality-TV-Vertreters macht: Großartige Schauspieler sorgen für Gänsehaut, wenn ihre geliebten ‚Toten‘ plötzlich vor ihnen stehen; das dörfliche USA-Setting lässt bisweilen an eine Geschichte Stephen Kings erinnern, der in „Friedhof der Kuscheltiere“ bereits vor Jahrzehnten ein ähnliches Thema zu literarischem Stoff gemacht hat. «Resurrection» nimmt sich außerdem Zeit für seine Charaktere, teilweise sogar für eine tiefgründige Charakterisierung – ein seltenes Gut im Network-Fernsehen. Der Cast ist nicht zu klein und nicht zu groß, die Geschichte wird im passenden Tempo vorangetrieben.
„Bin ich gestorben? Sind wir alle gestorben?“, fragt Jacob mit einer kindlichen Naivität, als er im Krankenhaus untersucht wird. Zwiespältig ist «Resurrection» durchaus zu sehen, weil es im Unterhaltungsfernsehen mit einem hochemotionalen Thema spielt, dessen künstlerische Bearbeitung viel Fingerspitzengefühl und Empathie erfordert. Glücklicherweise hat die Serie – zumindest bisher – genau dies bewiesen.
VOX zeigt die Serie ab Montag, 1. Juni um 21.15 Uhr
Dieser Artikel erschien erstmals nach Serienstart in Amerika im März 2014.